Liser-Ökonomin„Die Menschen erleben derzeit etwas, was sie noch nie erlebt haben“

Liser-Ökonomin / „Die Menschen erleben derzeit etwas, was sie noch nie erlebt haben“
Aline Muller ist seit 2016 Direktorin des Liser-Instituts Foto: Editpress/Alain Rischard

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Das Luxemburger Wirtschaftsforschungsinstitut Liser hat gemeinsam mit anderen Forschern eine Projektion der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise gewagt. Im Interview erklärt Liser-Chefin Aline Muller, wie die Zahlen einzuschätzen sind – und warum sie in der Krise auch Chancen sieht. 

Tageblatt: Ein Lockdown von einem Monat bedeutet, dass die Wirtschaftsleistung in diesem Monat um bis zu 42 Prozent zurückgeht. Ist diese Projektion nicht ein bisschen drastisch?

Aline Muller: Es gibt Projektionen, die für die Eurozone einen wesentlich stärkeren Rückgang prognostizieren. Unsere ist eigentlich eher vorsichtig und positiv. Im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften ist der Rückgang relativ gering. Aber wir müssen vorsichtig sein: Luxemburg ist im Vergleich zu den großen europäischen Volkswirtschaften sehr klein. Natürlich hoffen wir deshalb auch auf einen Sonderfall für das Land – aber wir müssen kämpfen.

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Was kostet uns die Krise? – Lesen Sie zum Thema auch unseren Bericht über die Prognosen der Luxemburger Ökonomen.

Wieso ist die Krise in Luxemburg denn besonders?

Im Gegensatz zur Krise 2009 betreffen die direkten Schäden in erster Linie die Realwirtschaft. Luxemburg ist zurzeit weniger hart getroffen als andere Volkswirtschaften. Unsere Wirtschaft basiert auf Dienstleistungen – und die können größtenteils eben auch aus der Ferne geleistet werden.

Sehen Sie in der Krise auch eine Chance?

Sie gibt allen Organisationen die Gelegenheit, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Wir bewegen uns dahin, dass unsere Wirtschaft anders funktioniert: ein digitaler Kapitalismus, der uns bewusster mit unserem ökologischen Fußabdruck umgehen lässt. Wenn wir sehen, wie schnell sich unterschiedliche Akteure in ihren digitalen Fähigkeiten gesteigert haben, könnte sich die Art, zu arbeiten, in einer sozioökonomischen Sicht sehr verbessern. Aber man darf nicht vergessen, dass es noch immer Menschen gibt, die von der digitalen Welt ausgeschlossen sind. Wir sind besonders bei der Bildung besorgt.

Luxemburg ist mit den Nachbarländern vernetzt wie kein anderes Land. Kann das zum Problem werden?

In Luxemburg ist man sich sehr darüber bewusst, im Herzen Europas zu sein. Und das Großherzogtum hat immer eine große Rolle dabei gespielt, wenn es darum ging, Dinge gemeinsam anzugehen. Wenn wir daran scheitern, die Solidarität in Europa hochzuhalten, dann sind die Anstrengungen jedes einzelnen Landes nutzlos. Wir sollten nicht damit aufhören, alle europäischen Akteure dazu anzuspornen, die Maßnahmen zu koordinieren.

Wann ist wieder alles wie vorher?

Ökonomen sind immer vorsichtig mit Vorhersagen. Es ist normal, dass die Regierung eine Exit-Phase plant, also dass die Restriktionen zurückgenommen werden. Ich glaube auch, dass das auf Basis der besten Projektionen geschieht.

Riskiert die Politik nicht die Gesundheit der Menschen, wenn sie die Restriktionen erleichtert, um die Wirtschaft wieder in Gang zu bringen?

Ich glaube nicht. Dass das Gesundheitswesen nicht zusammenbricht, hat noch immer absolute Priorität. Und es ist nicht auszuschließen, dass die sozioökonomischen Aussichten eines Nicht-Lockdowns – also ein steiler Anstieg von Infektionen und Todeszahlen – schlimmer wären. Es gibt historische Beispiele, die uns lehren, dass die strengen Maßnahmen langfristig einen positiveren Effekt haben.

Wird uns diese Krise härter treffen als die von 2007?

Das hängt enorm davon ab, wie die Politik in Luxemburg und Europa reagiert. Wir müssen Liquidität bereitstellen und den besten Weg finden, diese auch an Haushalte und Unternehmen zu verteilen. Und wir müssen nach einem Schock dieses Ausmaßes auch wieder Zukunftsaussichten schaffen. Auf die Menschen hat die Krise jetzt schon größere Auswirkungen als 2009. Vor allem in den Köpfen – es scheint trivial, aber es ist es nicht: Wenn sie sich in einen Supermarkt begeben, erleben sie derzeit etwas, was sie noch nie erlebt haben. Die Menschen könnten in Zukunft risikoscheuer sein. Das beeinflusst auch auf die Wirtschaft.

Zur Person

Aline Muller ist seit 2016 Direktorin des Luxemburger Wirtschaftsforschungsinstituts Liser (Luxembourg Institute of Socio-Economic Research). Die 46-jährige Luxemburgerin lehrte Finanzwissenschaften und Ökonometrie in Nijmegen und Maastricht und ist Professorin für Finanzwissenschaften an der Universität Lüttich. 

Miette
21. April 2020 - 21.38

Och wann elo e puer Dokteren hei am Land eis wellen verzielen, mir hätten grad keng Pandemie?Ech denken et ass gudd sech elo an Haus/Wunneng op ze haalen, just all Woch emol anzekaafen an wien Terasse oder Gärtchen huet, soll daat geneissen. Dei Mattmenschen ouni Gärtchen oder Terasse hun jo dei Meiglechkeet am Park asw. fresch Loft ze otemen. Ech hoffen et bleiwen der weiderhin vill dobannen an gesond❣❣❣

jonas
17. April 2020 - 17.06

@ Ujheen @ Jonas "Waat ass dann daat fir e Brach wou Der do vun Iech gidd?? Keng Regierung déi mer zanter dem WW2 haaten huet op Gott vertraut. Sie hunn all hier Orbecht ënnert deenen jeweilegen Ëmstänn vun der Zeit méi an och manner gutt gemaach." Wann de SchangClod nach do wier, da wier dat eng 'Chefsaach' a mir géife stierwe wéi d'Mécken.

Ujheen
17. April 2020 - 7.54

@ Jonas Waat ass dann daat fir e Brach wou Der do vun Iech gidd?? Keng Regierung déi mer zanter dem WW2 haaten huet op Gott vertraut. Sie hunn all hier Orbecht ënnert deenen jeweilegen Ëmstänn vun der Zeit méi an och manner gutt gemaach.

jonas
16. April 2020 - 11.45

„Die Menschen erleben derzeit etwas, was sie noch nie erlebt haben“ Ja, eine Regierung die tatsächlich was tut anstatt auf Gott zu vertrauen.

zweifler
15. April 2020 - 16.30

"Die Menschen könnten in Zukunft risikoscheuer sein. Das beeinflusst auch auf die Wirtschaft." Wenn man sieht was derzeit an den Börsen passiert fällt es schwer eine solche "Risiko-Scheu" zu erkennen. An der Wallstreet in New-York wo das Corona-Virus schwer zugeschlagen hat und der Höhepunkt der Krise noch nicht überschritten ist gehen einzelne Indizes gerade durch die Decke.