SerieDie Demokratie der Hausbesitzer – Interview mit Wohnungsmarkt-Experte Michel-Edouard Ruben

Serie / Die Demokratie der Hausbesitzer – Interview mit Wohnungsmarkt-Experte Michel-Edouard Ruben
Michel-Edouard Ruben diskutiert leidenschaftlich gern über das Thema „Logement“ in Luxemburg – und fordert, dass faktenbasiert und nuanciert nach Lösungen gesucht werden soll Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

75 Prozent von Luxemburgs Einwohnern haben im letzten Politmonitor angegeben, dass ihnen die Wohnungsbauproblematik Sorgenfalten auf die Stirn treibt. Dem Statement des IDEA-Ökonomen Michel-Edouard Ruben „Die Luxemburger Wohnungsbaupolitik ist ein Erfolg“ würden folglich nicht viele ohne weiteres zustimmen. Ruben beschäftigt sich „leidenschaftlich“ mit der Wohnungsbauproblematik – und ist infolgedessen mit einigen kontroversen Aussagen aufgefallen. Zum Auftakt der „Semaine du Logement“ hat sich das Tageblatt deshalb mit dem Experten getroffen.

Im ersten Teil der Tageblatt-Serie zum Thema „Logement“ beschäftigen wir uns mit der wesentlichen Frage, die einer jeden Analyse zugrunde liegen sollte: Gibt es überhaupt eine Wohnraum-Krise in Luxemburg? Und: Wenn ja, wie ist diese gekennzeichnet? Im Interview mit Michel-Edouard Ruben hat das Tageblatt mehrere Aspekte zum Diskussionsthema Nummer eins in Luxemburg fokussiert – und wird diese in den kommenden Wochen in einer Artikelserie näher beleuchten. Ein Gespräch über unschuldige Lügen, provokante Aussagen, die Notwendigkeit bestimmter Nuancen – und die Möglichkeit, dass das Schlimmste erst noch bevorsteht.

Tageblatt: Michel-Edouard Ruben, vor kurzem wurde ein Buch von der Robert-Krieps-Stiftung zur Luxemburger Wohnungsbaukrise vorgestellt, in dem auch ein Text aus Ihrer Feder publiziert worden ist. Generalsekretär Max Leners hat Sie vorgestellt mit der Behauptung, es sei Ihr Steckenpferd, nicht etwa die Wohnungsbaukrise zu leugnen, aber doch von einem Erfolg der Luxemburger Politik zu sprechen. Fangen wir also ganz von vorne an: Gibt es eine Wohnungsbaukrise in Luxemburg?

Michel-Edouard Ruben: (lacht) Wie viel Zeit habe ich denn, um Sie zu überzeugen?

Wir nehmen uns die nötige Zeit …

Was Max Leners über mich sagt, ist nicht falsch. Aber was ich über die Wohnungspolitik gesagt habe, ist in Wirklichkeit gar nicht so ikonoklastisch. Um herauszufinden, ob eine Politik erfolgreich oder gescheitert ist, gibt es zweifellos mehrere Methoden. Ich kenne jedoch keine bessere als die, einfach nur zu schauen, ob die durchgeführte Politik das Ziel, das sie sich gesetzt hatte, erreicht hat oder nicht. Es ist so, dass das Ziel der Luxemburger Wohnungspolitik historisch gesehen darin bestand, dass Luxemburg eine Demokratie der Hausbesitzer werden sollte. „Seit fast hundert Jahren besteht eines der Anliegen aller luxemburgischen Regierungen darin, den Zugang zu Wohneigentum zu erleichtern und zu fördern“, heißt es etwa in einem Gesetzentwurf.

