ArcelorMittal570 Arbeitsplätze in Gefahr – Ankündigung schreckt Regierung und Gewerkschaften auf

ArcelorMittal / 570 Arbeitsplätze in Gefahr – Ankündigung schreckt Regierung und Gewerkschaften auf
Jobs an den Nagel hängen? So weit ist es für Regierung und Gewerkschaften noch lange nicht. Foto: Editpress

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Nicht nur in Sachen Personalstärke ist die Stahlindustrie in Luxemburg schon lange nicht mehr, was sie mal war. Doch heute bekannt gewordene Pläne von ArcelorMittal, dass an 570 Arbeitsplätzen in Luxemburg zur Kostensenkung „Veränderungen“ vorgenommen werden müssten, sind ein weiterer herber Schlag. Regierung und Gewerkschaften wollen jetzt zügig Schadensbegrenzung betreiben. 

Die Stahlindustrie stand sowieso schon am Abgrund – dann kam Corona und gab ihr einen kräftigen Stoß. Das ist, vereinfacht ausgedrückt, die Situation, wie ArcelorMittal sie heute in einer Mitteilung erklärt, zusammen mit der Konsequenz daraus: 570 Arbeitsplätze in Luxemburg sollen „durch Veränderungen betroffen“ sein – womit auch deren mittelfristiger kompletter Verlust gemeint sein dürfte.

Die „extrem herausfordernden Marktbedingungen“ seien Thema eines Treffens am Donnerstag (10.9.) zwischen der Geschäftsführung von ArcelorMittal Luxembourg und dem Verwaltungsrat gewesen. 

„Die Stahlindustrie war bereits vor der Pandemie mit schwierigen Marktbedingungen konfrontiert, die auf verschiedene Faktoren zurückzuführen sind“, heißt es in einer danach vom Stahlkonzern versandten Mitteilung. Konkret geplagt worden sei die Branche durch Stahlimporte nach Europa, vor denen es an „wirksamen Schutz“ gefehlt habe, weniger Möglichkeiten auf einigen Exportmärkten, Anstieg der Rohstoffpreise sowie die Kosten eines Emissionshandelssystems, die zudem einseitig europäische Stahlproduzenten belastet hätten.

Skeptischer Blick auf den Markt

Mit der Pandemie habe es dann einen „erheblichen Rückgang der Aktivitäten der Kunden“ von ArcelorMittal gegeben, insbesondere in den Schlüsselbranchen der Stahlverwerter: der Automobil- und der Bauindustrie. So sei die Automobilproduktion in Europa im zweiten Quartal um 53 Prozent eingebrochen, für das Gesamtjahr erwarte man einen „beispiellosen Rückgang“ von 26 Prozent.

Auch im Bausektor sei die Aktivität in der Eurozone im Vergleich zum gleichen Zeitraum im Jahr 2019 um 15 Prozent zurückgegangen – und die Aussichten gäben wenig Grund zum Optimismus.

Das bittere Fazit: „Um eine langfristige Zukunft für die Organisation zu sichern, kam die Geschäftsführung von ArcelorMittal in Luxemburg zu dem Schluss, dass weitere Kosteneinsparungsmaßnahmen ergriffen und einige Veränderungen umgesetzt werden müssen.“ Rund 570 Arbeitsplätze seien entsprechend betroffen, die sich auf verschiedene Standorte und Büros von ArcelorMittal im Land verteilen. Man habe bereits das Gespräch gesucht mit Arbeitnehmervertretern und der luxemburgischen Regierung. 

Dan Kersch verschnupft über Kommunikation

Das kann der Luxemburger Arbeitsminister Dan Kersch zwar bestätigen, aber nur mit einer gewissen Reserviertheit: Er zeigt sich in einer ersten Reaktion gegenüber dem Tageblatt erschüttert „über eine weitere Hiobsbotschaft“: Luxemburg drohe „der Verlust der Substanz des Industriestandortes“. Gleichzeitig zeigt sich der Arbeitsminister erstaunt über die Art und Weise, wie die neuen schlechten Nachrichten an ihn gelangt seien: „Ich bin erst ganz kurzfristig in einer E-Mail informiert worden“, sagt Kersch. „Das ist nicht die Art und Weise, wie man an so etwas herangehen sollte.“ Dieser Bruch mit früheren Gepflogenheiten sei aber nur synonym für eine generell schwierige Kommunikation mit dem Stahlkonzern: Der hatte bereits 2019 mit dem „Score“-Projekt ehrgeizige Umstrukturierungen angekündigt, sei danach aber nie konkret geworden, beklagt Kersch. „Wir haben seit Ankündigung des Programms immer wieder auf Zahlen gedrängt, wurden aber immer wieder hingehalten“, erklärt Kersch. 

