20 Jahre Polizeifusion / Freundliche Rivalitäten zwischen Gendarmen und Polizisten
Auch wenn die Ordnungskräfte in Luxemburg auf mehr als zwei Jahrhunderte Geschichte zurück blicken können, so ist die heutige Polizei noch recht jung. Am 1. Januar waren es 20 Jahre her, dass „Gendarmerie Grand-Ducale“ und „Police“ zu einem Korps fusionierten. Doch wie empfanden die Beamten diesen Schritt? Das Tageblatt hat sich mit ehemaligen Polizisten und Gendarmen unterhalten.
Ortstermin Verlorenkost. Der Hof des ehemaligen Herzstücks der Gendarmerie-Kaserne wirkt an diesem trüben Januarmorgen noch grauer als sonst. Nur noch ein knappes Dutzend Streifenwagen erinnert entfernt an die einstige Bestimmung des Gebäudes aus den 1950er Jahren. Inzwischen aber dominiert dort, wo früher die Garage und Waffenmeisterei der Gendarmerie untergebracht waren, eisige Stille.
Aus dem Hintergrund ertönt eine freundliche Stimme. Guy Thillmany setzt zur Begrüßung an und schließt das Eingangstor auf. Beim Betreten des Erdgeschosses fällt der Blick sofort auf ein Sammelsurium an Uniformen, Postern, Schildern und anderen Artefakten. „Wir erhalten andauernd neues Material, allerdings wissen wir nicht, wohin damit“, sagt der ehemalige Gendarm und Polizeibeamte.
Thillmany ist einer der Verantwortlichen des „Musée de la Police Grand-Ducale“. Stolz zeigt er dem das erste Ausstellungsstück: ein Möbel mit beschädigten Einsatzhelmen und Wurfgeschossen. Gesammelt bei Protesten, die aus dem Ruder gelaufen sind. „Die meisten Demonstranten sind friedlich. Doch sind immer ein paar schwarze Schafe dabei“, fährt der pensionierte Beamte aus Junglinster fort. Guy Thillmany freut sich über den seltenen Besuch. Das Museum wurde nämlich im Dezember 2016 geschlossen. Auf Befehl von Oben sozusagen. Das Gebäude sei baufällig.
Besuchergruppen dürfen nicht mehr empfangen werden. Dabei war das Interesse an den teils einzigartigen Artefakten bis zuletzt noch groß. Auch heute erhalten die Museumsverantwortlichen immer noch Anfragen aus der Bevölkerung, müssen diese aber weiter vertrösten. Sporadisch wird das Thema in der Öffentlichkeit aufgeworfen. Es folgen Diskussionen, Vorschläge und Versprechen seitens der Politik. Eine Lösung aber wurde bis dato noch nicht gefunden. Dabei können die Kuratoren auf einen unglaublich detaillierten Fundus an Ausstellungsstücken aus mehr als zwei Jahrhunderten zurück greifen.
Tradition und Geschichte
Kaum eine Behörde in Luxemburg hat so viel Tradition und Geschichte, wie seine Ordnungskräfte. Bis zum 1. Januar 2000 waren mit der „Gendarmerie Grand-Ducale“ und der „Police“ im Großherzogtum gleich zwei Wachkörper aktiv. War letztere aus zahlreichen, teils sogar bis ins 13. Jahrhundert zurück gehende Ordnungsdienste entwachsen, wird 1797 gemeinhin als Geburtsjahr der Gendarmerie angesehen.
Unter Napoléon Bonaparte wurden damals die ersten Luxemburger in die „Gendarmerie Nationale“ aufgenommen. Wenige Monate später, am „28 germinal an VI“ – dem 17. April 1798 – wurde per Gesetz die „Compagnie de Luxembourg“ gegründet. Diese erlebte zunächst noch wechselhafte Jahre, mal unter belgischer, dann unter niederländischer Herrschaft. Mit der Unabhängigkeit Luxemburgs aber entwickelte sich die Gendarmerie in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zu einer landesweiten Einheit mit militärischen Strukturen und ordnungskräftigen Aufgaben. Die Polizei, deren unterschiedlichen Einheiten erst 1930 ein gemeinsames Statut erhielten, blieb hingegen lokal verankert und agierte bis zur Zusammenlegung beider Kräfte nur in den größeren Gemeinden des Landes.
„Seit ich mich erinnern kann, wird von einer Fusion gesprochen“, meint denn auch Guy Thillmany, der 1969 als 18-Jähriger in den Armeedienst trat. Eigentlich habe er Förster werden wollen. Doch habe er sich nach drei Jahren in der Armee dann doch entschlossen, der Gendarmerie beizutreten. „In meiner Jugend, wenn dann die Gendarmen aufs Dorf kamen, war das immer imposant. Das hat mich geprägt“, erinnert sich der spätere Chef der Polizeidienststelle in Junglinster. Es sei einfach der größere Korps gewesen, mit den umfangreicheren Befugnissen. Die Polizei sei für ihn deshalb nicht in Frage gekommen.
