Ex-„Freeport“Die Black Box: Wäre der „High Security Hub“ in Luxemburg auch nützlich für sanktionierte Oligarchen?

Ex-„Freeport“ / Die Black Box: Wäre der „High Security Hub“ in Luxemburg auch nützlich für sanktionierte Oligarchen?
Unterwelt: Der einstige „Le Freeport“ (Archivfoto), der heute „High Security Hub“ heißt, ist so sicher wie jeder denkbare Tresor – und anheimelnd wie ein Borg-Würfel Foto: Editpress

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der „Freihafen“ in unmittelbarer Nähe des Flughafens stellt seit 2014 die erste Freihandelszone der Europäischen Union für Kunst- und Wertgegenstände dar – und steht auch immer wieder in Verdacht, die Verschleierung von Geschäftsbeziehungen oder Geldwäsche zu ermöglichen. Aktuell ergibt sich zudem die Frage, ob das so sichere wie diskrete Lagerhaus nicht auch für Oligarchen interessant wäre, die im Zuge des Ukraine-Kriegs vom Westen mit Sanktionen belegt werden.

Wem schon unwohl wird, wenn er an die bizarren Winkelzüge und Geschäftspraktiken denkt, mit denen der Finanzplatz Luxemburg das Steuerzahlen auch zum Wohl seiner Staatsbürger optimiert, dem muss eine Einrichtung, die in der Nähe des Flughafens 2014 eröffnet wurde, den Rest geben: der „Freeport“, der sich inzwischen „High Security Hub“ nennt. Dort erweitert man den diskreten Umgang, der hierzulande sonst gegenüber unsichtbaren Geldströmen gepflegt wird, auf ganz physische Objekte: Teure Kunst, vor allem, aber auch teuren Wein, teure Autos, teure Diamanten kann man hier einlagern – und ganz generell alles, was man selbst (oder eine Versicherung) nur ungern im heimischen Hobbykeller gelagert wissen will.

Kurze Antwort

Auch wenn die Auskünfte zum Inhalt des streng gesicherten Gebäudes am Flughafen naturgemäß schwierig zu bekommen sind – einen Hinweis gibt es doch, dass das Treiben dort zumindest nicht reger geworden ist in jüngster Zeit: Die Frage, ob man über die Zollmitarbeiter eine Veränderung in der Frequenz der Ein- und Ausgänge festgestellt hat, beantwortet das Finanzministerium denkbar knapp: „Nein.“ fgg

Natürlich verfügt die Einrichtung über allerlei Gadgets, die ein Durchschnittsbürger höchstens aus „Oceans Eleven“-Filmen kennt: absurd dicke Stahltüren in noch dickeren Wänden, Kameras, die wirklich alles sehen oder ein System, das einen Brand beendet, ohne dass die schön-teuren Dinge nachher voller Löschwasser sind. Aber das Wichtigste am Freihafen, der lieber nicht mehr so heißen will, ist natürlich das, wovon er „frei“ macht: So sind keine Mehrwertsteuern oder Zölle zu zahlen – was auch für Dienstleistungen gilt, die in Zusammenhang mit den Waren ausgeführt werden. Sogar eine Entnahme bis zu einem Jahr ist möglich. Erst, wenn ein Objekt die Freihandelszone endgültig verlässt, wird, werden die ordentlichen Abgaben für die Transaktion fällig – wobei die bekannten Möglichkeiten zur Optimierung natürlich weiter bestehen: „Die Regelung dürfte vor allem für private Kunstsammler, europäische Kunstgalerien und Privatmuseen, Unternehmensstrukturen und andere Einrichtungen, die hochwertige Güter besitzen, von Interesse sein“, fasst ein Artikel auf der Internetseite des „International Tax Review“ die günstige Situation für Besitzer von weniger günstigen Dingen zusammen.

