Mariya Shkolna und Pit KleinDas Bogenschützenpaar ist gemeinsam stärker

Mariya Shkolna und Pit Klein / Das Bogenschützenpaar ist gemeinsam stärker
Können sich aufeinander verlassen: die Bogenschützen Mariya Shkolna und Pit Klein beim gemeinsamen Training Foto: privat

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Gemeinsam stärker: Vor anderthalb Jahren zog die gebürtige Ukrainerin Mariya Shkolna zur ihrem Lebensgefährten Pit Klein nach Luxemburg. Inzwischen treten beide auf internationaler Bühne für das Großherzogtum an und verfolgen ehrgeizige Ziele.

Auch die Bogenschützen müssen in Zeiten der Corona-Krise erfinderisch werden. Für die beiden Mitglieder des COSL-Elitekaders, Mariya Shkolna und Pit Klein, heißt das Training im eigenen Garten – gut, wenn man sich über ein solches Grün freuen kann. Und so fliegen bei der Familie Klein in diesen Zeiten die Pfeile auf eine 30 Meter entfernt stehende Zielscheibe: „Wir hoffen, in den kommenden Tagen auf eine weitere Trainingsmöglichkeit in einem privaten Feld zurückgreifen zu können, wo wir dann auch die weiteren Distanzen trainieren“, erklärt Pit Klein. „Zudem haben wir noch eine Rudermaschine bestellt, sodass auch die Fitness nicht zu kurz kommt“, fügt Lebensgefährtin Mariya Shkolna hinzu, die selbst auf Personal Training spezialisiert ist und sich über diesen Bereich absolut keine Sorgen macht, wie sie lachend betont.

Eigentlich hätten beide jetzt voll in den Vorbereitungen auf die Freiluftsaison gestanden, bei der für Recurve-Spezialist Klein noch die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Tokio ein Thema gewesen wäre. Shkolna, die auf die Compound-Kategorie – den sogenannten nicht-olympischen Bogen – spezialisiert ist, hatte die World Games im nächsten Jahr in Birmingham/Alabama im Visier. Die Saison ist aber vorerst bis Juli ausgesetzt, Olympia und die World Games um jeweils ein Jahr nach hinten verschoben. Doch vor allem der 23-jährige Klein sieht der Situation inzwischen auch etwas Positives ab: „Ein zusätzliches Jahr an Vorbereitung ist viel und kommt mir momentan doch sehr entgegen. Ich bin überzeugt, dass meine Chancen auf eine mögliche Qualifikation so besser sind.“ Und auch Shkolna genießt es gerade, etwas abschalten zu können: „Ich war in den letzten Jahren so viel unterwegs. Auch jetzt hätten wieder vier Wettbewerbe binnen vier Wochen mit langen Reisen angestanden, da tut es gut, auch einmal auftanken und dann mit neuer Energie weitermachen zu können, vor allem da ich erst vor anderthalb Monaten ins Berufsleben eingestiegen bin.“ So nutzt das Duo die wettkampffreie Zeit gerade auch als Möglichkeit, um neues Material auszuprobieren und an der Technik sowie dem Set-up zu feilen, in einem olympischen Jahr eigentlich sonst undenkbar.

Dabei steht eines fest, der Sportsoldat und die gebürtige Ukrainerin können sich auch in dieser Zeit aufeinander verlassen, ein Vorteil, wenn der eigene Partner die gleiche Sportart auf einem ähnlich professionellen Level ausübt. Dabei musste das Paar bis hierhin erst einmal einige Umwege in Kauf nehmen.

Mariya Shkolna hat das Talent fürs Bogenschießen förmlich in die Wiege gelegt bekommen. Ihr Vater Kostiantyn nahm 1988 für die Sowjetunion an den Sommerspielen in Seoul teil, nach seiner aktiven Karriere blieb er der Sportart als Trainer erhalten: „Er hat seine Coaching-Fähigkeiten an mir getestet“, blickt die 22-Jährige, die in Lwiw nahe der ukrainisch-polnischen Grenze aufgewachsen ist, lachend zurück. Der Erfolg sollte jedenfalls nicht ausbleiben. Mit 13 Jahren begann sie, die Sportart auch auf internationaler Bühne auszuüben und konnte in ihrer Juniorenzeit immer wieder auf sich aufmerksam machen: Der Junioren-Indoor-Weltmeistertitel 2014 in Nîmes sowie Teamgold bei der WM 2015 in Kopenhagen mit der ukrainischen Mannschaft sind zwei Titel, die ihr wohl immer in Erinnerung bleiben werden.