Jetzt gelte es, eine neue Tripartite zu erreichen, damit etwaige Umstrukturierungen ohne Arbeitsplatzverluste bewerkstelligt werden könnten.

OGBL baut auf neue Tripartite

Das sind auch für den OGBL die entscheidenden Wegmarken, die man anvisieren wolle. „Die Tripartite war in der Vergangenheit immer das beste Instrument, um zu zufriedenstellenden Lösungen zu kommen“, erklärt Stefano Araujo, Zentralsekretär des Syndikats Hüttenindustrie und Bergbau, gegenüber dem Tageblatt. Er befürchtet, dass ArcelorMittal keine nachhaltige Politik verfolge: „Hier geht es nur um kurzfristiges Sparen, um Lohnkosten zu drücken und die Rendite zu erhöhen.“ Man wolle jedenfalls „verhindern, dass jetzt einfach dieselbe Arbeit von weniger Leuten gemacht werden soll“. 

Fayot: „Erwarte starkes Engagement“

Wirtschaftsminister Franz Fayot schreibt in einer Stellungnahme, Luxemburg durchlebe „derzeit einen dunklen Moment in der Stahlgeschichte des Landes“.

Er „bestehe“ darauf, dass der Personalabbau „möglichst sozialverträglich durchgeführt wird“. Dies gelte umso mehr, da ArcelorMittal seit vielen Jahren von „staatlicher Unterstützung profitiert, um wettbewerbsfähig zu bleiben“. Man erwarte „starkes Engagement“ und „Garantien für die Nachhaltigkeit der luxemburgischen Standorte“. fgg

Die Gewerkschaft sieht sich angesichts der Ankündigungen, die immerhin rund 15 Prozent der ArcelorMittal-Arbeitsplätze in Luxemburg beträfen, in früheren Befürchtungen bestätigt. „Dies mildert den Schock jedoch nicht“, heißt es in einer Mitteilung. Man wolle mit der Mehrheit in der Delegation von ArcelorMittal sowie auf sektoraler Ebene jetzt dafür sorgen, dass kein Mitarbeiter seinen Arbeitsplatz verliert.

Nach den am Donnerstag durch die Unternehmensleitung bekannt gegebenen Plänen könne man allerdings auf rund 200 der betroffenen 570 Arbeitsplätze keine Regelungen wie Kurzarbeit oder Vorruhestand anwenden. Darum müssten hier mit aller Entschiedenheit andere Lösungen als Kündigungen gefunden werden. Das Ziel bestehe aber nicht nur darin, einen Sozialplan, also Kündigungen, möglichst zu vermeiden, sondern auch die Zukunft des Unternehmens in Luxemburg zu sichern. Dazu brauche es Investitionen, um die Zukunft der luxemburgischen Standorte zu sichern. 

LCGB: „Kopf in den Sand gesteckt“

In die gleiche Kerbe schlägt die Gewerkschaft LCGB. Sie erkennt in einer Mitteilung an, dass „die wirtschaftliche Situation seit dem Ende des PostLux-2016-Abkommens bereits nicht mehr optimal“ gewesen sei für die Stahlindustrie in Luxemburg. Das alles verschärfe sich nun durch die Corona-Pandemie. Der LCGB sei jedoch auch skeptisch: Die Pandemie dürfe nicht als Entschuldigung für alles dienen: „ArcelorMittal wird seiner Verantwortung gerecht werden müssen, denn die Pandemie ist nicht der einzige Faktor, der für diese Verschlechterung der Lage verantwortlich ist“, heißt es in der Mitteilung. Jetzt räche es sich, dass ArcelorMittal seit Auslaufen der bisher letzten Tripartite „den Kopf in den Sand gesteckt“ und neue Vereinbarungen abgelehnt habe.

Entlassungen dürften jetzt „nicht einmal ins Auge gefasst werden“: Der LCGB fordere, dass vor jedweder derartigen Diskussion ein dreigliedriger Rahmen geschaffen wird. Dabei müsse jeder Akteur seiner Verantwortung gerecht werden, um alle sozialen Instrumente (wie etwa Kurzarbeit, Umschulungen, Vorruhestand) einzusetzen. Dabei seien alle luxemburgischen Standorte einzubeziehen, also alle luxemburgischen Standorte von ArcelorMittal sowie der Standort von Liberty Dudelange.

Immerhin: Anders als bei dem jetzt wohl obsoleten „Score“-Projekt zeigt sich ArcelorMittal in seiner Mitteilung ebenfalls offen für die Einbettung in eine Tripartite – die Rede ist jedenfalls von einem „Sozialdialog, spezifisch nach dem Luxemburger Modell“. Der Einstieg könnte unmittelbar bevorstehen: Wie OGBL-Sekretär Araujo erklärt, ist ein Treffen mit Arbeitsminister Kersch und Vertretern von ArcelorMittal für Anfang kommender Woche terminiert.