Wer aber überhaupt die „privaten Kunstsammler“ oder die „Einrichtungen, die hochwertige Güter besitzen“, sind und welche Motive sie haben, Einrichtungen wie den Luxemburger „Hub“ zu befüllen, ist schon länger Grund für Misstrauen oder auch offene Kritik: Dass Superreiche kulturelle Zeugnisse nur als alternative Währung betrachten, um sie dann im „Kunstknast“ einzusperren, hat etwa das luxemburgische Künstlerkollektiv Richtung22 dazu gebracht, den Betrieb am Findel mit einem giftigen Theaterstück zu kommentieren.

Kritikerin: Die Europaangeordnete Evelyn Regner bei einem Besuch des Freeport im Jahr 2018.
Kritikerin: Die Europaangeordnete Evelyn Regner bei einem Besuch des Freeport im Jahr 2018. Foto: Editpress

Der Unmut über die Freihandelszonen geht aber noch viel tiefer: „Die OECD äußerte bereits vor der Eröffnung des Freeports in Luxemburg Kritik und vertrat die Ansicht, dass diese Art von Lagern für Geldwäsche benutzt werden würde“, hat etwa die österreichische sozialdemokratische Europaabgeordnete Evelyn Regner in einer Anfrage an die EU-Kommission vermerkt. Es bestehe außerdem „die Annahme, dass Freeports als Versteck für Raubkunst und Antiquitäten — unter anderem aus den Plünderungen des IS — genutzt werden“.

Aktuell gesellt sich zu diesen Vorwürfen eine weitere Sorge: Könnten die Freeports von Personen genutzt werden, die auf den Sanktionslisten des Westens gelandet sind, nachdem Russland die Ukraine überfallen hat? „Russische Yachten werden in Häfen festgehalten“, stellt etwa das Bloomberg-Magazin fest, und wundert sich: „Aber was ist mit Kunst in geheimen Freihäfen?“ Gerade in Luxemburg muss einem der Gedanke naheliegend erscheinen: Wenn das Verschleiern geschäftlicher Verbindungen ohnehin schon zu den hiesigen Kernkompetenzen gehört – potenziert sich das nicht nochmals in der Black Box, die ein „High Security Hub“ darstellt? Schließlich sind die Hauptmieter erst einmal nur Makler, die ihrerseits weitere „Untermieter“ haben. Was wissen die einzelnen Kettenglieder voneinander – und was weiß der Staat? 

Bei der CSSF, also der behördlichen Aufsichtskommission des Finanzsektors, ist man über eine erste Anfrage erstaunt: Man sei gar nicht sicher, ob der Freeport überhaupt zum Aufgabenbereich gehört, heißt es.

Der „High Security Hub“ selbst lässt eine Anfrage zur Möglichkeit, dass Vermögen indirekt vor Sanktionen bewahrt wird und wie das Verhältnis zu den Behörden genau aussieht, schriftlich unbeantwortet. Eine Sprecherin verweist aber telefonisch auf die hohen Standards, die man strikt erfülle, etwa hinsichtlich der Vorschriften zur Bekämpfung von Geldwäsche (AML) und Terrorismusfinanzierung (CTF). Außerdem seien Zollbeamte auf dem Gelände und inspizierten jede Ein- und Auslieferung.

Auch das Finanzministerium beantwortet, trotz anderslautender Ankündigungen, eine Anfrage des Tageblatt nur sehr lückenhaft, bestätigt aber auch, dass der Zoll vor Ort sei. Weiter sei die „Einregistrierungs-, Domänen- und Mehrwertsteuerverwaltung“ zuständig, um zu prüfen, ob die Gesellschaften, die im LHSH aktiv sind, sich an die Gesetze zur Verhinderung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung halten. Das umfasse auch, dass „die Informationen zu den faktischen Besitzern [von Objekten, die Red.] verfügbar sein müssen“.

