OGBL-Präsidentin Nora Back zum 1. Mai„Diesmal müssen die Reichsten bezahlen“

OGBL-Präsidentin Nora Back zum 1. Mai / „Diesmal müssen die Reichsten bezahlen“
Nora Back wird am Samstag eine klassische 1.-Mai-Rede halten, will aber nicht zu lange sprechen Foto: Editpress/Alain Rischard

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Nachdem in den letzten beiden Jahren das Fest der Arbeit und der Kulturen zum 1. Mai in der Abtei Neumünster ausgefallen sind und auch in diesem Jahr früh klar war, dass Corona die traditionelle Feier verhindern würde, beschloss der OGBL, die frühere Form wiederzubeleben und einen Umzug in Esch mit anschließender 1.-Mai-Rede zu organisieren. Wir sprachen im Vorfeld mit Präsidentin Nora Back. 

Tageblatt: Nach zwei Jahren ohne richtige 1.-Mai-Feier wird es wieder die Möglichkeit zur Begegnung geben. Wie wird der Ablauf sein?

Nora Back: Da es nicht möglich war, das Fest in Neumünster zu organisieren – ohne Essen, ohne Getränke, mit Sitzplätzen bei den Konzerten wäre der ganze Charme weggefallen – und ich persönlich gegen eine rein digitale Veranstaltung war, haben wir uns zu dem Umzug entschieden, den wir ganz bewusst in Esch, der Wiege der Gewerkschaft, organisieren. Um 10.00 Uhr startet der „Cortège“ am Brillplatz; um 10.30 Uhr wird der Zug begleitet von der Big Band des OGBL am Rathausplatz eintreffen. Nando Pasqualoni, Präsident der Escher Sektion, wird die Gewerkschafter begrüßen und anschließend werde ich keine allzu lange 1.-Mai-Rede halten. Musikalisch wird André Mergenthaler die Veranstaltung begleiten. Da wir keine Getränke anbieten dürfen, wird es einen „Apéro to go“ für die Teilnehmer geben, der dann im Prinzip zu Hause genossen werden sollte. 

Kurz nachdem Sie OGBL-Präsidentin wurden, brach die Pandemie aus. Wie sehen Sie rückblickend Ihre bisherige Amtszeit?

Es ist schon heftig. Das Amt ist ohnehin eine große Herausforderung und dann kam die Krise hinzu. Es gab keine Erfahrungswerte, wie wir mit Corona umgehen sollten. Dass physische Treffen nicht mehr möglich waren, traf die Gewerkschaft besonders heftig und drückte auf die Moral. Vieles, was eine Gewerkschaft ausmacht, war nicht mehr möglich. Der Austausch fehlte, es blieb nur das harte Geschäft des Streitens, des Verhandeln ohne den angenehmeren Gegenpart. Auch das Gespräch in der Gaststätte, der wichtige informelle Aspekt der Arbeit, fehlte.

Dass wir trotz allem, trotz Quarantänen und Infektionsfällen, nie daran dachten, die Leistungen zurückzuschrauben, macht mich stolz. Die Sprechstunden wurden weiter angeboten, die ganze Gewerkschaftsarbeit lief ohne Unterbrechung; dass dies von den Kollegen so durchgezogen wurde, half mir enorm. Und die Mitglieder brauchten uns besonders zu Beginn der Krise. Auch die Berufssyndikate hatten mehr Arbeit als üblich. 

„Oft ein Drahtseilakt“

Die Rechte der Arbeitnehmer zu verteidigen, war dabei oft ein Drahtseilakt: Häufig wurde uns der Vorwurf gemacht, wenn wir Forderungen stellten, wir würden den Ernst der Lage verkennen. Oft war es schwierig, den richtigen Ton zu finden in dieser sanitären Krise, bei der sowohl wir als auch die Arbeitgeber und die Regierung einen gemeinsamen Feind hatten. Dennoch konnten wir viel erreichen, etwa in der Luftfahrt, im Stahlsektor oder auch bei der Kurzarbeit, wo wir erreichen konnten, dass der Mindestlohn integral ausbezahlt wird, oder beim Schutz der Mieter gegen Kündigung und Mieterhöhungen.

Wurde die soziale Realität rauer während der Krise? Gab es Unternehmen, die Corona benutzten, um geplanten Abbau umzusetzen?

Sektorübergreifend wurde es schwerer für uns. Da gab es die Menschen an der Front, die systemrelevanten Berufe, denen zwar Beifall geklatscht wurde, die aber immer noch nicht die entsprechende Anerkennung haben. Wir haben keine Signale bekommen, dass irgendwelche Verbesserungen, etwa der Löhne oder der Kollektivverträge, für sie kommen sollten. Das gilt für das Gesundheitswesen, für die öffentlichen Dienste, den Handel, den Sicherheitssektor. Das krasseste Beispiel ist der Reinigungssektor; hier gaben die Unternehmer in den Kollektivvertragsverhandlungen keinen Millimeter nach. Und obwohl der Sektor wegen der vielen Teilzeitverträge oft bei unterschiedlichen Firmen schwierig ist, wurde ein Punkt erreicht, an dem die Wut und damit die Kampfbereitschaft der Betroffenen kaum mehr zu bremsen ist. Wenn nötig, ist das Reinigungspersonal streikbereit. Ein Einlenken der Arbeitgeber scheint allerdings jetzt wieder möglich, es kommt wieder Bewegung in die Verhandlungen. Ganz schlimm ist die Lage zurzeit auch im Horeca-Bereich.

