Corona-AufbaufondsEU-Kommission will ab 1. Juli Kredite aufnehmen

Corona-Aufbaufonds / EU-Kommission will ab 1. Juli Kredite aufnehmen
EU-Haushaltskommissar Johannes Hahn gibt Erklärungen zum Corona-Aufbauprogramm „Next Generation EU“ Foto: dpa/AP/Pool AFP/John Thys

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Die EU-Kommission stellt Pläne für eine massive Schuldenaufnahme vor. Sie sollen das 750 Milliarden Euro teure Corona-Aufbauprogramm finanzieren. Noch vor einem Jahr wäre dies undenkbar gewesen.

Die EU wird zu einem der wichtigsten Emittenten von in Euro gehandelten Bonds und grünen Anleihen. Dies kündigte Haushaltskommissar Johannes Hahn am Mittwoch in Brüssel an. Zugleich äußerte er sich zuversichtlich, dass der 750 Milliarden Euro schwere Corona-Aufbaufonds, für den die Anleihen platziert werden, pünktlich starten kann – trotz der Klage beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe.

„Ich habe keinen Plan B“, sagte Hahn mit Blick auf den „Hängebeschluss“, den Verfassungsrichter in Deutschland im März verkündet hatten. Dieser Beschluss führt dazu, dass Deutschland bis auf Weiteres kein grünes Licht für die Aufnahme von EU-Schulden geben kann. Neben Deutschland stehen noch neun weitere Länder auf der Bremse. Dies mache ihm jedoch keine Sorgen, so Hahn. Er gehe fest davon aus, dass bis Ende Juni alle 27 EU-Länder den sogenannten Eigenmittelbeschluss ratifizieren, der für den Gang an die Anleihemärkte nötig ist. Die Botschaft sei klar, so Hahn: „Sobald die Kommission rechtlich dazu in der Lage ist, Kredite aufzunehmen, sind wir bereit loszulegen.“ Spätestens am 1. Juli soll es losgehen. Brüssel bricht damit ein Tabu.

Noch vor einem Jahr wäre es undenkbar gewesen, dass sich die EU in großem Stil Geld leiht. Vorschläge für Eurobonds und Corona-Anleihen lagen zwar auf dem Tisch. Doch Deutschland und die „geizigen Vier“ (die Niederlande, Österreich, Schweden und Dänemark) sträubten sich. Das Verschuldungsverbot im EU-Vertrag stehe dagegen, argumentierten sie.

Erst ein deutsch-französischer Kompromiss machte den Weg frei, beim EU-Gipfel im Juli 2020 wurde das schuldenfinanzierte Programm „Next Generation EU“ auf den Weg gebracht. Da hatte die EU-Kommission bereits erste Erfahrungen mit der Schuldenaufnahme gemacht – mit dem Kurzarbeitergeld SURE, das sich als großer Erfolg erwies.

Nun folgt der zweite, entscheidende Schritt. Insgesamt geht es um 800 Milliarden Euro, die die EU-Kommission bis 2026 für den Corona-Aufbaufonds aufnehmen will. Dies führt nach den Plänen der Brüsseler Behörde zu einem Kreditvolumen von rund 150 Milliarden Euro pro Jahr, was die EU zu einem der größten Emittenten in Euro macht. Etwas weniger als ein Drittel davon, nämlich 250 Milliarden Euro, soll in „Green Bonds“ – also grünen Anleihen – begeben werden. Damit will Brüssel umweltverträgliche Technologien fördern und den Umbau zu einer klimaneutralen Wirtschaft vorantreiben. Wie das genau funktionieren soll, ließ Hahn jedoch offen.

Schulden mit neuen Eigenmitteln begleichen

Unklar ist auch, wie die EU die Anleihen zurückzahlen will. Ein fertiges Konzept zur Refinanzierung gibt es nicht; erst Ende Juni will die EU-Kommission erste Vorschläge für neue Eigenmittel, also Steuern und Abgaben, vorlegen. Klar ist nur, dass alle Anleihen bis 2058 zurückgezahlt werden sollen – aus dem EU-Haushalt.

Kritiker fürchten, dass dies zu massiven Kürzungen führen könnte. Die EU werden den Gürtel nach der Corona-Krise enger schnallen und große Ausgabenprogramme kürzen müssen, so die Sorge. Optimisten halten dagegen, dass Brüssel neue Einnahmequellen, etwa die Digitalsteuer oder die seit Jahren diskutierte Finanztransaktionssteuer, erschließen werde. Zudem gibt es die Forderung, die EU dauerhaft durch Schulden zu finanzieren. Dafür treten Frankreich und Italien ein. Die aktuelle Beschlusslage lässt dies jedoch nicht zu. Die „Next Generation EU“ ist auf die Corona-Krise begrenzt und soll danach auslaufen.

Auch Eurobonds für die Länder der Eurozone sind nicht geplant. Die Kommission setzt vielmehr auf „EU-Bonds“ mit Laufzeiten von drei bis 30 Jahren sowie auf „EU-Bills“ mit einer Laufzeit von unter einem Jahr. Der Tabubruch wird mit unverdächtigen Namen getarnt.