Gendarm oder Polizist?
Tatsächlich gab es etliche Unterschiede zwischen beiden Ordnungskräften, die bei der Berufswahl der jungen Rekruten bis zur Fusion im Jahre 2000 eine Rolle spielten. War die Polizei nur in den Gemeinden aktiv, so hatten die Gendarmen landesweite Befugnisse. Wegen der Größe des Korps bot die Gendarmerie mehr Aufstiegsmöglichkeiten, während Polizisten wegen der kommunalen Zuschüsse besser ausgestattet wurden. Das Gehalt war das gleiche, die Berufsauffassung auch. Und doch gab es zwischen beiden Kräften tiefgreifende Mentalitätsunterschiede, die einfach geschichtlich gewachsen waren.
Wegen des vergleichsweise kleineren Aktionsradius und der lokalen Nähe zu den Bürgern galt die Polizei gemeinhin als liberaler. Die Gendarmerie hingegen hatte die militärischen Strukturen der Armee übernommen und war entsprechend straffer organisiert. „Wir kannten uns zwar alle noch von der Armee her und haben uns manchmal auch gegenseitig geholfen. Vor allem aber bei den älteren Semestern herrschte lange ein gewisser Konkurrenzkampf“, betont Guy Thillmany heute.
Ein Konkurrenzkampf, den Christian Pierret eher als „freundschaftliche Rivalität“ empfand. Der in Roodt-Syr stationierte Polizist hatte sich nach seiner Armeezeit 1997 noch der Gendarmerie angeschlossen, konnte die Fusion im Jahr 2000 aber als junger Beamte in einer Einheit erleben, die zuvor bereits mit Polizisten besetzt worden war. Auf politischen Druck nämlich war 1999 eine Dienststelle im Bahnhofsviertel gegründet worden, für die sich die Gendarmen freiwillig melden durften. Im Hinblick auf die bevorstehende Fusion wurde zu diesem Zeitpunkt bereits zu jeder Schicht ein Polizeibeamte aus der Hauptstadt hinzu gezogen. „Wir haben die Fusion quasi vorgelebt, bevor sie überhaupt auf dem Blatt bestand“, meint der ehemalige Polizeigewerkschafter mit einem Augenzwinkern.
Jungen Beamten sei die Fusion denn auch leichter gefallen, als den älteren Semestern. „Die Gendarmerie war immer national ausgelegt und hierarchisch strukturiert. Die Rekruten kamen aus der Armee und haben die militärische Struktur mit übernommen. Chef war Chef und Befehle durften nicht hinterfragt werden“, erinnert sich Pierret. „In der Polizei ging es etwas lockerer zu, junge Beamte durften ihre Vorgesetzten recht schnell beim Vornamen anreden. Das wäre in der Gendarmerie nicht denkbar gewesen“, fährt der Beamte fort.
Die strengen Gendarmen auf der einen Seite, die etwas lockeren Polizisten auf der anderen. Ein Bild, das sich wie ein roter Faden durch die gesamte Fusion zu zeichnen scheint. „Das galt auch für die Bevölkerung: Manche Menschen haben Gendarmen ernster genommen als Polizisten“, so Pierret. Dafür aber seien die volksnäheren Polizeibeamten in ihren Gemeinden beliebter gewesen.
Ob sich die Rekruten nun für die Gendarmerie oder die Polizei entschieden, hing meist von der eigenen Persönlichkeit ab. Für Eugène Thommes etwa stand von Anfang an fest, dass er sich der Polizei anschließen wollte. „Die Polizei war liberaler, weniger militärisch strukturiert. Auch waren sie in größeren Ortschaften aktiv, was mir gefiel“, so der pensionierte Beamte, der 1976 in den Dienst der Polizei trat und nach der Fusion mit dem Aufbau des Einsatzzentrums in Grevenmacher befasst wurde.
Ihn habe die liberalere Herangehensweise angesprochen. „Auch die Vorgesetzten waren etwas umgänglicher, um es so auszudrücken“, lacht der ehemalige Präsident des internationalen Polizeiverbandes. Der Umgang untereinander sei offener gewesen, womit verschiedene Personen, die eine militärische Struktur gewohnt waren, nicht gut umgehen konnten.
Fusion war unausweichlich
So sind es zwei Welten, die am 1. Januar 2000 aufeinander prallen. Die einen werden wegen ihres Kadavergehorsams belächelt, die anderen wegen ihres lockeren Auftretens und der eingeschränkten Befugnisse. „Dann werde ich noch lieber Polizist, als dass ein Polizeibeamter Gendarm wird“, soll ein Gendarm kurz vor der Fusion gesagt haben – frustriert, dass das gemeinsame Korps fortan unter dem Namen „Police Grand-Ducale“ operieren sollte.