Solidarität mit Unternehmern

Hier erleben wir ein Novum: Die Gewerkschaft zeigt Solidarität mit den Unternehmern …

In der Tat; wir verstehen die Betreiber der Gaststätten, die Angst haben, die nicht wissen, wie es weitergehen wird. Wir wollen gemeinsam nach Lösungen suchen. Wir hielten uns als Gewerkschaft immer aus sanitären Fragen heraus, forderten nie, alles wieder zu öffnen, die Betriebe müssen aber unterstützt werden. Dabei sollen sie ihr Personal allerdings nicht vergessen und deren Jobs garantieren.

Dies war ja eine Forderung; Unternehmen, die staatlich unterstützt werden, sollten eine Jobgarantie geben. Dies wurde aber nicht umgesetzt …

Das stimmt: Wir haben keine Jobgarantie erreichen können; es gab allerdings auch keine Massenentlassungen, keine auffälligen Tendenzen jedenfalls in diese Richtung. Es ist dabei nicht auszuschließen, dass das böse Erwachen noch kommt, wenn die Hilfsmaßnahmen nicht mehr greifen

Zurzeit sieht die wirtschaftliche Lage besser aus als erwartet. Bedeutet dies, dass die ursprünglichen Pläne der Regierung, etwa zur Steuerreform, die zurückgenommen wurden, jetzt dennoch umgesetzt werden könnten?

Unsere Position war immer die, dass es keine Austeritätspolitik geben darf, wie nach der Finanzkrise. Es ist ohnehin nicht an der Zeit, über Finanzen zu reden; wenn die Zeit aber kommt, dann darf das Geld nicht von den Klein- und Mittelverdienern genommen werden.

Kein finanzielles Drama-Szenario

Wir sind aber nicht in einem Drama-Szenario; es ist nicht schlimm, Kredite aufzunehmen, und auch das goldene Kalb der 30 Prozent Staatsverschuldung muss nicht auf Biegen und Brechen erhalten bleiben. Die EU hat dies ja auch eingesehen und die Kriterien flexibler gestaltet. In diesen Zeiten brauchen wir finanziellen Spielraum und hohe Investitionen. 

Steuerpolitisch brauchen wir eine Entlastung der Einkommen, eine höhere Besteuerung auf Kapitalerträgen und eine progressive Grundsteuer. Wenn es sein muss, treten wir für eine Corona-Krisensteuer für die reichsten zehn Prozent ein. Diesmal ist es an denen, die sind bislang noch nicht zur Kasse gebeten worden. 

Wie steht es eigentlich um den Sozialdialog?

Im Rahmen der Vorschläge, die zum sog. europäischen Semester bis Ende April nach Brüssel eingereicht werden müssen, finden im Vorfeld Gespräche zwischen Regierung, Gewerkschaften und Unternehmen statt – oft mehr drei Monologe als ein Dialog. Wir sahen dies immer kritisch. Die Kommission verlangt u.a, dass Vorschläge zur sozialen Kohäsion im Sozialdialog entwickelt werden sollen. Diesen Sozialdialog haben wir nicht. Es gab eine Unterredung zum Thema im Rahmen des Wirtschafts- und Sozialrates, bei der Regierung, Gewerkschaften und Patronat ihre Vorschläge darlegten. Dies reicht nicht, besonders in der Krise. Nach Protest gab es eine zweite Sitzung, während der Finanzminister Gramegna wieder die gleichen Pläne erläuterte, in denen nichts zu finden ist, was gegen Ungleichheiten wirkt. So funktioniert Sozialdialog nicht.

frolick
2. Mai 2021 - 0.55

Die Reichsten? Alle beide?

Linda
1. Mai 2021 - 19.08

Daat get schon zenter Joeren an Joeren gesoot! Bis elo ass nach guer naicht geschidd! Déi Raich setzen hir Suen and Ausland wou keen kann kontrolléieren. All Magouillen sin bei denen alaabt! Dubai ass lo bei villen belèift vir Eng Imobilie ze kaafen. Do ass et steierfrai! An da Politik gin et Magouilleuren !An net nemen zu Letzebuerg! Matt Suen kann een sech alles kaafen! Awer Gesondheet net! An and Graf get och naicht mattgeholl! Ech wir frou wann mol wierklech Diplomaten,an all déi raich Bonzen anständech besteiert gin! Waat méi Ankommes do ass waat méi Steieren missten bezuelt gin! An denen Aarmen Steieren aliechteren!

Hunni
1. Mai 2021 - 17.35

Dass die Reichsten zur Kasse gebeten werden sollen, dies ist dummes Gelaaber,kommt nie zustande, der kleine dumme Bürger wird immer mehr veräppelt, all die fetten Bonzen ob politisch oder gewerkschaftlich stehen da zusammen wenn's ihnen ans Eingemachte gehen sollte. Diese Gewerkschaftsdame soll weiter träumen und bei der Realität bleiben.

CESHA
30. April 2021 - 14.30

Die "Reichsten" sollten doch schon so oft zur Kasse gebeten werden die finden aber immer Mittel und Wege, ihr Geld in Sicherheit zu bringen. "eine höhere Besteuerung auf Kapitalerträgen und eine progressive Grundsteuer."? Das wird wiederum nur den kleinen Häuschenbesitzer treffen und die Sparer, welche mangels akzeptablen Zinserträgen auf dem Sparbuch ihr Glück im Kauf von Aktien versuchen

Blücher
30. April 2021 - 12.55

Sparen ist die Lieblingsabgabe der Reichen, Arbeitnehmer und Rentner werden zur Kasse gebeten. Frau Back geben wir uns keinen Träumen hin oder proben den Aufstand.