LuxemburgEuropäische Staatsanwaltschaft mit ersten Fällen betraut

Luxemburg / Europäische Staatsanwaltschaft mit ersten Fällen betraut
Die leitende Staatsanwältin Laura Codruța Kövesi soll als Chefin der Europäischen Staatsanwaltschaft von Luxemburg aus die finanziellen Interessen der EU schützen Foto: Kenzo Tribouillard/AFP

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In Luxemburg hat gestern die Europäische Staatsanwaltschaft offiziell ihre Arbeit aufgenommen. Die Hauptaufgabe der neuen EU-Behörde ist der Schutz der finanziellen Interessen der EU. Sie rechnet damit, jährlich einige tausend Fälle bearbeiten zu müssen.

Gleich neben dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) auf Kirchberg hat die neu geschaffene Europäische Staatsanwaltschaft ihren Sitz. Doch werden die Ermittler der EU-Staatsanwaltschaft nicht dem EuGH zuarbeiten, sondern den nationalen Gerichten, die für Strafsachen zuständig sind. Denn damit wird es die neue Justizbehörde aus Luxemburg ausschließlich zu tun haben. Sie wird künftig EU-weit gegen Korruption und grenzüberschreitenden Mehrwertsteuerbetrug, gegen Subventionsbetrug sowie die Veruntreuung von EU-Geldern vorgehen. Sie würden es mit Wirtschafts- und Finanzkriminalität zu tun haben, die in ihrem Ausmaß unterschätzt werde, sagte Behördenchefin Laura Codruța Kövesi gestern. Davon profitiere vor allem das organisierte Verbrechen, was zu oft toleriert werde, bedauerte die Rumänin, die sich in ihrem Land  als konsequente Korruptionsbekämpferin einen Namen gemacht hat. So sehr, dass rumänische Spitzenpolitiker versucht hatten, ihre Nominierung zu hintergehen.

Doch seit gestern ist sie am Werk. Es sei „ein historischer Moment“, sagte Laura Kövesi. Ihre Behörde sei „das erste scharfe Instrument, um die Rechtsstaatlichkeit in der EU zu verteidigen.“ Sie wies darauf hin, dass die Einrichtung einer eigenen Staatsanwaltschaft während zwei Jahrzehnten in der EU diskutiert wurde. Nach anfangs 14 beteiligen sich derzeit allerdings nur 22 EU-Staaten an der neuen Behörde, die im Rahmen der „verstärkten Zusammenarbeit“ gebildet wurde. Irland, Schweden, Dänemark, Polen und Ungarn sind dem Vorhaben nicht beigetreten. Allerdings laufen derzeit die Vorbereitungen, damit Schweden im kommenden Jahr dazustoßen kann.

Laura Kövesi geht aufgrund von Statistiken, die sie von den EU-Staaten erhalten habe, davon aus, dass die Staatsanwaltschaft jährlich mit rund 3.000 Fällen befasst sein werde. Und es wird dabei um sehr viel Geld gehen. Denn laut einem Bericht über die finanziellen Interessen der EU gingen allein 2019 an die 460 Millionen Euro an EU-Geldern durch betrügerische Machenschaften verloren. Laura Kövesi geht daher davon aus, dass ihre Behörde es auch mit Leuten zu tun haben werde, „die nicht vor extremer Gewalt zurückschrecken, um ihre Straflosigkeit zu sichern“. Doch sie sieht ihre Arbeit auch als eine Sache der Glaubwürdigkeit der Union, durch die die Bürger mehr Vertrauen in die EU erhalten sollen.

Ermittlungen in EU-Staaten

Die Behördenleiterin geht davon aus, dass die Europäische Staatsanwaltschaft vor allem mit Fällen aus dem Gesundheitsbereich, der Landwirtschaft, Investitionen und dem öffentlichen Beschaffungswesen befasst sein wird. Dabei wird die Europäische Staatsanwaltschaft nicht nur Ermittlungen in den Mitgliedstaaten durchführen, sondern auch dort Anklage erheben und Haftbefehle durchsetzen können.

Allerdings gibt es Anlaufschwierigkeiten. So haben Slowenien und Finnland bisher noch keine delegierten Staatsanwälte nominiert. Kein Staat könne die Staatsanwaltschaft davon abhalten, ihre Arbeit aufzunehmen, meinte Laura Codruța Kövesi und fügte an: „Meiner Ansicht nach ist das ein Mangel an aufrichtiger Kooperation.“ Jedes beteiligte EU-Land wird von einem Staatsanwalt in der Behörde in Luxemburg vertreten, der den Kontakt mit der heimischen Staatsanwaltschaft hält. Dort sind mindestens zwei delegierte Staatsanwälte mit den europäischen Fällen betraut.

Und was geschieht derweil mit den Betrugsfällen, die in den fünf nicht-beteiligten EU-Staaten anfallen? Darum werde sich weiterhin die Europäische Betrugsbekämpfungsbehörde Olaf kümmern, sagte die EU-Vizekommissionspräsidentin Vera Jourova gestern. Olaf kann diesen Ländern jedoch nur eine Empfehlung geben, einen bestimmten Fall zu verfolgen. Zudem könnten in diesen Staaten die bereits vorhandenen rechtlichen Instrumente genutzt werden, so Laura Kövesi. Zudem habe sie bereits mit Ungarn ein Abkommen über eine Zusammenarbeit unterzeichnet.

Am ersten Tag wurde die Europäische Staatsanwaltschaft auch gleich mit ihren ersten Fällen betraut. Der allererste kam aus Deutschland, doch seien auch einige aus Italien dabei, sagte Laura Kövesi. Um was es sich dabei handelt, erklärte sie nicht.

DanV
3. Juni 2021 - 11.19

Erstaunlich und positiv, dass die Institution trotz der Enthaltung einiger Staaten zustande gekommen ist. Damit ist der erste Schritt getan, auch andere Themen in Angriff zu nehmen, die von einem kleinen Teil der EU-Staaten blockiert werden.