In einem Punkt sind sich die meisten Beamten – ob noch aktiv oder bereits im Ruhestand – einig: Die Fusion war unausweichlich. Auf Dauer habe sich ein kleines Land wie Luxemburg keine zwei Kräfte leisten können. Drei Punkte hatte die Politik als Ziel der Zusammenlegung ausgemacht: die Regionalisierung, mehr Nähe zur Bevölkerung und eine ständige Präsenz, um schnelle Interventionen rund um die Uhr gewährleisten zu können, und das landesweit. Letztere Aufgabe sollte von den „Centres d’Intervention“ übernommen werden, während die „Commissariats de Proximité“ mehr Nähe zur Bevölkerung beweisen sollten. Gleichzeitig versprach der damalige Innenminister Michel Wolter mehr Beamten und einfache Prozeduren.
Dass eine Reform dieser Größenordnung nicht ohne Probleme über die Bühne geht, scheint auf der Hand zu liegen. Umso erstaunlicher scheint heute, dass viele Beamte bei der Frage nach Schwierigkeiten nur noch an die Kontroverse um die Kopfbedeckung denken. „Ja, die Kappe“, lacht auch Eugène Thommes. „Das war ein Fiasko. Die wurde nicht akzeptiert und rasch wieder ersetzt.“ „Russen-Kappe“ wurde sie genannt, mit der Kopfbedeckung eines Orchesters verglichen. Damit war ihr Schicksal von Beginn an besiegelt. Zuvor war die Kopfbedeckung aus dem Bestreben entwachsen, die Wünsche beider Kräfte zu berücksichtigen und stets den Kompromiss anzustreben.
„Es fing beim Namen des neuen Korps an“, betont Armand Jaminet. Der heute pensionierte Beamte war lange Zeit bei der Straßenpolizei in der Hauptstadt, bevor er unter anderem die Verkehrsnachrichten im Radio und später das Einsatzzentrum in Grevenmacher übernahm. „Polizei“ wurde zurück behalten, weil es der international gängigere Name gewesen sei. Um jedoch die Gendarmen nicht zu verprellen, wurde aus deren Namen „Gendarmerie Grand-Ducale“, das „Grand-Ducale“ übernommen. So wurde aus beiden Kräften am 1. Januar 2000 die „Police Grand-Ducale“. „Ähnlich wurde auch bei der Uniform verfahren. Die Polizisten hatten schwarze Kleidung, die Gendarmen waren blau gekleidet. Also entschieden wir uns für ein dunkles Blau, das ins Schwarze übergeht“, so Jaminet. Ähnlich wurde mit den Dienstgraden verfahren. Und auch die Kopfbedeckung sei ein solcher Kompromiss gewesen. Ein Schuss, der allerdings nach hinten los ging.
Mit vereinten Kräften setzten sich die ehemaligen Polizisten und Gendarmen zur Wehr und schafften diese Kappe wieder ab. Ansonsten aber taten sich die neuen Kollegen mitunter etwas schwerer: „Es waren wirklich zwei Welten, die aufeinander prallten“, sagt auch Armand Jaminet. „Es wurden zwei Truppen miteinander vereint, die nicht unterschiedlicher hätten sein können: die eine militärisch strukturiert, die andere zivil organisiert. Was nun besser war, sei dahin gestellt“, so der ehemalige Beamte, der ebenfalls lange Jahre im internationalen Polizeiverband aktiv war. „Fakt ist: Bei der Fusion wurde das Beste aus den zwei Welten zusammen geschlagen“, so sein Fazit.
Anfangsschwierigkeiten
Womit sich aber verschiedene Beamte lange Zeit schwer taten. „Manche Leute waren es einfach gewohnt, Befehle entgegen zu nehmen. Eigenständige Entscheidungen waren ihnen in Gendarmerie-Zeiten nie abverlangt worden“, erinnert sich Eugène Thommes. Die Polizei hingegen habe Eigeninitiative stets gefördert. Jungen Beamten wie Christian Pierret ist der Übergang denn auch einfacher gefallen. „Ich hatte das Gefühl, dass sich vor allem Beamte auf Verantwortungsposten etwas schwerer taten“, meint Pierret. Bei der Gendarmarie sei ein Befehl keine Diskussionsgrundlage gewesen. Bei der Polizei sei kritisches Denken hingegen gefördert worden. „Damit hatten einige Leute zu Beginn so ihre Schwierigkeiten“, so der noch aktive Beamte weiter.
Es sei einfach eine andere Art der Arbeit gewesen, meint hingegen der ehemalige Gendarm Guy Thillmany. Ansonsten aber sei die Fusion für ihn größtenteils reibungslos abgelaufen. Nur mit dem Namen habe man noch so seine Schwierigkeiten gehabt: „In Junglinster haben wir das Telefon noch lange mit ,Gendarmarie Junglinster‘ abgehoben“, lacht der Museumskurator. „Man war einfach zu lange Gendarm, um das von einem Tag auf den anderen abstellen zu können“.
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