MärkteDer Preis für Weizen steigt von Rekord zu Rekord – weltweit wird das Folgen haben

Märkte / Der Preis für Weizen steigt von Rekord zu Rekord – weltweit wird das Folgen haben
Russland und die Ukraine machen zusammen etwa 25 bis 30 Prozent der weltweiten Weizenexporte aus Foto: dpa/Arne Dedert

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Putins Krieg mit der Ukraine treibt nicht nur die Preise für Energie und Metalle auf neue Höchststände. Auch die Preise für Lebensmittel werden von den Kämpfen getroffen. Manche Organisationen warnen bereits vor zunehmendem Hunger in der Welt.

Seit dem Einmarsch von Putins Truppen in der Ukraine erreicht der Preis von Weizen praktisch jeden Tag neue Rekorde. „Der Höhenflug des Weizenpreises ging ebenfalls weiter“, so beispielsweise die Nachrichtenagentur Reuters am Montag über das Geschehen an den Börsen. Der europäische Future stieg um 14 Prozent auf ein Rekordhoch von 424 Euro je Tonne. Innerhalb eines Monats sind die Weizenpreise an den Börsen um fast 60 Prozent gestiegen.

Russland ist seit 2018 der größte Exporteur von Weizen weltweit. Die Ukraine war auf dem Weg zu Platz Nummer drei. Bei Mais ist die Ukraine Nummer vier der Exporteure, bei Sonnenblumenöl sogar die Nummer eins, so die Nachrichtenagentur AFP. Nun hat der Krieg die Getreidelieferungen aus einem Großteil der für den Getreidemarkt wichtigen Schwarzmeerregion zum Stillstand gebracht und die Angst vor Engpässen verstärkt. Die Lieferketten über die Häfen sind unterbrochen.

Beruhigung bei den Preisen ist demnach keine in Sicht. „Solange die Kämpfe in der Ukraine nicht enden, ist eine Wiederaufnahme der Exporte aus Russland und der Ukraine nicht zu erwarten“, wird ein Börsianer von der Nachrichtenagentur Reuters zitiert. „Da die Abnehmer nun verzweifelt auf der Suche nach anderen Quellen sind, drohen Ausfuhrbeschränkungen anderer Produzenten“, so der Börsianer weiter. Unter anderem Ungarn hat Weizenexporte seit Ende vergangener Woche verboten.

Zunehmender Protektionismus im Lebensmittelbereich

Doch nicht nur aus Ungarn werden Maßnahmen gemeldet. Bloomberg berichtet, dass Protektionismus im Lebensmittelbereich weltweit zunimmt. „Regierungen auf der ganzen Welt ergreifen Maßnahmen zur Sicherung der heimischen Lebensmittelversorgung, nachdem Russlands Einmarsch in der Ukraine den Handel in Aufruhr versetzt und die Preise für wichtige Grundnahrungsmittel in die Höhe getrieben hat“, so die Nachrichtenagentur. Sowohl Argentinien als auch die Türkei hätten letzte Woche Schritte unternommen, um ihre Kontrolle über lokale Produkte zu verstärken. In der Republik Moldau sei die Ausfuhr von Weizen, Mais und Zucker ab diesem Monat vorübergehend eingestellt. In Russland wurden Düngemittelhersteller aufgefordert, die Ausfuhren einzustellen.

Dabei waren die Preise für Lebensmittel in den letzten zwölf Monaten, auch ohne Krieg, bereits spürbar gestiegen. Die Einkaufspreise, etwa für Weizen, hätten sich innerhalb eines Jahres fast verdoppelt, war zuletzt bei der Nudelfabrik aus Esch, Maxim Pasta, zu erfahren. Hintergrund des allgemeinen Preisanstiegs war die wirtschaftliche Erholung nach den Corona-Lockdowns, und die Schwierigkeiten innerhalb der Lieferketten.

In der Europäischen Union rechnen Verbände und Experten derzeit nicht mit Engpässen bei Lebensmitteln
In der Europäischen Union rechnen Verbände und Experten derzeit nicht mit Engpässen bei Lebensmitteln Foto: AFP/Mychele Daniau

Im Februar 2022 lagen beispielsweise die Preise für Brot und Getreide sowie für Fleisch hierzulande 4,26 Prozent höher als vor einem Jahr. Das zeigen neuste Zahlen von Statec. Auch für Fisch (plus 8,8 Prozent), alkoholfreie Getränke (plus 3,14 Prozent) und Milchprodukte (plus 2,91 Prozent) müssen die Verbraucher hierzulande deutlich tiefer in die Tasche greifen als noch vor einem Jahr.