Die Eigentümerrate schwankt in Luxemburg in den letzten Jahren um die 70 Prozent
Die Eigentümerrate schwankt in Luxemburg in den letzten Jahren um die 70 Prozent Grafik: Michel-Edouard Ruben

Es stellt sich heraus, dass die Eigentumsquote 1971 bei 56%, 1981 bei 59%, 1991 bei 64% und 2001 bei 67% lag und in den letzten 20 Jahren um die 70% schwankte. Die Eigentumsquote ist also faktisch über die Jahrzehnte hinweg gestiegen. Daher kann man meiner Meinung nach zu dem Schluss kommen, dass die Wohnungspolitik, die auf einer starken Förderung von Erstkäufern basiert, in dieser Hinsicht ein großer Erfolg war. Ich weiß nicht, wie man ernsthaft beweisen könnte, dass das, was ich sage, falsch wäre!

Also ist alles in Ordnung?

„Ich bin mutig – aber nicht leichtsinnig“, sagt Ruben im Hinblick auf seine vorgebrachten Thesen
„Ich bin mutig – aber nicht leichtsinnig“, sagt Ruben im Hinblick auf seine vorgebrachten Thesen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Lassen Sie mich nicht sagen, was ich nicht gesagt habe. Meine Aussage, um sie in einem Satz zusammenzufassen, ist, dass die „Wohnungskrise“, die oft als „Krise des Eigenheimerwerbs“ verstanden wird, bislang eher eine Angst als eine Realität war, insbesondere dank der niedrigen Zinssätze, die sehr viele Haushalte solvent gemacht haben. Und wenn ich in der positiven Bilanz der Dinge noch einen zweiten Satz hinzufügen muss, würde ich sagen, dass durch den Höhenflug der Immobilienpreise viele Haushalte, und nicht nur einige wenige, sehr reich geworden sind.

Das bedeutet jedoch nicht, dass alles in Ordnung ist. Es gibt viele Dinge, die nicht in Ordnung sind, und viele große Herausforderungen, die bewältigt werden müssen. Aber jemand, der die letzten zehn Jahre aus wohnungspolitischer Sicht für schrecklich hält, während billige Kredite in Strömen flossen und die Hausbesitzerquote bei etwa 70% lag, ist vielleicht nicht auf die nächsten zehn Jahre vorbereitet.

Sie sprechen von großen Herausforderungen. Woran denken Sie zum Beispiel?

Seit vielen Jahren baut Luxemburg weniger Wohnungen, als zusätzliche Haushalte entstehen. Weniger als 4.000 Wohnungen werden pro Jahr gebaut, während das Land jedes Jahr mehr oder weniger 6.000 zusätzliche Haushalte zählt. Dies veranlasst einige zu der Aussage, dass 20.000-30.000 Wohnungen fehlen würden. Dies ist jedoch nicht der richtige Weg, um die Sache zu analysieren. Richtig ist eher, dass diese Lücke von bereits existierenden Wohnungen absorbiert wurde, die leer standen und daher nicht mehr leer stehen. Die Zahl der Wohnungen pro 1.000 Einwohner sank somit von 400 im Jahr 2010 auf 387 im Jahr 2019 in Luxemburg, das eines der wenigen OECD-Länder ist, in denen der Wohnungsbestand pro Einwohner in diesem Zeitraum zurückgegangen ist. Zum Zeitpunkt der „Rentendësch“-Debatte gab es eine Lawine von Reaktionen und Befürchtungen in Bezug auf den „700.000-Awunner-Staat“ im Jahr 2050. Die jüngsten Statec-Projektionen zeigen, dass die 700.000 Einwohner in Luxemburg wohl 25 Jahre früher Realität sein werden. Es stellt sich also die Frage, ob das Land in der Lage sein wird, das versprochene Bevölkerungswachstum zu bewältigen.

Wie kommt es zu diesem negativen Trend?

Es gibt mehrere Faktoren, die seit vielen Quartalen eine Rolle spielen, ohne dass ich genau sagen kann, wie viel Gewicht jeder Einzelne von ihnen hat. Ich würde unter anderem den Mangel an qualifizierten Arbeitskräften, den Anstieg der Preise für Baumaterialien, die hohen Immobilienpreise, ein weniger günstiges steuerliches Umfeld mit der Reduzierung der beschleunigten Abschreibung („amortissement accéléré“), den allmählichen Anstieg der Zinssätze und die strengeren Rahmenbedingungen für die Vergabe von Immobilienkrediten nennen.

