ForumHaiti: 4,5 Millionen Menschen sind auf externe Hilfe angewiesen

Forum / Haiti: 4,5 Millionen Menschen sind auf externe Hilfe angewiesen
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Haiti, das Nachbarland der Dominikanischen Republik, assoziieren viele Menschen mit den folgenschweren Erdbeben 2010 und 2021. Neben diesen tödlichen Naturgewalten thematisieren internationale Medien immer wieder die politischen Unruhen und die humanitäre Notlage im Land; u. a. prekäre Lebensbedingungen und Hungersnot. Nicht zuletzt sorgen derzeit die brutalen Bandenkriege in der zentral gelegenen politischen und wirtschaftlichen Hauptstadt Port-au-Prince für Schlagzeilen.

Seit der Ermordung des Präsidenten Jovenel Moïse im Jahr 2021 hat sich die politische Lage noch deutlich verschlechtert und die Bildung lokaler Banden verstärkt, die durch Kidnapping und Morde die Stadtbewohner täglich in Angst versetzen. Die ländlichen Regionen Haitis bleiben erfahrungsgemäß von den Gewalttaten verschont, weil dort kein Geld zu holen ist, dennoch leidet die lokale Bevölkerung indirekt sehr unter dem Geschehen, da die Banden den Transport von Lebensmitteln, Wasser, Medikamenten und Treibstoff in ländliche Regionen blockieren oder erheblich verteuern. Die Ernährungsunsicherheit der bereits abgeschotteten ländlichen Bevölkerung spitzt sich folglich weiter zu. Insgesamt sind 4,5 Millionen Menschen (49% der Gesamtbevölkerung) von dieser akuten Ernährungsunsicherheit betroffen und auf externe Hilfe angewiesen.

Hilfe aus Luxemburg

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Seit über 35 Jahren hat sich die luxemburgische Nichtregierungsorganisation „Objectif Tiers Monde (OTM)“ zur Aufgabe gemacht, die ländliche Bevölkerung in abgelegenen Gegenden zu stärken und ihre Lebensbedingungen nachhaltig zu verbessern. Zusammen mit lokalen haitianischen Partnern hat OTM seit 1985 diverse Projekte im Bereich der nachhaltigen Landwirtschaft, der Bildung, der Wasser- und Stromversorgung und des Handwerks entwickelt und immer wieder Nothilfeprojekte realisiert, alles mit regelmäßiger finanzieller Unterstützung des Luxemburger Entwicklungsministeriums und Spenden aus der Bevölkerung (Kontonummer: LU22 1111 0468 7726 0000 / BIC: CCPLLULL).

Aufgrund der Unruhen in Haiti können seit gut vier Jahren keine Reisen mehr in das Land unternommen werden, um die Partner und Projekte vor Ort zu begleiten. Die Projektarbeit mit den Partnern findet demnach verstärkt mit erfahrenen lokalen Beratern und durch regelmäßige Online-Abstimmungen statt, und das mit Erfolg.

Vom 14. bis 25. April hatte OTM nun das Glück, zwei seiner haitianischen Partner, Lesly Joseph (Dekan an der ländlichen Universität von Fondwa) und Johnny Calixte (Agrartechniker), die wesentliche Arbeit am aktuellen Landwirtschaftsprojekt leisten, in Luxemburg empfangen zu können. Während der zwei Wochen, die prall gefüllt waren mit Veranstaltungen für die breite Öffentlichkeit, Workshops für Schüler und Studenten, Besuchen von luxemburgischen Organisationen und Projekten u.a. in den Bereichen Landwirtschaft sowie Wasser- und Stromversorgung, wurde auch viel Wert daraufgelegt, um gemeinsam an dem laufenden Landwirtschaftsprojekt sowie zukünftigen Projekten der Wasserversorgung und der Erhaltung und Nutzung des Bodens weiterzuarbeiten.

„Wir erleben gerade eine schwere Zeit“

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Das erwähnte Landwirtschaftsprojekt hat OTM in Zusammenarbeit mit mehreren ländlichen Organisationen und mit Experten der haitianischen Universität Fondwa im Jahr 2021 begonnen. Es zielt darauf ab, die Möglichkeiten für eine nachhaltige landwirtschaftliche Entwicklung in drei Regionen der Gemeinden Carrefour und Léogâne im Westen Haitis zu verbessern. Im Hinblick auf die zunehmende Entwaldung und Erosion des Bodens, immer häufigere Wirbelstürme, aber auch langanhaltende Dürreperioden geht es vor allem darum, die haitianischen Bauern zu unterstützen, damit sie eine effizientere Landwirtschaft betreiben und ihre Familien ernähren können, u. a. durch die Anwendung neuer Techniken und den Anbau von Pflanzen, die resistenter gegen die sich verändernden Klimaverhältnisse sind.

Das Projekt baut auf drei Schlüsselelementen auf, die seit Projektbeginn positive Ergebnisse erzielen: der Stärkung ländlicher Organisationen, dem Aufbau verschiedener landwirtschaftlicher Strukturen (Wasserzisternen, Lagereinrichtungen und Verarbeitungsanlagen usw.) und dem Aufbau verschiedener Wertschöpfungsketten (für Hirse, Gemüsekulturen, Mais usw.). Die erste Ernte im vergangenen Jahr war trotz einer kurzzeitigen Trockenperiode erfolgreich. Und auch sonst meint Lesly Joseph: „Das Landwirtschaftsprojekt schreitet sehr gut voran, und die Beteiligten zeigen ein starkes Engagement für die Umsetzung der Ziele, das sogar unsere Erwartungen übertrifft.“

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Nach Angaben des haitianischen Dekans der Uni haben sich die Lebensbedingungen der Begünstigten bereits deutlich verbessert. Insbesondere gibt es einen besseren Zugang zu Produktionsmitteln, vor allem Saatgut und Arbeitsgeräte, die Verarbeitung der Agrarprodukte hat sich optimiert, die Bauern haben verbesserte Kenntnisse erworben, um einen größeren Nutzen aus der Landwirtschaft zu ziehen, und übergreifend konnten die Kapazitäten der lokalen Basisorganisationen gestärkt werden.

Auf die Frage hin, was Lesly J. sich für die Zukunft seines Landes wünscht, berichtete er Folgendes: „Wir als Haitianer sind optimistisch, was die Zukunft unseres Landes angeht. Wir erleben gerade eine schwere Zeit in der Geschichte Haitis. Aber diese wird irgendwann zwangsläufig enden. Das Beste kommt noch. Die Bevölkerung wird sich zunehmend ihrer Lage bewusst und der Tatsache, dass sie sich selbst aus dieser Lage befreien muss. So sieht man inzwischen, wie die Menschen verstärkt zusammenarbeiten, um das Land aus dieser schweren Zeit herauszuführen.“ Eine vielversprechende Zukunftsaussicht für ein Land in Aufruhr.

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Zur Autorin

Anna Berkes ist Beauftragte für Bildung, für nachhaltige Entwicklung und Fundraising bei OTM (www.otm.lu)