Engpässe im Herbst sind programmiert

Mit dem Krieg werden die Preissteigerungen nun noch weiter angetrieben. Nicht nur, dass die Transportwege blockiert sind. Auch scheint eine reguläre Frühjahrsaussaat in der Ukraine in diesem Jahr wegen der Kämpfe nicht möglich. Damit wären Engpässe für diesen Herbst praktisch vorprogrammiert.

Aus Furcht vor noch weiter steigenden Preisen reißen sich weltweit derzeit interessierte Käufer um Weizen und suchen nach alternativen Verkäufern. Indiens Weizenexporte stehen so, einem Reuters-Bericht zufolge, derzeit vor einem neuen Rekord. Das Land ist der zweitgrößte Weizenproduzent der Welt.

Manche Organisationen machen sich bereits Sorgen um die weltweite Versorgungssicherheit. In einigen Regionen der Welt drohen jedoch dramatische Konsequenzen, hatte die Nachrichtenagentur dpa vor einigen Tagen gemeldet. Besonders Länder in Nordafrika und Asien sowie die Türkei könnten als Hauptimporteure betroffen sein. Die Kosten für Lebensmittel waren bereits ein wichtiger Faktor im sogenannten Arabischen Frühling, erinnert die Agentur. Die soziale Stabilität in diesen Ländern hänge vom Brotpreis ab, zitiert sie einen Experten.

Hunger in Europas Kornkammer

Beispielsweise kaufte die Türkei 2020 rund 65 Prozent ihres Weizens aus Russland. Steigende Preise an den Märkten könnten die Einfuhren weiter verteuern. Dabei hat das Land bereits jetzt mit einer Inflationsrate von 54,4 Prozent zu kämpfen. Die irakische Regierung ihrerseits hat am Montag angekündigt, 100 Millionen Dollar für dringende Weizenkäufe bereitzustellen. Zudem will das Land eine strategische Reserve aufbauen und dafür drei Millionen Tonnen Weizen importieren, so Reuters.

Sorgen macht sich das Welternährungsprogramm (WFP) der Vereinten Nationen derweil auch um die Versorgungslage in der Ukraine, hatte die Nachrichtenagentur AFP Ende letzter Woche berichtet. In einem Jahr, in dem die Welt bereits mit einem „noch nie dagewesenen Ausmaß an Hunger konfrontiert“ sei, sei es besonders „tragisch“, wenn der Hunger nun ausgerechnet Europas Kornkammer erreiche, wird der Direktor des WFP, David Beasley, zitiert. Mehr als die Hälfte der Nahrungsmittel, die das WFP in Krisenregionen verteilt, stammen aus der Ukraine.

Die Preise für Lebensmittel werden weiter steigen
Die Preise für Lebensmittel werden weiter steigen Foto: AFP/Joseph Eid

Gesicherte Versorgung in Europa

In der Europäischen Union gilt die Versorgung, Experten und Politikern zufolge, als gesichert. Ernsthafte Sorgen um akute Engpässe scheint sich für den Kontinent niemand zu machen. So sieht es auch Laurent Schüssler, Direktor der „Centrale paysanne luxembourgeoise“. Über die Versorgungssicherheit hierzulande mache er sich keine großen Gedanken. Es werde „nicht zu großen Engpässen kommen“, sagt er gegenüber dem Tageblatt.

Dennoch werde sich die Situation nicht kurzfristig regeln, befürchtet die Berufsorganisation der Bauern, Winzer und Gärtner. Wie praktisch alle anderen Marktbeobachter glaubt auch er, dass die Preise weiter steigen werden. Schon allein wegen der Situation am Düngemittelmarkt, die sich nach dem russischen Angriff auf die Ukraine weiter verschärft habe.

Bereits vor dem Krieg sei Stickstoffdünger sehr teuer und knapp gewesen, erläutert der Branchenvertreter. Doch nun sei das Risiko eines Lieferstopps von Düngemitteln aus Russland reeller denn je, fürchtet er. „Ein Mangel an Düngemitteln wird zwangsläufig negative Auswirkungen auf Ertrag und Qualität der nächsten Ernte haben.“ Weiter steigende Energiepreise werden die Situation noch zusätzlich verschärfen, was sich preissteigernd auf den Düngermarkt auswirken werde. Der für Landwirte so wichtige Stickstoffdünger wird aus Erdgas hergestellt.

