DeutschlandBaerbock oder Habeck? Parteivorstand gibt heute die Kanzlerkandidatur bekannt

Deutschland / Baerbock oder Habeck? Parteivorstand gibt heute die Kanzlerkandidatur bekannt
Annalena Baerbock (r.) und Robert Habeck machen die Spitzenkandidatur der Grünen unter sich aus Foto: John MacDougall/AFP

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Sie oder er? Der Bundesvorstand der Grünen gibt an diesem Montag bekannt, ob von den beiden Vorsitzenden Annalena Baerbock oder Robert Habeck als Kanzlerkandidat in den Bundestagswahlkampf zieht. Anders als bei der Union war der Entscheidung keinerlei hörbarer Streit vorausgegangen. Ob das nach der Verkündung auch weiter so bleibt?

An diesem Montag um 11 Uhr will die Partei auf einer Pressekonferenz Geschichte schreiben. Erstmals soll nicht nur ein „Spitzenduo“ für den Bundestagswahlkampf vorgestellt werden, sondern gewissermaßen eine Spitzen-Spitze namens Kanzlerkandidat. Die anhaltend guten Umfragewerte – seit Monaten liegen die Grünen hinter der Union stabil auf Platz zwei – haben dabei für Zugzwang gesorgt. Von Anfang an war klar, dass die Vorsitzenden Baerbock (40) und Habeck (51) die Sache unter sich ausmachen würden. Und kein Grüner muckte dagegen auf, was ziemlich untypisch ist für eine vormals rebellische Partei. Der Berliner Politikwissenschaftler Oskar Niedermayer hat dafür eine Erklärung: „Die Grünen sehen zum ersten Mal in ihrer Geschichte eine wirkliche Machtperspektive nicht nur als Juniorpartner einer Koalition, sondern als stärkste Kraft inklusive Kanzlerschaft.“ Dies wirke „extrem disziplinierend“, sagte Niedermayer am Sonntag unserer Redaktion.

Ein bisschen spannend wollen es die Parteistrategen aber schon noch machen. Wer sich im Vorfeld der Verkündung in einen grünen E-Mail-Verteiler eintrug, soll die Entscheidung bereits ein paar Minuten vor der offiziellen Mitteilung erfahren. Die virtuelle Pressekonferenz werden Baerbock, Habeck und der Bundesgeschäftsführer Micheal Kellner anfänglich gemeinsam bestreiten. Kellner von daheim aus, weil er sich wegen eines Corona-Falls in seinem Umfeld in Quarantäne begeben musste. Den Fragen der Medien wird sich anschließend nur der Kanzlerkandidat stellen.

Lange Zeit galt dafür Habeck als Favorit. Er war mehrere Jahre in der schleswig-holsteinischen Landespolitik und dort auch stellvertretender Ministerpräsident. Derweil ist Baerbock seit acht Jahren Bundestagsabgeordnete und hat dabei immer stärker an Profil gewonnen. Ihr wurden zuletzt die besseren Chancen eingeräumt, weil sie in der Partei sehr gut vernetzt ist und die Grünen den Feminismus besonders hochhalten. Auch bei den Wählersympathien hat Baerbock im Direktvergleich mit Habeck inzwischen knapp die Nase vorn.

Inhaltlich kaum Unterschiede

Am Wochenende wurden beide Spitzengrüne auf regionalen Parteiveranstaltungen mit jeweils nur einer Gegenstimme zu Kandidaten für den Bundestag gekürt. Baerbock auf Platz eins der Brandenburger Landesliste, nachdem sie bereits grüne Direktkandidatin für den Wahlkreis Potsdam geworden war, in dem auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz antritt. Und Habeck als Direktkandidat für den Wahlkreis Flensburg-Schleswig. Auf der Landesliste Schleswig-Holstein hat Habeck den sicheren Platz zwei.

Beide Hoffnungsträger werden damit auf jeden Fall in den nächsten Bundestag einziehen. Darüber hinaus gehören beide dem Realo-Lager ihrer Partei an. Nach Einschätzung Niedermayers macht es daher auch inhaltlich kaum einen Unterschied, ob sie oder er für die Kanzlerschaft ins Rennen geht. „Beide müssen den linken Flügel der Partei einbinden, was sie auch schon getan haben“, erläuterte der Politikexperte. „Trotz aller politischen Mitte-Rhetorik ist das Wahlprogramm der Grünen eindeutig ein linkes Programm, sowohl wirtschaftlich als auch gesellschaftspolitisch. Mehr Staat, Umverteilung, höherer Spitzensteuersatz für Reiche, das ist der Tribut an den linken Parteiflügel.“

Laut Umfragen ist freilich nur eine Minderheit der Auffassung, dass die Grünen wirklich kanzlertauglich sind. „Das kann sich aber noch bis zum Wahltag im Herbst ändern“, glaubt Niedermayer. Mit ihrem Tohuwabohu in der K-Frage macht die Union den Grünen das politische Geschäft zumindest derzeit recht einfach.