Neues Insider-BuchDopingfahnder, eine Kühlbox und die Schleck-Brüder 

Neues Insider-Buch / Dopingfahnder, eine Kühlbox und die Schleck-Brüder 
Andy (l.) und Frank Schleck während der Tour de France 2008  Archivbild: AP/Christophe Ena

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Jean-Pierre Verdy hat als ehemaliger Direktor der Abteilung für Dopingkontrollen bei der französischen Anti-Doping-Agentur so einiges erlebt. Seine Erfahrungen hat er nun in einem Buch zusammengefasst. Es verdeutlicht, wieso der Kampf gegen Doping so behäbig ist. Eine kleine Passage befasst sich mit den Luxemburgern Frank und Andy Schleck.

Es war gegen Ende der Tour de France 2008, als Dopingfahnder der Gendarmerie eines Abends gegen Mitternacht einen ehemaligen Radfahrer, Vater zweier Profis, mit einer Kühlbox ins Teamhotel seiner Söhne eintreten sahen. Da die Gendarmen aber nicht befugt waren, die Kühlbox zu kontrollieren, und vergessen hatten, den Zoll um Unterstützung zu bitten, konnten sie nichts unternehmen. Jean-Pierre Verdy, ehemaliger Direktor und Gründer der Abteilung für Dopingkontrollen der französischen Anti-Doping-Agentur (AFLD), beschreibt dieses Vorkommnis in seinem neuen Buch „Dopage, ma guerre contre les tricheurs“. Es sei der einzige Fehler, der den Dopingfahndern bei der Tour 2008 unterlaufen sei.

Um wen es sich bei diesem Vorfall handelt, ist nicht allzu schwer herauszufinden, auch wenn Verdy auf Rat der Juristen auf die Namen verzichtete. Es gibt bei der Tour de France nicht sehr viele Brüderpaare und noch weniger, die einen Vater haben, der ebenfalls Radsportler war. Im Jahr 2008 traf dies auf die Schleck-Brüder zu. Eine Anfrage zu diesem Thema blieb von den ehemaligen Profis bislang unbeantwortet. Die Tour 2008 war aus Luxemburger Sicht sehr erfolgreich. Andy Schleck gewann das Weiße Trikot des besten Jungprofis, Frank Schleck trug zwischenzeitlich das Gelbe Trikot, genau wie Kim Kirchen, der auch noch das Grüne Trikot vorübergehend überstreifte.

Vom Zoll gestoppt

Am Tag nach dem Ereignis mit der Kühlbox hat der französische Zoll den Wagen von Vater John Schleck angehalten und kontrolliert. „Ich habe ihnen gesagt, dass sie nichts finden werden und dass die Aktion nutzlos sei“, sagt Jean-Pierre Verdy gegenüber dem Tageblatt. So kam es dann auch.

Verdy geht in seinem Buch ganz genau auf die Tour von 2008 ein. Es war das Jahr, in dem die AFLD alleine die Dopingkontrollen durchführte und Verdy damit die Verantwortung trug. Wer glaubt, dass Sportler per Zufallsprinzip für Dopingkontrollen ausgewählt werden, wird in dem Buch eines Besseren belehrt. Zum allergrößten Teil werden zielgerichtete Kontrollen durchgeführt. Verdy beschreibt, wie er und sein Team sich im Vorfeld auf die Tour vorbereiten, wie sie die Fahrer analysieren, die hervorheben, die verdächtige Werte oder Leistungen bringen.

Gehörten die Schleck-Brüder denn auch zu Verdys Zielgruppe? „Was meinen Sie, wie ich einen von ihnen 2012 überführt habe?“ 2012 wurde Frank Schleck positiv auf das Diuretikum Xipamid getestet und später ein Jahr gesperrt. Schleck und sein Umfeld spekulierten damals, dass die positive Probe auf ein verunreinigtes Nahrungsergänzungsmittel zurückzuführen sei. Dagegen spricht nun aber die Aussage von Verdy, dass es sich um eine zielgerichtete Kontrolle handelte. Damals hatte die französische Sportzeitung L’Equipe spekuliert, dass der ehemalige Team-Manager der Schleck-Brüder, Johan Bruyneel, seinem Fahrer Doping verabreicht habe, um diesen aus dem Verkehr zu ziehen. Eine weitere Theorie, die in dem Zusammenhang aufkam, war, dass das Diuretikum genommen wurde, um eine andere Dopingsubstanz zu verschleiern. Zudem wird Xipamid gerne benutzt, um vor einer Bluttransfusion den Blutdruck zu senken.