Letztlich sei es derzeit aber unmöglich vorherzusagen, wie es mit Krieg und Sanktionen – und somit auch mit den Preisen – weitergehen wird, hebt Laurent Schüssler hervor. Hinzu komme in diesem Sektor noch, dass bei der Ernte vieles von der Natur, vom Wetter abhängig ist, sagt er. „Da spielen sehr viele Faktoren mit.“

Rohstoffe, Energie und Krieg treiben die Preise

Sorgen um steigende Preise macht man sich auch bei der Großbäckerei Panelux aus Mensdorf. „Auf dem Weltmarkt spielen die Preise derzeit verrückt“, so Geschäftsführer Patrick Muller gegenüber dem Tageblatt. Dank laufender Verträge werde das zwar vorerst keinen Einfluss aufs Geschäft haben, „aber was dann nach der Ernte im September passieren wird, das weiß niemand“. Muller ist Geschäftsführer des Unternehmens mit 500 Mitarbeitern, dessen wichtigster Kunde die Fischer-Bäckereien sind

Insgesamt sei aber klar, dass es aktuell einen großen Druck auf die Einkaufspreise gebe, so Muller weiter. „Die Preise waren schon vorher viel höher als ein Jahr zuvor“, unterstreicht er. Weizen sei dabei nur einer der benötigten Rohstoffe, erklärt er weiter. Zugelegt (um zehn bis 20 Prozent) hätten jedoch alle Rohstoffe, zuletzt die Preise für Hefe. Bei Verpackungsmaterial seien die Preissteigerungen noch viel höher ausgefallen. Hinzu kam dann der Kostenanstieg durch die höheren Energiepreise. Und nun der Krieg. Langfristig werde man wohl einen Teil dieser Kosten an die Kunden weitergeben müssen, befürchtet er.

Im Vergleich mit dem Rest der Welt dürfen sich die Europäer dennoch glücklich schätzen. Hier gilt es sich daran zu erinnern, dass die gemeinsame europäische Agrarpolitik als Folge des Zweiten Weltkriegs entstanden ist. Einer ihrer ursprünglichen Kernziele war es, die Versorgung des Kontinents mit Lebensmitteln sicherzustellen. Für diese Sicherheit, die Autonomie, zahlen die Kunden dann etwas mehr.

Nachhaltigkeit vs. Versorgungssicherheit

Angesichts der Anspannung auf den Lebensmittelmärkten ist in Europa nun eine neue Debatte um die Zukunft der Agrarpolitik ausgebrochen. Im Mittelpunkt steht dabei die Frage, ob angesichts drohender Knappheiten und Preisanstiege der Faktor Nachhaltigkeit zugunsten der Versorgungssicherheit in den Hintergrund treten müsse.

Auch Laurent Schüssler spricht das Thema an. „Selbst wenn es kurzfristig nicht zu einer Lebensmittelknappheit in West- und Mitteleuropa kommen wird, so müssen die kürzlich gefassten produktionseinschränkenden Vorschriften innerhalb der EU-Agrarpolitik unbedingt überdacht werden“, fordert er. Die für Anfang 2023 vorgesehene Pflichtstilllegung von vier Prozent des Ackerlandes müsse ausgesetzt werden. Genauso wie die vorgesehenen Einschränkungen bei der Düngung und dem Pflanzenschutz. Beim Verband fragt man sich, ob eine Zeit, in der Engpässe vorhergesagt werden, wirklich der richtige Moment für Produktionskürzungen sei.

Gilt noch hinzuzufügen, dass die Menschen in Luxemburg – im Gegensatz zu den Nachbarländern – durch das Index-System vor hohen Kaufkraftverlusten geschützt sind. Doch was den Verbrauchern über die schwere Zeit hinweghilft, muss finanziell von den Unternehmen gestemmt werden.

Die Entwicklung des Preises für Weizen in den vergangenen fünf Jahren
Die Entwicklung des Preises für Weizen in den vergangenen fünf Jahren Screenshot: Finanzen.net
Die Entwicklung des Preises für Weizen in den letzten drei Monaten: Die Folgen des Krieges sind deutlich sichtbar
Die Entwicklung des Preises für Weizen in den letzten drei Monaten: Die Folgen des Krieges sind deutlich sichtbar Screenshot: Finanzen.net