Caritas: Sozial-Almanach 2020Corona-Krise macht soziale Maßnahmen umso notwendiger

Caritas: Sozial-Almanach 2020 / Corona-Krise macht soziale Maßnahmen umso notwendiger
Die Corona-Krise verschärft die sozialen Ungleichheiten Foto: Andreas Arnold/dpa

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Der Sozial-Almanach der Caritas zeigt jedes Jahr, wo im sozialen Bereich der Schuh drückt. Obwohl die diesjährige Ausgabe der Überalterung der Gesellschaft gewidmet ist, zeigt die Corona-Krise wieder einmal, wie wichtig Armutsbekämpfung ist.

Es sei zu befürchten, dass wir trotz allen Maßnahmen, die die Regierung nun treffe, mit mehr Ungleichheiten und mehr Armut aus dieser Krise kommen werden, schreibt die Caritas. Um die aktuelle Lage zu berücksichtigen, hat die Vereinigung in den vorigen Wochen den Sozial-Almanach 2020 um einige Abschnitte erweitern müssen. Die sozialen Probleme sind die gleichen, nur hat die Corona-Krise sie noch verschlimmert. Sozial schwache Menschen sind von der Krise stärker betroffen als andere. Als Beispiel nannte Robert Urbé, Verantwortlicher für die Redaktion des Almanachs, das Kurzarbeitergeld: 80 Prozent des Lohnes, das bedeute nicht für jeden das Gleiche. Ein Niedrigverdiener kann so schnell unter die Armutsgrenze rutschen. Zudem helfe die Maßnahme nur begrenzt bestimmten Kategorien von Arbeitnehmern, z.B. jenen, bei denen das Trinkgeld einen wesentlichen Bestandteil des Einkommens darstellt, oder solchen, die sich durch Gelegenheitsjobs über Wasser halten.

Selbstverständlich würden gesundheitliche Fragen im Moment im Mittelpunkt stehen, und die Entwicklung mache neue wirtschaftliche Maßnahmen nötig, allerdings dürften diese keinen Einfluss haben auf das, was in den Bereichen Armut, Ungleichheiten, Wohnungsnot und Klimaschutz schon jetzt notwendig sei. Urbé unterstrich, dass soziale Hilfsmaßnahmen und Unterstützung für die Unternehmen Hand in Hand gehen können. Verstärkte Investitionen in den Wohnungsbau z.B. hätten auch einen positiven Effekt auf die Wirtschaft, das Gleiche gelte für Investitionen im Bereich Klimaschutz. Als Beispiel nannte er die Altbausanierung.

Bei der Bekämpfung der Armut würde den Niedrigverdienern gleichzeitig zu mehr Kaufkraft verholfen werden. So fordert die Caritas u.a. eine Anhebung des Revis (Einkommen zur sozialen Eingliederung): Die offizielle Armutsgrenze liege unter dem Minimum, welches das Statec als das Minimum berechnet, das man zum Leben in brauche. Anders ausgedrückt, das Revis genügt zwar zum Überleben, aber nicht zum Leben in Luxemburg. Das Mindesteinkommen habe das Ziel der Armutsbekämpfung aus den Augen verloren, heißt es an einer Stelle des Almanachs. Die paar Millionen zur Armutsbekämpfung stünden in keinem Vergleich zu den Milliarden, die nun aufgebracht werden, um den Unternehmen zu helfen.

Ungerechtfertigte Steuervorteile

Zu den notwendigen sozialen Maßnahmen zählt die Caritas ebenfalls eine Verbesserung der Situation der Alleinerziehenden. Das Kindergeld müsse endlich an die Preissteigerung und Gehälterentwicklung angepasst werden. Die Steuerreform ist ein weiteres Thema, das der Caritas am Herzen liegt. Sie sollte für eine größere Gerechtigkeit genutzt werden. Bezüglich der ungleichen Besteuerung von Löhnen und Kapitalerträgen heißt es im Almanach, „es wäre aber an der Zeit, mit solchen ungerechtfertigten Steuervorteilen aufzuräumen“. Es sei zwar noch nicht viel über die Reform bekannt, außer dass es eine größere Individualisierung bei der Besteuerung geben soll. Das sei allerdings nicht das, was die Gesellschaft im Moment brauche, sondern eher mehr Solidarität, sagte Urbé.

Der Wohnungsbau bleibt weiterhin ein Thema: Die finanziellen Fördermittel sollen verbessert werden, der Mehrwertsteuersatz auf soziale Wohnungen von drei Prozent müsse wieder eingeführt werden, und für jede Gemeinde fordert die Caritas einen Anteil von wenigstens 15 Prozent an Sozialwohnungen. Klimaschutz ist der Caritas wichtig, allerdings müsse auch der gerecht verteilt werden, etwa durch einen sozial fairen CO2-Preis. Ein Kapitel widmet der Almanach lange Zeit vergessenen Forderungen wie z.B. er Gratis-Kinderbetreuung, der Aufhebung der Höchstgrenze bei den ausgezahlten Pensionen, der Einführung einer vernünftigen Maximalrente sowie einer Flexibilisierung der Arbeitszeiten, die es Eltern erlaube, mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen.

Es sei wichtig, sofort nach der Krise die vorgeschlagenen Maßnahmen umzusetzen, und wo es möglich sei, schon sofort. Ohne Investitionen findet man nicht aus einer Krise heraus, das bedeute aber nicht, weil jetzt schon viel investiert werde, brauche man nicht noch mehr zu tun.

Überalterung der Gesellschaft

Durch die Corona-Krise wurde das eigentliche Thema des aktuellen Almanachs zwar in den Hintergrund gedrängt, doch der größte Teil des Buches beschäftigt sich mit dem Thema „vieillissement“, das durch Beiträge aus dem In- und Ausland beleuchtet wird. Robert Urbé unterstrich die Tatsache, dass der Almanach nicht von alten Menschen handele, sondern von der Überalterung der Gesellschaft.

Die Regierungsarbeit in diesem Bereich wird von der Präsidentin der Caritas, Marie-Josée Jacobs (sie war Familienministerin von 1995 bis 2013), als unbefriedigend kritisiert. Zwischen 2005 und 2030 gingen oder gehen die „Babyboomer“ in Rente, was die Zahl der „Alten“ in der Gesellschaft noch steigere. Die Überalterung der Gesellschaft zu ignorieren, sei unverantwortlich. In Sachen Rentenpolitik sei das Credo der Regierung noch immer, man brauche nichts zu unternehmen, weil die Reserven sehr hoch seien. Die Caritas jedoch verlangt, das Thema bereits jetzt anzugehen.

Den Sozial-Almanach 2020 finden Sie hier.