EditorialDer Lokalpolitiker: Vom schwierigen Wandel der letzten Jahrzehnte

Editorial / Der Lokalpolitiker: Vom schwierigen Wandel der letzten Jahrzehnte
Der Escher Gemeinderat Foto: Editpress/Julien Garroy

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„Du kanns e Waasserkapp hunn, awer keng dräi Kapen drop“: Dieses Zitat stammt von Dan Codello, der nach fast 20 Jahren im Escher Gemeinderat einen Schlussstrich unter seine Karriere als Lokalpolitiker zog. Damit spielte er auf die Komplexität des „Nebenberufs“ Kommunalpolitiker an.

Codello ist gut platziert, um den Wandel der Lokalpolitik in den letzten Jahrzehnten einzuordnen. Als er Ende des letzten Jahrtausends sein Engagement begann, da waren Generalversammlungen und „Dëppefester“ Alltag für jemanden, der auf lokaler Ebene ein politisches Mandat anstrebt. Der Kandidat musste sich den potenziellen Wählern tagtäglich von Angesicht zu Angesicht stellen, was den Posten des Lokalpolitikers komplizierter macht als den eines Landes- oder gar Europapolitikers. Die Nähe zum Bürger bereichert zweifellos, sie ist aber sicher nicht immer angenehm, vor allem dann nicht, wenn man in der Verantwortung ist. Seine Ruhe hat man als Lokalpolitiker jedenfalls so gut wie nie. 

Schwierig ist auch, dass die Anforderungen steigen. Die Dossiers werden immer komplizierter und zeitintensiver. Und der Lokalpolitiker hat keine Assistenten, er muss die Dossiers selber kennen und verstehen, um mitreden und schlussendlich entscheiden zu können. Das ist bei der Komplexität von Bebauungsplänen oder Budgetposten keine Selbstverständlichkeit. Und auch europäische Direktiven müssen erst einmal interpretiert werden. Das geht nur mit einer entsprechenden Weiterbildung für kommunale Mandatsträger, die bis jetzt aber noch nicht wirklich angeboten wurde. Immerhin hat sich das Gemeindesyndikat Syvicol der Problematik inzwischen angenommen.

Natürlich kann das Amt des Lokalpolitikers auch Vorteile bringen, privater und beruflicher Natur. Ein reines „Bénévolat“ ist es nicht. Wirklich bezahlt aber auch nicht. Und die bis zu fünf Stunden politischer Urlaub pro Woche für einen Gemeinderat stehen in keinem Verhältnis zum tatsächlichen Aufwand. Kommt hinzu, dass das Land seit Jahrzehnten wächst, das Wahlgesetz sich aber nicht verändert hat. Im konkreten Fall von Esch bedeutet das: Obwohl inzwischen weit mehr als 35.000 Einwohner hier leben, mit der Perspektive, in nicht allzu ferner Zukunft die 50.000er-Marke zu erreichen, setzt sich der Gemeinderat immer noch aus 19 Mitgliedern zusammen. Wie jede Stadt in Luxemburg über 20.000 Einwohner, mit Ausnahme der Stadt Luxemburg. Das ist eine Unterrepräsentierung, die die Schere zwischen der Bevölkerung und ihren Vertretern weiter auseinandergehen lässt. Auf der anderen Seite ist es in unserer schnelllebigen Zeit immer schwerer, überhaupt noch Menschen zu finden, die sich (politisch) engagieren wollen.  

„Zivilisierter“ sei die Lokalpolitik früher gewesen, sagt Codello außerdem. Damit meint er den rauen Ton im Umgang mit Mandatsträgern in den sozialen Netzwerken. In Deutschland hat der Mord an Kassels Regierungspräsidenten Walter Lübcke 2019 Schockwellen ausgelöst. Von einem Flächenbrand in Sachen Hass auf Lokalpolitiker redet man in unserem Nachbarland. So weit ist Luxemburg glücklicherweise nicht. Auch ist die Lage in dem im Vergleich zu Deutschland doch beschaulichen Großherzogtum anders. Trotzdem ist auch hierzulande die zunehmende Vehemenz der Anfeindungen gegenüber Mandatsträgern in der Anonymität des Netzes besorgniserregend. Natürlich gibt es auch unter Lokalpolitikern schwarze Schafe, die ihren Posten zu ihrem persönlichen Vorteil missbrauchen. Doch die sind, allen Unkenrufen der Frustrierten im Netz zum Trotz, in der absoluten Minderheit.     

trotinette josy
13. März 2021 - 19.15

Ja, wie sagt der Bürgermeister einer Schlafgemeinde aus dem Alzettetal, zwischen Steinsel und Lintgen gelegen:" Das Regieren wird immer schwieriger".