Sollte die Wohnungspolitik in der Folge nicht ihre Ziele ändern, weg von der Demokratie der Hausbesitzer?

Das ist in der Tat ein wenig der Fall. Wenn man genau hinschaut, scheint das Ziel der Wohnungspolitik nicht mehr darin zu bestehen, die Zahl der Hausbesitzer zu vervielfachen, sondern die Zahl der erschwinglichen Wohnungen zu erhöhen. So erklärte die Vorsitzende des „Logement“-Ausschusses der Chamber, Semiray Ahmedova, vor einigen Tagen, dass das Ziel darin bestehe, „erschwinglichen Wohnraum um das Zehnfache zu erhöhen, indem wir ihn langfristig von zwei Prozent auf 20 Prozent des Wohnungsbestands steigern“. Sie hat jedoch meines Wissens nicht gesagt, wann dies der Fall ist.

Die Zahl der erschwinglichen Wohnungen zu vervielfachen, ist das das richtige Ziel?

Es steht mir natürlich nicht zu, zu sagen, ob ein politisches Ziel, das sich ein Wohnungsbauminister gesetzt hat, das richtige ist oder nicht. Abgesehen davon scheint es mir schwierig zu sein – und mit schwierig meine ich eher unmöglich –, das Ziel eines Bestands von 20 Prozent erschwinglicher Wohnungen mit dem luxemburgischen Modell, das fast ausschließlich auf öffentlichen Bauträgern beruht, in einem angemessenen Zeitraum zu erreichen.

Meiner Meinung nach müsste man eine strategische Partnerschaft mit dem Privatsektor eingehen und in gewisser Weise an den Geist der SAMOD („Société anonyme pour la construction de maisons ouvrières à Dudelange“) oder der „Société immobilière de l’artisanat“ anknüpfen. Abgesehen von diesen strukturellen Überlegungen sehe ich jedoch drei unmittelbare Dringlichkeiten: Die erste ist, ein hohes Maß an Neubautätigkeit zu ermöglichen. Das ist wesentlich, da der Wohnungsbestand in Luxemburg nicht weit von einer Unterdimensionierung entfernt ist. Die zweite ist, klar zu berücksichtigen, dass Luxemburg Gefahr läuft, ein Gebiet zu werden, in dem mehr vermietet wird, als es in der Vergangenheit der Fall war, da bei Zinssätzen von drei Prozent und einem Quadratmeterpreis von fast 10.000 Euro das Potenzial an Erstkäufern versiegt. Es werden Mietinvestoren benötigt, da es eine Grundregel ist, dass jedem Mieter ein Vermieter gegenüberstehen muss. Drittens muss sichergestellt werden, dass sich die Käufer von Wohneigentum mit dem Anstieg der Zinssätze nicht dahingehend verschulden, dass sie ihre Kredite nicht mehr zurückzahlen können.

Die Entwicklung des Quadratmeterpreises auf dem Luxemburger Wohnungsmarkt
Die Entwicklung des Quadratmeterpreises auf dem Luxemburger Wohnungsmarkt Grafik: Michel-Edouard Ruben

Die Wiederbelebung des Gesetzentwurfs 6252 von Minister Schank, der 2011 eine Eigenheimzulage für verschuldete Hausbesitzer mit Zahlungsschwierigkeiten vorsah, ist vielleicht eine Alternative, die in Betracht gezogen werden sollte.

„La politique du logement – Entre bons motifs et gros montants“

Der Luxemburger ThinkTank IDEA hat im Juni 2022 ein Werk zur luxemburgischen Wohnungsbaupolitik herausgegeben. Das Buch mit dem Titel „La politique du logement – Entre bon motifs et gros montants“ kann auf der Seite der IDEA-Stifung kostenlos herunterladen oder in Papierform bestellt werden.

