EU-HaushaltsplanDie EU-Parlamentarier wollen die bittere Pille nicht schlucken

EU-Haushaltsplan / Die EU-Parlamentarier wollen die bittere Pille nicht schlucken
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, EU-Ratspräsident Charles Michel und EP-Präsident David-Maria Sassoli vor der Parlamentssitzung Foto: AFP/Pool/François Walschaerts

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Mit einer Debatte über das Ergebnis der Verhandlungen der EU-Staats- und Regierungschefs über den mehrjährigen EU-Haushalt und die Corona-Hilfen sowie der Verabschiedung einer Resolution dazu leitete das Europäische Parlament (EP) gestern seine Arbeit zu den Finanzplänen ein. Der Einigung der 27 über das EU-Budget wollen die EP-Abgeordneten so nicht zustimmen. Es stehen demnach wieder harte Verhandlungen an.

Nach dem viertägigen Verhandlungsmarathon der EU-Staats- und Regierungschefs sind die Diskussionen über die europäische Finanzplanung für die kommenden sieben Jahre noch nicht vorbei. Diese gehen vielmehr in eine Verlängerung, da das EP zumindest seine Zustimmung für die mehrjährige Haushaltsplanung geben muss. Zwar würdigen die EP-Abgeordneten den „historischen Schritt für die EU“, den die 27 EU-Staaten mit der Schaffung eines Wiederaufbauinstrumentes in Höhe von 750 Milliarden Euro, das erstmals über die Aufnahme von gemeinsamen Schulden finanziert werden soll, eingeleitet haben. Doch trotz aller Anerkennung „stimmt (das EP) der politischen Einigung über den mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 in seiner derzeitigen Fassung nicht zu“, wie es in der gestern mit großer Mehrheit angenommenen Resolution heißt. Die EU-Parlamentarier wollen daher „unverzüglich konstruktive Verhandlungen“ mit dem Rat aufnehmen, der derzeit von Deutschland geführt wird, „um den Vorschlag zu verbessern“.

Zuvor hatten EU-Ratspräsident Charles Michel sowie EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Kompromiss der EU-Staaten verteidigt und darauf hingewiesen, dass das vorliegende Resultat noch vor einigen Monaten nicht denkbar gewesen sei. Ursula von der Leyen versicherte, dass es zu neuen Eigenmitteln für den EU-Haushalt – eine langjährige Forderung des EP – kommen werde. Beim Thema der Rechtsstaatlichkeit hingegen blieb die EU-Kommissionspräsidentin eher vage und versprach, einen Vorschlag der Kommission aus dem Jahr 2018 zu überarbeiten. Die EP-Abgeordneten verlangen, dass ein Mechanismus geschaffen wird, der es erlaubt, Mitgliedstaaten EU-Gelder zu streichen, deren Regierungen sich nicht an die europäischen Grundrechte und -werte halten. Seine Fraktion Renew werde dem Finanzpaket nur zustimmen, wenn es „solide Garantien“ dafür gebe, dass ein solcher Mechanismus eingeführt wird, erklärte etwa der Vorsitzende der Liberalen im EP, Dacian Ciolos.

Die EU-Parlamentarier kritisierten gestern vor allem die vielen Kürzungen im EU-Haushalt, die „in zukunftsorientierten Bereichen“ vorgenommen worden seien: beim Klimaschutz, dem Studentenprogramm Erasmus, dem Forschungsprogramm „Horizon Europe“, dem digitalen Wandel, der Gesundheit, aber auch beim Küsten- und Grenzschutz und in der Außenpolitik. „Ich teile die Kritik von ihnen, was die Ausgestaltung insbesondere des MFR (mehrjähriger Haushaltsrahmen, Anm.) anbelangt“, sagte EU-Budgetkommissar Johannes Hahn, der ebenfalls der Ansicht ist, dass man in manchen Bereichen „nachschärfen“ müsse. Dabei verwies er unter anderem auf die Streichungen bei der EU-Afrikapolitik, die nicht im Einklang mit der oft geäußerten Absicht der EU-Staaten steht, die Migrationsgründe zu bekämpfen.

„Dieser MFR ist mit Sicherheit eine bittere Pille“, gestand denn auch Ursula von der Leyen ein. „Wir sind im Moment nicht bereit, diese bittere Pille zu schlucken“, antwortete ihr der Vorsitzende der EVP-Fraktion Manfred Weber. Seiner Ansicht nach gebe der ausgehandelte Haushaltsplan „keine Antwort auf die Herausforderungen der kommenden sieben Jahre“, so der deutsche EP-Abgeordnete.

Scharfe Kritik an Rabatten

Die Parlamentarier übten zudem scharfe Kritik an der Beibehaltung der Rabatte einiger Mitgliedstaaten auf ihren Beiträgen zum EU-Budget. Diese kommen ausgerechnet jenen EU-Staaten zugute, die sich als „die geizigen Vier“ – die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark – beim Gipfel hervorgetan haben und es fertiggebracht haben, dass ihre Rabatte noch erhöht wurden. In ihrer Resolution verlangen die EP-Abgeordneten daher die „schnellstmögliche Abschaffung aller Rabatte und Korrekturmechanismen“.

Nicht einverstanden ist das EP zudem damit, dass es nicht in die Entscheidungen über den milliardenschweren Wiederaufbauplan eingebunden wird. Der liberale EP-Abgeordnete Guy Verhofstadt verlangt ein Mitspracherecht des Parlaments, denn immerhin sei es die EU-Kommission, die 750 Milliarden Euro an Schulden aufnehmen und ausgeben werde. Das EP müsse daher über dieses Finanzpaket mitentscheiden. „Wir sind in Europa, wir sind nicht in China oder in Russland“, ärgerte sich der Belgier.

Grober J-P.
23. Juli 2020 - 22.43

Vielleicht gibt es noch ein bisschen Demokratie in der EU. Wunderte mich schon über die unrühmlichen Zugeständnisse gegenüber Orban und Konsorten.