UmweltDie Gegenwart zeigt klar, wie fortgeschritten der Klimawandel auch in Luxemburg ist

Umwelt / Die Gegenwart zeigt klar, wie fortgeschritten der Klimawandel auch in Luxemburg ist
Ein Satellitenbild zeigt den Süden von Luxemburg am 31. Juli

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Die Zahl der Menschen, die beim Begriff „Klimawandel“ Hysterie oder Verschwörung am Werk sehen, dürfte in den vergangenen Tagen und Wochen ins Schmelzen geraten sein: Praktisch völlig ausbleibende Niederschläge bei Temperaturen an oder weit oberhalb der 30-Grad-Grenze haben auch in Luxemburg der Landschaft eine Anmutung gegeben, zu der auch Gnus und Zebras gut passen würden. Der Wetterexperte Andrew Ferrone ordnet ein, wo das Großherzogtum und der Rest der Welt stehen.

Dass der Klimawandel natürlich auch das Großherzogtum längst erreicht hat, ist für Dr. Andrew Ferrone unabweisbar. Die entsprechenden Eckdaten könnte der Leiter des Wetterdienstes in der Luxemburger Verwaltung für technische Dienste der Landwirtschaft wohl längst im Schlaf aufzählen: „Weltweit hat der Weltklimarat festgestellt, dass die Temperaturen seit prä-industrieller Zeit um 1,1 Grad gestiegen sind – und hier in Luxemburg sehen wir sogar einen Anstieg von 1,5 Grad für diese Periode!“

Das, erklärt Ferrone im Gespräch mit dem Tageblatt, lasse sich damit erklären, dass Landmassen sich schneller erwärmen als die Ozeane und Landstriche an den Küsten. Beim Vergleich der Zeitperioden 1861 bis 1890 und 1991 bis 2020 habe man aber auch festgestellt, dass sich nicht nur die Temperaturen ändern, sondern auch die Niederschläge – wobei sich hier auch die Tücken zeigen, die in einer Statistik stecken können: „Wir stellen zum Beispiel im Frühjahr weniger Niederschläge fest, während es im Winter mehr sind“, erklärt Ferrone – und dass sich das im Jahresmittel so ausgleiche, dass dieses keine signifikanten Unterschiede erkennen lasse beim Vergleich mit früheren Werten.

Wetterexperte Dr. Andrew Ferrone
Wetterexperte Dr. Andrew Ferrone Foto: Editpress-Archiv/Tania Feller

Das ist eben das Tückische am Klimawandel: Er muss nicht unbedingt bewirken, dass es überall und immer heißer wird oder mehr regnet, sondern er fördert Extremereignisse, die ebenso zum Verdorren der Felder wie auch zu schweren Überflutungen oder Tornados an Orten, wo man all das bisher nicht kannte, führen können.

Auch dem derzeitigen „Trockenstress“ sei man auf der Spur, der ja „gefühlt zumindest“ mittlerweile deutlich häufiger sei als früher: So wurde festgestellt, dass es in der Periode von 1861 bis 1890 im Mittel nur im Juni und Juli regelmäßig zu Trockenheit kam, während im Zeitraum von 1991 bis 2020 fast alle Monate außer Januar und Dezember entsprechendes Potenzial hatten.

Das sei „signifikant hochgegangen“ und klar auf den Temperaturanstieg zurückzuführen – der einerseits „natürlich für mehr Verdunstung sorgt, aber auch dafür, dass die Pflanzen dem Boden mehr Wasser entnehmen“. 

Wenig Überzeugungsarbeit nötig

Die Landwirte und Winzer in Luxemburg als erste Klientel müssen von Ferrone und seinen Kollegen nicht mehr von der Realität des Klimawandels überzeugt werden: „Wir machen ja Feldversuche und vergleichen verschiedene Sorten. Dabei wurde in der Vergangenheit hauptsächlich auf den Ertrag geschaut und den Landwirten Vorschläge gemacht, was sie anpflanzen sollten. In der Zwischenzeit ist es aber so, dass der Fokus mehr auf Trockenresistenz gelegt wird. Die Landwirte hören jedenfalls sehr aufmerksam zu!“

Wozu die Wetterextreme fähig sind, ist ihnen gerade erst wieder gezeigt worden, wobei Wintergetreide und Raps immerhin weniger betroffen waren – aber auch nur, weil sie schon geerntet waren, als die Trockenheit eingesetzt hat. Dem Sommergetreide hat aber in der Kornfüllungsphase das Wasser entscheidend gefehlt: „Nach ersten Ernteberichten lassen sowohl Ertrag als auch Qualität zu wünschen übrig“, sagt Ferrone. Bei den bilanzierenden Erntegesprächen Mitte September dürfte auch der Mais für lange Gesichter sorgen: „Da ist in manchen Regionen von einem Totalschaden auszugehen“, stellt Ferrone fest.

