FußballLuc Holtz zum 10-jährigen Jubiläum: „Gemeinsam können wir noch viel erreichen“

Fußball / Luc Holtz zum 10-jährigen Jubiläum: „Gemeinsam können wir noch viel erreichen“
Seit einer Dekade prägt Luc Holtz den luxemburgischen Fußball – an ein Ende denkt er noch nicht  Archivbild: Gerry Schmit/Tageblatt

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Heute vor zehn Jahren hat Luc Holtz die Nachfolge des damaligen Nationaltrainers Guy Hellers angetreten. Erst war der damals 41-Jährige als Interimscoach tätig, dann bekam er das volle Vertrauen von Paul Philipp. Seit einer Dekade prägt der ehemalige Nationalspieler den luxemburgischen Fußball – die „Rout Léiwen“ haben in dieser Zeit eine rasante Entwicklung vollzogen und sind mit Holtz noch lange nicht am Scheitelpunkt angekommen.

Tageblatt: Luc Holtz, Sie waren 21 Jahre Spieler im Profibereich, nun sind Sie seit 21 Jahren Trainer. Was können Sie besser? 

Luc Holtz (lacht): Mittlerweile bin ich der bessere Trainer. Als Spieler ist man von seinen athletischen Voraussetzungen abhängig. Ich war nicht der Athletischste, aber technisch war ich gut ausgebildet. Als Trainer bist du nicht von solchen Sachen abhängig und kannst mit Fleiß, Ehrgeiz und viel Arbeit einiges erreichen.

Kam Ihre Berufung zum Nationaltrainer für Sie plötzlich?

Für mich kam das wirklich sehr überraschend. Ich war in Monnerich, um eine Trainingseinheit mit der U21 zu leiten. Nach dem Training wurde ich ins Komitee gerufen. Der Präsident, Paul Philipp, hat mich dann gefragt, ob ich am nächsten Tag schon bereit sei, das Spiel gegen Mönchengladbach zu leiten und ein paar Tage später in Wales. Aus einer Woche wurden dann erst zwei Jahre – und nun ist es bereits ein Jahrzehnt. 

Ihr erstes Spiel ging mit 1:5 in Wales verloren. Welches Gefühl begleitete Sie auf der Heimreise? 

Wir hatten eine gute Halbzeit gespielt und es stand überraschend  1:1 zur Halbzeit – das war damals ein sehr gutes Resultat. Dann haben wir Lehrgeld gezahlt. Ich muss aber sagen, dass ich kaum Einfluss auf das Spiel hatte. Ich war erst ein paar Tage im Amt und in der kurzen Zeit kann man nicht viel verändern. Man kann die Motivation steigern, aber für das Fußballerische braucht man Wochen, wenn nicht Monate.  

Von verschiedenen Personen haben Sie schon früh Kritik erhalten. Hatten Sie damals schlaflose Nächte?

Nein, überhaupt nicht. Ich muss sagen, dass ich die Kritik verschiedener Leute gar nicht zur Kenntnis genommen habe. Mich haben die Spieler und ihre Leistungen interessiert. Das war und ist auch immer noch so. Kritik ist berechtigt, wenn was nicht klappt – damals war es nicht gerechtfertigt. Darauf möchte ich aber nicht weiter eingehen, weil das nicht meine Art ist.  

Wann haben Sie sich gedacht, dass das Spiel der „Rout Leiwen“ Ihre Handschrift trägt?

Das hat einige Jahre gedauert. Als Nationaltrainer bin ich von der Qualität meiner Spieler und ihrer physischen Form abhängig. Ich sehe sie im Durchschnitt jeden zweiten Monat für zwei Spiele. Wir haben damals einen sehr defensiv orientierten und kompakten Fußball gespielt. Es hat Jahre gedauert, bis ich das so drehen konnte, wie ich es gerne wollte. Ich musste meine Ideen langsam einführen. Im Verein sieht man seine Spieler jeden Tag, da ist es einfacher. Aber so, wie wir heute spielen, entspricht das eher meiner Philosophie. 

Was ist der größte Unterschied, wenn Sie die heutige Zeit mit der damaligen vergleichen?

Viele Bereiche haben sich stark weiterentwickelt. Ich bin von Natur aus ein Mensch, der aktiv sein möchte. Deswegen möchte ich Kontrolle über das Spiel und somit mehr Ballbesitz haben. Damals haben wir nur reagiert. Außerdem haben wir aktuell viel mehr Selbstvertrauen. Im Laufe der Jahre habe ich an der Philosophie gearbeitet, dass wir mehr an die Offensive als an die Defensive denken. Dabei geht es nicht nur um ein schnelles Umschaltspiel oder um Konter, sondern wir können auch tief stehende Gegner bespielen. Der komplette Staff wurde breiter und hat sich weiterentwickelt. Ein anderer Punkt ist, dass viele Spieler mittlerweile im Ausland sind. Das erfordert viel Management. 

Heißt das, dass Sie mehr reisen?