Frank Schleck bei der Zielankunft in Cap d’Agde am 14. Juli 2012. Unmittelbar danach gab er eine Dopingprobe ab, die Spuren von Xipamid enthielt. Laut Verdy war es damals eine gezielte Kontrolle.
Frank Schleck bei der Zielankunft in Cap d’Agde am 14. Juli 2012. Unmittelbar danach gab er eine Dopingprobe ab, die Spuren von Xipamid enthielt. Laut Verdy war es damals eine gezielte Kontrolle.

An Spekulationen beteiligt sich Verdy nicht. Getestet wurde Schleck damals auf einer Flachetappe nach Cap d’Agde. „Meine Leute fragten mich, wieso wir ihn auf so einer Etappe kontrollieren sollten. Aber sie haben mir letztendlich vertraut.“ Von wo er damals den Tipp bekommen hat, verrät Verdy natürlich nicht, auch wenn er heute nicht mehr im Anti-Doping-Kampf tätig ist. „Meine Quellen habe ich stets geschützt.“ Ansonsten sei es quasi unmöglich, in diesem verschwiegenen Milieu etwas zu erreichen. Vertrauen hat für Verdy immer eine wichtige Rolle gespielt.

„Alle stehen auf der Bremse“

Sein Buch gibt tiefe Einblicke in die tägliche Arbeit der Dopingbekämpfer und die Hürden, die ihnen immer wieder in den Weg gestellt werden. „Der Anti-Doping-Kampf kommt nicht voran. Alle stehen auf der Bremse, Sportler, Verbände, Organisatoren und nicht zuletzt die Politik“, sagt Verdy und kommt wieder auf die Tour de France von 2008 zu sprechen.

Damals hatte die AFLD gleich fünf Dopingsünder direkt überführt. Ab 2009 hatte der Radsport-Weltverband wieder das Sagen über die Dopingkontrollen und versuchte die AFLD so gut es ging außen vor zu lassen. „Mit unserem Vorgehen 2008 haben wir das gesamte Peloton verunsichert.“ Die Verunsicherung war so groß, dass eine Vielzahl an Fahrern mit sehr kurzen oder gebleichten Haaren sowie extrem kurz geschnittenen Fingernägeln zur Tour anreiste. Verdy und seine Leute hatten nämlich vor, Haar- und Nagelproben zu nehmen, um noch zielgerichteter kontrollieren zu können.

Der mangelnde Wille im Kampf gegen Doping offenbart sich aber nicht nur im Radsport. Es gebe Sportarten, in denen es noch schlimmer sei. Als Verdy die französische Fußball-Nationalmannschaft am Morgen des 26. Dezember testen ließ, war der Aufschrei groß. Ebenso habe es im Tennis an Majestätsbeleidigung gegrenzt, als die AFLD Rafael Nadal zur Dopingprobe aufforderte. Verdy nennt auch klar die Namen derjenigen, die ihm und seinem Team das Leben schwergemacht haben.

Sarkozy und Armstrong

Er spricht von der großen Nähe zwischen Frankreichs Ex-Präsident Nicolas Sarkozy und Lance Armstrong – von dem Verdy übrigens fest überzeugt ist, dass er nicht bloß auf chemisches, sondern auch auf elektrisches Doping vertraute, also auf einen Hilfsmotor in seinem Rad zurückgriff. Er schreibt von Präsidenten von Fußballklubs, wie Jean-Michel Aulas, der ihm zu Beginn das Leben schwer gemacht hat, von Sportlern, die vor den Kontrollen gewarnt wurden, und natürlich von den fehlenden finanziellen Mitteln der Anti-Doping-Bewegung. „Dopage, ma guerre contre les tricheurs“ hilft dabei, Ereignisse aus den vergangenen 15 Jahren besser zu verstehen, und verdeutlicht einmal mehr, wie machtlos die Dopingbekämpfer gegen übergeordnete Interessen aus Politik und Sport sind.

