Estland will eigenen Bitcoin einführen

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Estland ist weltweit Vorreiter der digitalen Revolution: Bürger können mithilfe eines elektronischen Personalausweises online wählen gehen und Behördengänge abwickeln, Internetunternehmen wie Skype oder der Online-Überweisungsdienst Transferwise wurden in dem kleinen Staat im Baltikum ins Leben gerufen. Die neueste Idee aus Estland: Zusätzlich zum Euro eine eigene Kryptowährung namens Estcoin einführen, die es Unternehmen aus aller Welt noch einfacher machen soll, dort Geschäfte zu machen.

Der Estcoin soll nur im Rahmen der bereits 2014 eingeführten sogenannten E-Residenz und nicht als Zahlungsmittel etwa in Geschäften verwendet werden können, wie der Leiter des E-Residenz-Programmes, Kaspar Korjus, erklärt. Die E-Residenz ist ein digitaler Ausweis, der dem Inhaber via Internet Zugang zu zahlreichen Behördenangeboten gibt. Zielgruppe sind Unternehmer aus der ganzen Welt, die in Estland und damit der EU Geschäfte abwickeln können. Das Projekt soll den kleinen Staat zur globalen Supermacht in Sachen elektronischer Geschäftstätigkeit machen – inzwischen gibt es bereits 28.000 E-Residenz-Inhaber.

Geteilte Meinung

„Wir wollen keine alternative Währung zum Euro anbieten“, versicherte Korjus im Dezember in einem Blogeintrag. Er deutete aber auch an, eine Möglichkeit sei, den Wert der Währung an den Euro zu binden. „Die Euro-Estcoins in dieser Gemeinschaft könnten weltweit den Handel vereinfachen“, bewarb er das Projekt. Mario Draghi, der Präsident der Europäischen Zentralbank (EZB), reagierte zurückhaltend auf die Idee aus Estland – innerhalb eines Landes der Euro-Zone dürfe keine eigene Kryptowährung eingeführt werden, betonte er. Auch im Land sind die Reaktionen durchwachsen.

Estlands Zentralbank, die Estnische Bank, teilte mit: „Das einzig legale Geld in Estland und der Eurozone ist der Euro.“ Ingrid Mitt, Sprecherin der Bank, gab an, die Institution sei nicht vorab konsultiert worden. Es handle sich nicht um einen Vorschlag der Regierung, erklärte Mitt – obwohl die E-Residenz sehr wohl ein offizielles Programm aus Tallinn ist. Lokale Medien zitieren den Chef der Bank, Ardo Hanssen, mit der Warnung, Kryptowährungen seien „sehr riskant“.  Estlands Finanzministerium zeigte sich unvoreingenommener. „Wir begrüßen den Vorstoß des Teams der E-Residenz uneingeschränkt“, sagte Siim Sikkut, Vize-Generalsekretär für Kommunikation und offizielle Informationssysteme.

Bitcoin-Hype

E-Residenz-Chef Korjus zufolge sieht das Modell vor, dass die Währung unabhängig von Banken funktioniert. Die Transaktionen der Digitalwährung sollen stattdessen über eine sogenannte Blockchain abgewickelt werden: Bei der 2009 eingeführten Technologie handelt es sich um eine Methode der Informationsübermittlung, bei der die Daten dezentral kryptografisch verschlüsselt werden. Auch die Daten der weltweit bekanntesten Digitalwährung, dem Bitcoin, werden über eine solche Blockchain aneinander gekettet. Die Kryptowährung war 2009 erfunden worden und sollte eine von Staaten, Zentralbanken und anderen Finanzinstituten unabhängige Währung erschaffen.

Der Bitcoin-Hype hat auch etwas damit zu tun, dass die Debatte über eine mögliche estnische digitale Währung so intensiv geführt wird: Der Bitcoin erreichte in den vergangenen Wochen zeitweise einen Kurs von fast 20.000 Dollar und zieht Investoren aus aller Welt an. Korjus hat auch große Pläne: Mithilfe der E-Residenz will er das Land weltweit zum Zentrum für Investitionen in Digitalwährungen machen. Das befürwortet auch Sikkut vom Finanzministerium. Zwar sei noch keine konkrete Entscheidung zum Estcoin getroffen worden, aber die von Korjus beschriebenen Möglichkeiten würden ernsthaft erwogen.