EditorialFader Beigeschmack: Esch und die PAG-Diskussion

Editorial / Fader Beigeschmack: Esch und die PAG-Diskussion
Demonstration am vergangenen Freitag vor der Gemeinderatssitzung zum PAG  Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Verabschiedung des Flächennutzungsplans (PAG) im Escher Gemeinderat war der vorläufige Höhepunkt einer fast zwei Jahre dauernden Diskussion. Der Streit rund um die Wohngemeinschaften fand dabei landesweit Beachtung, das Resultat hinterlässt in Esch einen faden Beigeschmack.

Noch im letzten Sommer war die Abstimmung verschoben worden. Bürgermeister Georges Mischo (CSV) betonte damals die Wichtigkeit des allgemeinen Bebauungsplans als Hauptinstrument zur Steuerung der städtebaulichen Entwicklung. Deshalb wolle er, dass der Gemeinderat ihn einstimmig, oder zumindest quasi-einstimmig, mittrage. Dieser Plan ging schief, denn sämtliche Räte der Opposition sprachen sich bei der Abstimmung gegen den PAG aus.

Der schwarz-grün-blaue Schöffenrat hatte bis zum letzten Moment gewartet, um die Reißleine zu ziehen. Immerhin verschwand so ein Paragraf, der die affektive Bindung der Zusammenlebenden vorschreiben sollte. Trotzdem bleiben noch genug Hürden übrig, die Wohngemeinschaften verhindern oder zumindest erschweren. Es geht dem Schöffenrat dabei um die Auswüchse bei den sogenannten „Cafészëmmeren“, um Sicherheitsaspekte und um den Schutz von Einfamilienhäusern. Vielleicht aber ist der wirkliche Grund die Gentrifizierung des Escher Zentrums, wie einige Gemeinderäte der Opposition vermuten. 

Dass ein Flächennutzungsplan nicht das richtige Mittel ist, um das Zusammenleben der Menschen zu regulieren, darauf wiesen gleich zwei Minister (Taina Bofferding und Henri Kox, pikanterweise Bruder des Ersten Schöffen Martin Kox) den Escher Schöffenrat hin. Und ein Gesetz gegen nonkonforme „Cafészëmmeren“ gibt es seit Ende 2019 auch. In Städten wie Düdelingen hat es geholfen, das Problem in den Griff zu kriegen. Dem Escher Schöffenrat geht das Gesetz nicht weit genug, weshalb er nicht von seiner Linie abweichen wollte. Den Kritikern innerhalb und außerhalb des Gemeinderats wurde noch am Freitag attestiert, die Texte falsch zu verstehen. Eher wahrscheinlich ist, dass es grundverschiedene Meinungen in der Sache gibt.

Und zwar in der Frage, wie sozial die Escher Wohnungspolitik sein soll. Bürgermeister Georges Mischo betonte wiederholt, dass Wohngemeinschaften nicht verboten, sondern nur reguliert werden sollen. De facto sind sie nun aber überreguliert. Zum Beispiel ist es jetzt quasi unmöglich, irgendjemanden bei sich zu Hause aufzunehmen, sei es einen Studenten oder aber einen Flüchtling. Das steht einer Stadt wie Esch schlecht zu Gesicht. Schließlich will man Universitätsstadt sein, und in einem Jahr Kulturhauptstadt. Weltoffen demnach, nicht provinziell. Prinzipiell sollten alternative Wohnformen in Zeiten der Wohnungskrise und im Hinblick auf die wirtschaftlichen Konsequenzen der Corona-Pandemie nicht ausgebremst, sondern gefördert werden. 

Mit der Verabschiedung des PAG im Gemeinderat ist das Thema noch nicht vom Tisch. Als Nächstes muss das Innenministerium grünes Licht geben, was in Anbetracht der deutlichen Ansage der Minister nicht garantiert ist. Esch steht mit seinem Wachstum durch die Besiedlung der Industriebrachen vor enormen Herausforderungen. Da ist es gleich doppelt schade, dass der neue PAG fast zwei Jahre lang auf die Frage der Wohngemeinschaft reduziert wurde. Mit diesem Ergebnis ganz besonders.