„La crise du logement et les moyens d’en sortir“

Die „Fondation Robert Krieps“ hat kürzlich ebenfalls ein Sammelwerk zum Thema Wohnungswesen herausgebracht. Das Buch mit dem Titel „La crise du logement au Luxembourg et les moyens d’en sortir“ beinhaltet mehrere Beiträge von Wohnmarkt-Experten – darunter auch ein Beitrag von Michel-Edouard Ruben. Das Buch ist in den Luxemburger Buchhandlungen für 35 Euro erhältlich.

Statec: Wohnungspreise steigen weiter rasant

Die Vorhersagen mancher Branchenexperten, die mit langsamer steigenden Immobilienpreisen im zweiten Quartal 2022 gerechnet hatten, werden von den neuesten Zahlen des nationalen statistischen Instituts nicht bestätigt. Ganz im Gegenteil: Insgesamt lagen die Wohnungspreise zwischen April und August des laufenden Jahres 11,5 Prozent über denen vom Vorjahreszeitraum. Im ersten Quartal waren es „nur“ (revidiert) 10,3 Prozent. Im Detail: Am kräftigsten gestiegen in den letzten drei Monaten 2022 sind die Preise für bestehende Häuser (plus 15,5 Prozent im Jahresvergleich).
Rasant gestiegen, wenn auch leicht langsamer als zuvor, sind ebenfalls die Preise für bestehende Apartment-Wohnungen (plus 9,1 Prozent im Jahresvergleich). Die Preise für neue Apartment-Wohnungen legten um neun Prozent zu. Der Durchschnittspreis einer Apartment-Wohnung liegt mittlerweile bei 699.140 Euro (Vorquartal: 688.428). Verglichen mit dem Vorjahresquartal haben die Durchschnittspreise deutlich zugelegt.
Vor einem Jahr lag er erst bei 657.920 Euro. Von einer Beruhigung der Preise kann demnach noch keine Rede sein. Nur verglichen mit der Rekord-Zuwachsrate von fast unglaublichen 17,2 Prozent, die im ersten Quartal 2021 (im Vergleich zu 2020) gemessen wurde, handelt es sich um eine sichtbare Abkühlung. Es ist aber mittlerweile das 13. Quartal in Folge, in dem die Preise (im Jahresvergleich) um mehr als zehn Prozent zulegten.
Einen Mangel an Nachfrage dürfte es auch weiterhin nicht geben: Darauf deutet die Zahl der neu geschaffenen Arbeitsplätze hin: Das Land zählt heute sage und schreibe rund 16.500 Arbeitsplätze mehr als vor einem Jahr. Seit Ende Januar 2020 (also vor der Corona-Krise) sind im Großherzogtum mehr als 32.000 neue Stellen entstanden. Im Mai war erstmals die Marke von (saisonbereinigt) einer halben Million Arbeitsplätze überschritten worden. (cm)
Den kompletten Bericht zu den Statec-Zahlen finden Sie hier: Wohnen in Luxemburg – Statec: Auch im zweiten Quartal 2022 sind die Preise weiter rasant gestiegen

JJ
6. Oktober 2022 - 19.44

Hallo Experte. Ich hatte vor 10 Jahren vor mein Haus zu verkaufen. Ich kontaktierte etliche Experten (Immos) die mir mit 1 bis 6 % Offerten machten. Fotos,einige Annoncen in Zeitungen usw. Am Ende hatte ich das Haus selbst verkauft,ohne % für Fotos und Hausführung. Bei einer Million Euro sind 6 % schon ein schöner Betrag. Nun kam mein Käufer aber 6% billiger an sein Haus.Ein Vertrag war schnell aufgestellt und der Notar war auch nicht überlastet. Wenn man von den astronomischen Gewinnen ausgeht die diese Immo-Fuzzis einfahren,dann kann man vielleicht auch so manchen Preis für Immobilien erklären.Ohne Experte zu sein.Gell?