Talent in die Wiege gelegt

Doch mit 17 Jahren verließ Shkolna die Ukraine in Richtung Polen, wo sie sich in Krakau ihrem Studium der Sportwissenschaften und des Personal Training widmete: „In der Ukraine hätte ich das Bogenschießen professioneller ausüben können, wenn ich mich der Sportsektion der Armee zugewandt hätte, doch ich war damals einfach zu jung.“ Zwischenzeitlich verlegte sie ihren Lebens- und Trainingsschwerpunkt dann auch nach Polen, für das sie ebenfalls im Bogenschießen antrat, bis sie vor vier Jahren bei einem internationalen Wettkampf schließlich Pit Klein kennenlernte. Aus Freundschaft wurde Liebe und über mehrere Jahre versuchte sich das Paar in einer Fernbeziehung. Nachdem er seine Grundausbildung bei der Armee abgeschlossen hatte, reiste Klein immer dann in die Ukraine, wenn seine Freundin ebenfalls bei der Familie war und nutzte auch die Gelegenheit, um bei ihrem Vater zu trainieren: „Er besitzt 30 Jahre Erfahrung und konnte mir vor allem mit der Technik weiterhelfen“, erklärt der 23-Jährige.

Vor anderthalb Jahren zog es Shkolna schlussendlich fest nach Luxemburg: „Zuerst einmal musste ich meinen Universitätsabschluss in Polen machen. Dann stellte sich die Frage, ob ich mich dort nach einem Job umschaue oder in Luxemburg. Im Endeffekt fiel die Wahl auf Luxemburg, auch weil es für Pit komplizierter gewesen wäre, nach Polen zu ziehen.“ Seit dem letzten Jahr darf die Compound-Spezialistin schließlich auch auf internationaler Bühne für das Großherzogtum antreten und paukt zurzeit auch fleißig die Landessprache: „Meine Priorität liegt erst einmal auf dem Luxemburgischen, vor allem auch wegen Pits Familie und meiner Teamkollegen, danach werde ich mich an Deutsch versuchen, Französisch ist da schon komplizierter“, meint die 22-Jährige, die zudem fließend Ukrainisch, Russisch, Polnisch und Englisch spricht. In Luxemburg ist sie inzwischen jedenfalls angekommen, hat einen Job gefunden und ist seit Anfang des Jahres Mitglied im Elitekader des Nationalen Olympischen Komitees. „Es ist besonders der multikulturelle Aspekt, den ich hier sehr schätze und auch die Unterstützung, die ich hinsichtlich der Ausübung meines Sports erhalte.“ Auf die Frage, was sie denn besonders in ihrer Heimat vermisst, scherzt Klein: „Den günstigeren Lebensunterhalt“, bevor Shkolna hinzufügt: „Natürlich meine Familie.“ 

Fest steht jedoch, dass das Duo auch in Zukunft gemeinsam von Wettbewerb zu Wettbewerb durch die Welt reisen will. Aufeinander kann man sich jedenfalls verlassen: „Das größte Plus ist, dass man, egal wohin man kommt, sei es ein neues Land oder ein neuer Wettkampf, immer jemanden dabei hat, den man kennt und auf den man sich verlassen kann, das gibt einem das Gefühl von Vertrauen“, erklärt der Sportsoldat. „Ein weiterer Pluspunkt ist aber auch, dass ich jemanden habe, der mein Material bei den Reisen schleppt“, fügt Shkolna lachend hinzu, die darauf verweist, dass es bei ihrer Körpergröße nicht immer so einfach ist, das gesamte Sportgepäck zu tragen. Und so vollzog das Paar auch in Luxemburg gemeinsam einen Vereinswechsel – von Strassen zum Hauptstadtklub Flèche d’Or. „Es gab einige persönliche Konflikte, die es mir schwer machten, meine Sportart mit einem freien Kopf ausüben zu können. Ich brauchte einfach einen Neustart und ich muss sagen, inzwischen trainiere ich wieder besser. Mit weniger Anstrengung bin ich inzwischen wieder viel effektiver. Das hat mir geholfen, wieder mehr Selbstvertrauen zu fassen.“ Shkolna entschloss sich, ihren Partner zu unterstützen und sieht im Wechsel ebenfalls positive Seiten, auch für das luxemburgische Bogenschießen, denn bisher dominierte mit Guillaume Tell Strassen besonders ein Verein auf nationaler Ebene: „Das Durchmischen von verschiedenen Vereinen, vor allem was die stärkeren Schützen betrifft, ermöglicht es meiner Meinung nach, das Bogenschießen in Luxemburg weiter voranzubringen.“ 

Uns so hegt das Paar auch für die Zukunft ehrgeizige Ziele. Für Mariya Shkolna sind das zum einen die World Games, das Karrierehighlight eines jeden Compound-Schützen. Die Nummer 31 der Weltrangliste will zudem in Zukunft bei Weltcups in die Top acht einziehen und zusammen mit Compound-Kollege Gilles Seywert Luxemburg auch im Mixed-Wettbewerb voranbringen, wofür mehrere nationale Rekorde bereits sprechen. Für Pit Klein sind die Olympischen Sommerspiele in Tokio unterdessen weiter ein Thema. 

In Zeiten der Corona-Pandemie kann das Paar auf eine Zielscheibe im eigenen Garten zurückgreifen
In Zeiten der Corona-Pandemie kann das Paar auf eine Zielscheibe im eigenen Garten zurückgreifen Foto: privat
m.r.
15. April 2020 - 12.43

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