Zu Beginn hatte Verdy überhaupt nicht vor, ein Buch zu schreiben. Er habe einfach die Dinge niederschreiben wollen, die ihn beschäftigten, die er während seiner Zeit in der Dopingbekämpfung erlebt habe. „Ich habe das gebraucht, um mich davon zu befreien“, sagt er heute.

Infos

„Dopage, ma guerre contre les tricheurs“ von Jean-Pierre Verdy

erschienen bei Editions Arthaud, 304 Seiten, 19,90 Euro

J.C. (Steak) Kemp
17. April 2021 - 19.35

@Gronnar: Sie scheinen ja bestens Bescheid zu wissen, aber ist es wirklich nur im Radsport, nicht im Tennis, Fussball, Laufen, Basketball, Boxen, Volleyball, Schwimmen et j'en passe ... Aber Radsport zitiert man so gerne und will damit hervorheben, mein Lieblingssport (xxx) is clean.

de Schmatt
17. April 2021 - 9.59

Richtig, alles nur Spekulatius! Die Wahrheit ist schwer zu ertragen. Eine dreiwöchige Tortour wie die TdF gewinnt man nicht mit Zuckerwasser oder Hoffmannstropfen.

josy miersch junior
12. April 2021 - 14.32

Genau dieselbe Spekulation wie "L'Equipe" ! Das Fazit von einem sehr langen Gespräch mit W.I. und mir beim Mannschaftsbus 2012 in Foix beweist absolut das Frank SCHLECK damals in einem sehr feindlichen Mannschaftsmilieu unterwegs war. Dies kann ich sogar unter Eid noch Heute aussagen ! Es ging vorher nach den erlebten Tatsachen bei der Ankunft in Cap d'Adge um die Leaderrivalität mit Andreas KLÖDEN. Da Frank schon weit abgeschlagen damals schon zuviel Abstand in der TdF aufwies warum überhaupt noch Doping ! Also ganz klar Johann BRUYNEEL kennt die Wahrheit !

de Schmatt
12. April 2021 - 10.15

Die Tour de France wird nicht umsonst als rollende Apotheke bezeicnet. Doping im Sport, Korruption in der Politik, hat es immer schon gegeben und daran wird sich wohl auch kaum je etwas ändern. Betrügen ist menschlich. Klingt zynisch, ist aber so. Leider.

Klaus Ampler
12. April 2021 - 0.38

Und wenn sie nicht gestorben sind, so dopen sie noch heute.

Paul
11. April 2021 - 20.14

Effektik ganz gutt dass Tageblatt ëmmer nees déi Problematik vum Doping am Velo'Sport erfir hiewt. Dat ass am Dingscht vun all eierlëchem Sportler an weist deenen irresponsablen an de facto kriminellen Doping Praktikern dass sie sëch nie daerfen "sëcher" fillen. Bis sie iergendwann hier Fuddlerei zouginn, vleicht.... Gëllt iwregens och fir zweifelhaft an ongeleisten "Fäll" hei am Land.

Clemi
11. April 2021 - 19.22

sehr spannend ... gut dass das T diese sachen immer mal wieder aufgreift!

Jimbo
11. April 2021 - 18.57

Deen mam beschten Dokter gewënnt!

il Pirato
11. April 2021 - 15.39

On ne saura jamais à combien de sportifs ou autres , p.ex. la pose d‘une sonde permettant le changement d‘urine en moins de deux minutes a permis de passer avec félicitations du jury tous leurs contrôles antidopages ? Libre encore de laisser á tout et chacun le choix de se délecter des perfomarmances de professionnels éventuellement dopés ou de se contenter d‘amateurs soi-disant honnêtes ou non. De toute façon les Fausto , Charly , Jâcques , Frank et autres champions sont entrés pour toujours dans l‘HISTOIRE du SPORT .

Gronnar
11. April 2021 - 12.52

Sie dopen ALLE!