Allerdings musste sich Luxemburg erst vor Kurzem die Kritik gefallen lassen, dass es vielleicht gut gemeinte Vorschriften habe, aber offenbar machtlos sei, wenn diese nur unzureichend erfüllt werden. Dass das 2019 beschlossene öffentliche „Register der wirtschaftlichen Eigentümer“ etwa reihenweise „Boss-Babies“ enthält, vermeldete vor rund einem Monat der Rechercheverbund, der an den „LuxPapers“-Enthüllungen beteiligt war: Im Register fanden sich etwa „ein einjähriges mongolisches Kleinkind, dem ein Teil eines großen Kohleunternehmens in der Wüste Gobi gehört“ oder „ein elfjähriger Aserbaidschaner, der von staatlichen Verträgen mit Turkmenistan und China profitiert“, konnte man auch bei Reporter.lu lesen.

Zwar will man diesen offensichtlichen Betrügereien auch von Staats wegen entgegentreten – doch ob ein Finanzplatz, der derzeit noch Kleinkindern solche Karrieren ermöglicht, wirklich durchblickt, wenn die Täuschung raffinierter ist? Der luxemburgische Abgeordnete Sven Clement (Piraten) ist misstrauisch: 

Innere Werte: Was alles im „Freeport“ gelagert wird, ist unklar. Auch den Behörden?
Innere Werte: Was alles im „Freeport“ gelagert wird, ist unklar. Auch den Behörden? Foto: Editpress

„Alle Freeports haben an sich gemein, dass sie verschleiern, was drinsteckt“, zeigt sich Clement überzeugt, der regelmäßig die Finanzjonglage in Luxemburg kritisiert: Selbst der Betreiber des Freeports kenne im Prinzip ja immer nur den ersten Mieter. Und auch der Verkauf von Objekten, die dazu die Einrichtung gar nicht verlassen müssen, sei ja möglich: „Dadurch ergibt sich die Möglichkeit, Transaktionen durchzuführen, die die Sanktionen umgehen“, glaubt der Pirat. „Ich sage allerdings nicht, dass es auch tatsächlich gemacht wird!“

Davon eher nicht überzeugt ist der Konstanzer Ökonom Friedrich Schneider, der sich auch mit Schattenwirtschaft und Steuerhinterziehung befasst. Im Gespräch mit dem Tageblatt weist er auf die „unglückliche“ Rolle der Freeports hin, die diese etwa in Zusammenhang mit Raubkunst spielen. „Alles ist möglich – ob nun aber speziell russische Oligarchen Luxemburg wählen, da bin ich eher skeptisch“, glaubt der emeritierte Universitätsprofessor. „Wenn die Russen etwas machen, machen sie es meistens über Zypern“ – wo auch die Regierung für entsprechende Deals offener sei. Auch Israel, wo man traditionell ein gutes Verhältnis zu Russland pflege, sei sicherlich ein lohnenswerter Anlaufpunkt.

Generell zeigt sich Schneider skeptisch, wie empfindlich man die Oligarchen überhaupt treffen könne: „Man sollte die Kreativität der Gauner nicht unterschätzen, die ist meistens höher als die der staatlichen Stellen.“ Sollten die jüngsten Sanktionen tatsächlich in Luxemburg unterlaufen werden, dann wohl nur über „komplett nicht mehr russische Mittelsmänner, die für sie handeln“ – und das, ist Schneider sicher, „finden Sie ohne weiteres nicht heraus!“

Zumindest früher waren Verbindungen zwischen den Betreibern des „Hubs“ und reichen Russen belegt – schließlich bekamen mit Yves Bouvier und Olivier Thomas zunächst der damalige erste und dann der zweite Präsident des Verwaltungsrates Ärger mit der Justiz. Bouvier, der inzwischen freigesprochen wurde, wurde ausgerechnet verklagt – von einem russischen Milliardär.

Erasmus
21. März 2022 - 0.42

Die 'Garagen' sind voller Rembrandts und Picassos die die Russen sich gekrallt haben. Und wir bekommen nicht mal die TVA.