VerbraucherUngebremste Energiepreise treiben Inflation auf Rekordhoch

Verbraucher / Ungebremste Energiepreise treiben Inflation auf Rekordhoch
Auf Verbraucher und Industrie kommen noch weiter steigende Belastungen zu Foto: dpa/Fernando Gutierrez-Juarez

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Rasant steigende Energiepreise treiben die Inflation in der Euro-Zone auf einen neuen Rekordwert und bringen die EZB zusehends in Zugzwang.

Binnen Jahresfrist stiegen die Verbraucherpreise im Februar um 5,8 Prozent, wie das europäische Statistikamt Eurostat am Mittwoch mitteilte. Im Vormonat Januar hatten sie erst 5,1 Prozent betragen. Stärkster Preistreiber im Februar war Energie mit einem Anstieg von 31,7 Prozent. „Der Ukraine-Krieg hat den Inflationsanstieg weiter angefacht. Wegen der durch die Decke gehenden Energiepreise wird die Inflationsrate schon ab März über sechs Prozent liegen“, prophezeite Chefökonom Alexander Krüger von der Privatbank Hauck Aufhäuser Lampe.

Die Europäische Zentralbank (EZB) gerät bereits jetzt wegen der rasant steigenden Preise unter Druck, ihren noch immer lockeren Kurs zu straffen. Die Inflationsrate schießt immer weiter über die Zielmarke der EZB von 2,0 Prozent hinaus, die nächste Woche zu ihrer Zinssitzung zusammentritt. Angesichts des anhaltenden Preisauftriebs müsse die EZB die Normalisierung der Geldpolitik aber im Blick behalten, mahnte  Bundesbankchef Joachim Nagel. Zugleich läuft die EZB wegen der nicht absehbaren Folgen des Ukraine-Krieges Gefahr, bei einer zu frühen Kehrtwende den Aufschwung abzuwürgen.

EZB-Vizechef Luis De Guindos nannte die frischen Preisdaten eine „negative Überraschung“. Als Folge des Ukraine-Krieges sei zu erwarten, dass das Wachstum der Wirtschaft im Euroraum niedriger ausfallen und auch die Preisentwicklung davon beeinflusst werde. „Der für die Zukunft bedeutendste Effekt ist die große Bedeutung Russlands für die Energiepreise“, fügte der Spanier hinzu.

Die Energiepreise steigen weiter 

Vor einem Treffen des Ölkartells Opec und seiner Verbündeten (Opec+) stieg der Preis für die Rohöl-Sorte Brent am Mittwoch um sechs Prozent. Mit 111, 38 Dollar je Barrel (159 Liter) lag er auf dem höchsten Stand seit Anfang Juli 2014. Die Tatsache, dass der Ölpreis auf die Freigabe strategischer Reserven durch die Internationale Energieagentur nicht mit Abschlägen reagiert habe, sei erschreckend, sagte Jochen Stanzl, Marktanalyst vom Brokerhaus CMC Markets.

„Es ist nicht übertrieben zu behaupten, dass die EZB seit ihrer Gründung ihren heikelsten Moment vor sich hat“, sagte Chefvolkswirt Thomas Gitzel von der VP Bank. „In der Vergangenheit war Inflation nie ein besonderes Thema. Die Währungshüter konnten deshalb bei Krisen aus dem Vollen schöpfen. Das ‚Whatever it takes‘ kam Mario Draghi im Juli 2012 relativ leicht über die Lippen, zeigte doch der Teuerungstrend nach unten.“ Doch nun sei die Situation eine grundlegend andere. „Auf welche Seite schlagen sich die europäischen Währungshüter?“, fragt der Volkswirt. „Werden Inflationsrisiken oder wirtschaftliche Risiken stärker gewichtet?“ Die Vergangenheit habe derweil eine klare Antwort für Notenbanker, so Gitzel: „Inflationsrisiken sollten den Vorrang haben.“ Er glaubt jedoch nicht, dass das passiert: „Ein klares Bekenntnis zu einer geldpolitischen Straffung wird es vermutlich nicht geben.“

Die US-Notenbank Fed wird trotz der noch nicht absehbaren Folgen des Ukraine-Krieges die avisierte Zinswende diesen Monat aller Voraussicht nach einleiten. „Wir erwarten, dass es angemessen sein wird, die Zielspanne für den Leitzins auf unserer Sitzung in diesem Monat anzuheben“, erklärte Fed-Chef Jerome Powell am Mittwoch bei einer Kongressanhörung. Der Krieg in der Ukraine lasse den Ausblick aber hochgradig unsicher erscheinen. Die Fed steht angesichts einer Inflationsrate von zuletzt 7,5 Prozent unter Zugzwang, ihren Kurs zu straffen und sich somit gegen den Preisauftrieb zu stemmen.

In Luxemburg lag die Inflationsrate im Februar, laut den Eurostat-Berechnungen, bei geschätzten 7,8 Prozent. Im Vormonat waren es erst 4,6 Prozent. Im Januar hatte die Teuerungsrate, Statec-Berechnungen zufolge, bei 3,6 Prozent gelegen. Im Dezember waren es hierzulande, auch Statec zufolge, auf 4,1 Prozent. Um die Folgen der nun, bedingt durch den Angriff auf die Ukraine noch weiter zulegende Preissteigerungsrate, für die  Haushalte etwas abzufedern, hatte die Luxemburger Regierung am Montag ein Maßnahmenpacket angekündigt. 

EU-Schuldenregeln bleiben 2023 zumindest teilweise ausgesetzt

Die europäischen Schuldenregeln werden nächstes Jahr zumindest teilweise noch ausgesetzt bleiben. Der Vize-Präsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, sagte am Mittwoch, die sogenannte Zwanzigstel-Regel für hoch verschuldete Staaten solle auch 2023 nicht angewendet werden. Danach müssen Euro-Länder mit einer Schuldenquote von über 60 Prozent jedes Jahr ein Zwanzigstel der Differenz zwischen 60 Prozent und der tatsächlichen Quote abbauen. Das würde vor allem Griechenland und Italien hart treffen, die die höchsten Schuldenstände haben. Rund um den Globus sind die Schulden in der Corona-Krise nach oben geschossen, so dass ein Abbau um ein Zwanzigstel auch immer anspruchsvoller wird. Insgesamt wird in Brüssel derzeit heiß diskutiert, ob die Schuldenregeln ab 2023 wieder gelten sollen. Sie wurden 2020 ausgesetzt, um den Ländern mehr Spielraum zu geben, die Folgen der Pandemie abzufedern. Eigentlich soll durch den Stabilitätspakt die Neuverschuldung auf drei Prozent der Wirtschaftsleistung begrenzt werden und die Gesamtverschuldung auf 60 Prozent. Für viele Länder sind die Obergrenzen allerdings so weit weg, dass vor allem im Süden Europas Rufe nach einer Reform laut werden. Eine Einigung auf neue Regeln vor Ende 2023 gilt aber als unrealistisch.