Montag10. November 2025

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Favorit in Nöten

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Sollte Emmanuel Macron gedacht haben, der Weg in den Elysée-Palast sei nur noch ein Spaziergang, dann hat er sich gründlich getäuscht.

Nach seinem Erfolg in der ersten Runde der Präsidentschaftswahl ist die Jubelstimmung schnell verflogen: Seine rechtspopulistische Konkurrentin Marine Le Pen setzt Macron hart zu, sein Wahlkampf ist nach der Wahlparty vom vergangenen Sonntag nur schleppend wieder in Gang gekommen. Bei vielen Franzosen wächst die Sorge, dass das Undenkbare Wirklichkeit werden könnte: Eine Rechtspopulistin an der Staatsspitze. Die linke Tageszeitung „Libération“ sah sich gar zur Wochenmitte zu einem Weckruf genötigt: „Hey Manu, kommst du wieder runter?“ titelte sie zu einem Foto von Macron in Siegerpose. Allzu triumphierend hatte der 39-Jährige gewirkt, als er in der ersten Wahlrunde mit 24 Prozent vorne gelandet war – ein zugegebenermaßen sensationelles Ergebnis für jemanden, der vor drei Jahren in Frankreich noch vollkommen unbekannt war und ohne etablierten Parteiapparat antritt. Dass nach dem ersten Wahlgang in einem schicken Pariser Bistro mit Austern und Champagner feierte, war ein PR-GAU. Denn die entscheidende Stichwahl steht erst am 7. Mai an. Zwar sagen alle Umfragen einen klaren Sieg des sozialliberalen Reformpolitikers voraus, 60 Prozent oder mehr würde er demnach gegen Le Pen erzielen. Doch die Rechtspopulistin ist eine gefürchtete Wahlkämpferin, die alles riskieren kann. Es sei schließlich ein Duell „David gegen Goliath“, kokettiert Le Pen mit ihrer Außenseiter-Rolle. Schon am Mittwoch führte sie den Ex-Wirtschaftsminister vor, als sie in seiner Heimatstadt Amiens überraschend ein von der Schließung bedrohtes Werk des Haushaltsgeräteherstellers Whirlpool besuchte. Macron musste nachziehen und begab sich in die Höhle des Löwen: Bei vielen Arbeitern ist der frühere Investmentbanker als neoliberaler Unternehmerfreund und arroganter Wohlstandsschnösel verschrien, bei seiner Ankunft vor dem Werk gab es Pfiffe und Buhrufe. Doch der 39-Jährige schlug sich wacker. Fast eine Stunde diskutierte er mit den aufgebrachten Arbeitern und verteidigte engagiert seine sozialliberale Linie. Es war vermutlich der Beginn des wirklichen Wahlkampfs für die zweite Runde. Ein Wahlkampf, der mit harten Bandagen geführt wird: Der Pro-Europäer und die EU-Gegnerin attackieren sich mit scharfen Worten. Macron wirft Le Pen bei Wahlkampfauftritten vor, „hasserfüllt und engstirnig“ zu sein, Frankreich zu „spalten“ und zu „verraten“, an der Spitze einer „ausländerfeindlichen“ Partei zu stehen. Le Pen bezeichnet Macron als „ultraliberalen“ Kandidaten des „sozialen Kahlschlags“ und einer „hemmungslosen Globalisierung“. Ein Vorgeschmack auf das große TV-Duell am kommenden Mittwoch. Zugleich müssen beide ihre Wählerbasis vergrößern. Le Pen versucht, die enttäuschten Wähler des gescheiterten konservativen Kandidaten François Fillon für sich zu gewinnen, aber auch die Anhänger von Linksaußen Jean-Luc Mélenchon. Umfragen zufolge könnten 25 Prozent der Fillon-Wähler und 15 Prozent der Mélenchon-Wähler in der Stichwahl für die Rechtspopulistin stimmen. Macron dürfte in beiden Lagern deutlich mehr Wählerstimmen einfahren. Doch während viele Franzosen auf keinen Fall eine Präsidentin Le Pen wollen, gibt es auch gegen Macron viele Vorbehalte – und entsprechend wenig Motivation, am 7. Mai eine Stimme für den parteilosen Mitte-Kandidaten abzugeben. Der Aufschrei des Entsetzens, den der überraschende Einzug von Le Pens Vater Jean-Marie in die Stichwahl 2002 auslöste, ist dieses Jahr ausgeblieben. Meinungsforscher warnen, dass bei einer sehr niedrigen Wahlbeteiligung ein Sieg der Rechtspopulistin nicht ausgeschlossen ist. Dieses Szenario erscheint zwar sehr unwahrscheinlich. Doch der Montag nach dem Wahlsonntag ist in Frankreich ein Feiertag. Viele Franzosen könnten das verlängerte Wochenende deswegen fern der Wahllokale verbringen, keine gute Nachricht für Macron. Er wird noch eine Woche lang viel Überzeugungsarbeit leisten müssen, wenn er als jüngster französischer Präsident in den Elysée-Palast einziehen will.