„Rekorde“ häufen sich 

Und für diese Wirkung musste der bisherige Sommer nicht einmal alle Rekorde schlagen: Der Juli sei „nur“ der 15.-wärmste seit Beginn der Messungen 1838. Was die Niederschläge angeht, sei er allerdings der zweittrockenste Sommer seit 1854: Nur 1949 war die Dürre noch heftiger. Und, nicht vergessen: „Die zehn wärmsten Jahre, die in Luxemburg bisher registriert wurden, wurden alle in der Periode 2002 bis 2021 festgestellt!“

Ob sich das Klima noch einmal beruhigt oder nicht, jetzt ist Anpassung gefragt. Etwa durch Versuche, den Anbau von Mais als Tierfutter durch den von Soja zu ersetzen. Oder durch eine frühere Aussaat, die helfen soll, die Bruthitze zu vermeiden, die mittlerweile oft im Juli und August aufkommt. Die Frage ist: Reichen diese Anpassungen aus? Oder sind sie nur ein erster Schritt?

Denn Ferrone macht klar, dass man sich auch in Luxemburg noch lange Zeit auf steigende Durchschnittstemperaturen einstellen müsse, mindestens bis 2050. Um den Temperaturanstieg im globalen Mittel zu stoppen, steht die Nettonull beim CO2 als Ziel, der nur noch den Ausstoß von unbedingt nötigem CO2 beinhaltet – das dann durch geeignete Maßnahmen wieder gebunden werden soll. 

Wachsende Nervosität

Die dazu nötigen Anstrengungen seien natürlich sehr ambitioniert – aber eben auch notwendig, um nicht vollends in die Katastrophe zu schlittern. Der eigentlich recht zurückhaltende Weltklimarat bilde das klar im wachsenden Alarmismus seiner Berichte ab: 

„Wenn man sich zum Beispiel den ersten Report von 1990 ansieht, da wird schon festgestellt, dass es einen Klimawandel gibt und dass der wohl menschengemacht ist. Je weiter man aber in Richtung des jüngsten, sechsten Berichts geht, da wird immer klarer gesagt, was für einen fundamentalen Unterschied schon kleinere Temperaturanstiege bedeuten.“ Es sei jedenfalls „jede Anstrengung wert“, die Erwärmung zumindest bei 1,5 Grad zu begrenzen: Bis dahin sei eine Anpassung in den meisten Regionen der Welt wohl noch möglich – doch darüber hinaus werde das in vielen Regionen sehr schwierig. Schließlich würden mit den Temperaturen auch die Extremereignisse immer weiter zunehmen, darunter sowohl potenzielle Flut-Ereignisse. Aber eben auch Dürren, scheinbar paradox, würden immer heftiger, warnt Ferrone: „Sowohl in der Intensität als auch in der Frequenz!“

Dabei könnten bereits 50 Prozent der nötigen CO2-Einsparungen durch Verhaltensänderungen erreicht werden. Auch im vergleichsweise kleinen Luxemburg seien die Menschen entsprechend gefordert, beispielsweise den öffentlichen Transport stärker zu nutzen – oder ihren Fleischkonsum zu überdenken: „Je näher wir an die Nettonull herankommen, desto wichtiger ist der Beitrag von jedem einzelnen Land und jeder Person!“

Das richtige Maß wiederfinden

Dabei müsse Klimagerechtigkeit keineswegs totalen Verzicht – aber vielleicht doch, ein anderes Maß zu finden: „Auch in den Szenarien des Weltklimarats ist durchaus noch Fleischkonsum vorgesehen“, erklärt Ferrone. Aber: In den entwickelten Ländern sei der Konsum mittlerweile so hoch, dass dadurch die Emissionen entschieden in die Höhe getrieben werden.

Völlig untauglich ist für Ferrone jeder Versuch, den Klimawandel sogar begrüßen zu wollen – auch, wenn er im Einzellfall natürlich positive Folgen haben kann. „Es kann da lokale Effekte geben, vor allem in nördlichen Regionen, aber die sind verschwindend klein gegenüber den negativen“, findet Ferrone.

Ein Beispiel dafür dürfte bald wieder der Wein sein, der im Großherzogtum angebaut wird – wo die kräftigen Sonnenstrahlen zu besonders edlen Tropfen führen, vor allem beim Rotwein. Obwohl sogar hier mittlerweile das entsprechende Maß überschritten werde: „Während bisher vor allem die jungen Reben verstärkt bewässert werden müssen, fangen jetzt auch die alten Reben an, unter der Trockenheit zu leiden“, stellt Ferrone fest.

Coolio
14. August 2022 - 15.55

T'ass wirklech schlëmm. Elo faalen anscheinend scho Radarseilen lanscht Stroos ëm .... komplett verdrechent. ;-)

GeTee
9. August 2022 - 17.13

"Nachhaltigkeit" ist genauso ein Phantasiewort wie "Dreifaltigkeit"

Lucilinburhuc
9. August 2022 - 9.21

Die Klimaleugner sind in ihre Schlupflöcher zurückgezogen. Dort ist es Kühl. Schämen soltten sie sich, weil sie den Wandel zu Nachhaltigkeit gebremst haben. Wir wären jetzt ohne sie schon viel weiter und die Folgen für unsere Kinder demnach weniger stark.