Meine erste Aufgabe ist es, die Spieler zu unterstützen. Des Weiteren will ich mir ein Bild von ihrer Situation verschaffen und ein Gefühl für sie bekommen. Kommunikation ist daher sehr wichtig. Ich gucke mir nicht alle Spiele meiner Schützlinge live an, aber die einzelnen Aktionen der Spieler können über verschiedene Plattformen eingesehen werden. Meistens rede ich nach dem Spieltag mit den Spielern. Ich möchte wissen, was der Vereinstrainer von ihnen forderte und wie sie sich gefühlt haben. Aber es stimmt, dass ich mehr reise. 

Muss nach Ihrer schönsten Erinnerung gefragt werden oder ist das eindeutig?

(lacht) Einen Punkt gegen den zukünftigen Weltmeister zu holen, war einzigartig. Aber ich will den Punkt gegen Frankreich nicht hervorheben. Drei Tage vorher haben wir ohne etliche Verletzte oder Gesperrte mit 1:0 gegen Weißrussland gewonnen. Zu dem Zeitpunkt war das auch extrem wichtig. In Italien haben wir 2014 bei einem Freundschaftsspiel ebenfalls unentschieden gespielt, das war auch schön. Alle Punkterfolge sind etwas Besonderes. 

Einen Monat nach dem Frankreich-Spiel folgte ein 0:8 in Schweden. Tiefer hätte man wohl kaum fallen können … 

Das Resultat war schwer enttäuschend. Die Schweden haben an dem Tag alles getroffen und viel lief gegen uns. Für mich war aber das 1:1 gegen Bulgarien drei Tage später entscheidend. Da sieht man die Fortschritte der Mannschaft und des Staffs. Wir haben super reagiert und die haben der Mannschaft ihr Selbstvertrauen zurückgegeben. 

Vor Ihrem ersten Spiel gegen Wales sagten Sie: „Wir wissen, dass wir immer nur Luxemburg sind und nicht in der Favoritenrolle starten. Und genau aus diesem Grund haben wir mehr zu gewinnen als zu verlieren.“ Gilt das 2020 auch noch?

Das hängt immer davon ab. Wir gehören aber nun nicht mehr zu den kleinen Nationen, sondern können uns auf Augenhöhe mit Ländern wie Aserbaidschan, Zypern oder Montenegro messen. Das konnte man vor ein paar Jahren noch nicht sagen. Das heißt aber nicht, dass wir solche Spiele gewinnen müssen. Wir sind konkurrenzfähiger geworden und haben größere Möglichkeiten, Spiele für uns zu entscheiden. 

Welche Ziele peilen Sie für die Zukunft an?

Meine Ziele sind nicht immer ergebnisorientiert. Wir wollen uns weiterentwickeln, sowohl im Spielerischen als auch im offensiven Bereich oder in der Spielkontrolle. Das sind meine Ziele. Ich möchte, dass meine Spieler ruhiger auf dem Platz oder kaltschnäuziger vor dem Tor werden. Wir werden in den nächsten Monaten sicher wieder ein paar Schritte nach vorne machen. 

Aktuell sind Sie weltweit nach Joachim Löw (Deutschland) und Koldo Alvarez (Andorra) der Trainer, der die drittlängste Amtszeit aufweist. Beschäftigen Sie sich mit solchen Statistiken?

Ich warte, bis sie abdanken (lacht). Nein, ich wurde mal darauf angesprochen, deswegen weiß ich es – mehr nicht. Was mich interessiert, ist, wie sich meine Mannschaft auf dem Platz präsentiert. Um Trainer zu sein, müssen viele Komponenten passen – sonst funktioniert es nicht. Und momentan passt es fantastisch.

Sie haben aber mal gesagt, dass Sie gerne einen Profi-Klub trainieren würden … 

Darüber habe ich schon nachgedacht und schon drei- bis viermal die Möglichkeit gehabt. Ich habe immer zuerst mit meiner Familie darüber gesprochen, das hat nicht immer gepasst. Außerdem war ich noch nicht dazu bereit, das zu verlassen, was wir hier in Luxemburg auf die Beine gestellt haben. Gemeinsam können wir  noch viel erreichen. Wenn das so bleibt, weiß ich gar nicht, ob der Zeitpunkt kommt, dass ich denke, ich müsste was ändern. Wenn ich jedoch die Möglichkeiten bekomme, dann muss alles passen: die Situation, die Philosophie des Vereins, die Kultur im Land.

Was braucht das Land oder der Verband, um sich noch besser zu entwickeln?

In vielen Bereichen würde ich den Weg, den wir gehen, fortführen. Ich wünsche mir allerdings, dass wir weniger ängstlich gegen vermeintlich größere Nationen auftreten und mehr Selbstvertrauen haben. Außerdem hoffe ich, dass mehr zusammengehalten wird. Gerade zu Coronazeiten, in denen es viele Diskussionen um die Größe der Liga oder um den Präsidenten gab. Wir müssen einander mehr helfen und wenn wir alle an einem Strang ziehen, können wir uns noch besser präsentieren.