SpanienAuf Mallorca gibt es wegen Corona immer mehr Elendsprostitution 

Spanien / Auf Mallorca gibt es wegen Corona immer mehr Elendsprostitution 
Prostituierte unterhalten sich während einer Pause an der Puerta de Sant Antoni in Palma de Mallorca Foto: Mar Granel/dpa

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Die Anwohner können ein Lied davon singen: Schon morgens um neun beginnen die Prostituierten in den Gassen Palma de Mallorcas ihren Dienst. Vor allem rund um den Platz Sant Antoni im Osten der City bieten sich die leicht bekleideten Damen an. Aber auch auf der ringförmigen Allee, welche die historische Altstadt umgibt. Ungeniert stehen sie alleine oder in kleinen Gruppen an Straßenecken oder in Hauseingängen. Einige hocken sogar auf Klappstühlen.

„Sie offerieren ihre Sexdienste ohne irgendwelche Hemmungen, sogar vor den Augen von Kindern und Jugendlichen“, beschweren sich Anwohner in der Inselzeitung „Ultima Hora“. Seit wegen Corona eine nächtliche Ausgangssperre herrscht, die auf Mallorca momentan von zehn Uhr abends bis sechs Uhr morgens gilt, hat sich das Problem der Straßenprostitution noch verschärft. Denn da nachts niemand draußen unterwegs sein darf, ist das Geschäft mit dem Sex nun schon am Tag in vollem Gange.

Die Zahl der Straßendirnen ist in den letzten Monaten immer größer geworden: Die offiziellen Bordelle sind wegen der Epidemie geschlossen, viele der dortigen Sexarbeiterinnen müssen deswegen nun auf dem Boulevard ihre Brötchen verdienen. Zudem treibt die Wirtschaftskrise, die mit dem Virus auf die Urlaubsinsel kam, Hunderte Frauen, die ihren Job verloren, in die Straßenprostitution. Hilfsorganisationen berichten, dass sich bei ihnen vermehrt Prostituierte melden, die bisher als Putzfrauen, Kellnerinnen oder Küchenhelferinnen in Hotels und Gaststätten beschäftigt waren.

Aber das Sexgeschäft in Palmas Altstadt ist in Coronazeiten mühsamer geworden. „Weniger Urlauber, weniger Kunden“, klagen die Frauen, die am Bordstein auf Interessenten warten. Sie stehen sich an vielen Tagen die Beine in den Bauch, weil Freier derzeit Mangelware sind. Die käuflichen Damen – die meisten sind Einwanderinnen aus Lateinamerika, Afrika oder Osteuropa – heißen Vanessa, María, Laila oder Fátima. Doch dies sind nicht ihre richtigen Namen, die sie aus Scham lieber nicht nennen möchten. Viele von ihnen haben Kinder und Familie, die oftmals nichts von der Sextätigkeit wissen.

Der Konkurrenzkampf auf der Straße ist hart. „Man sieht häufig, dass sich zwei oder mehrere dieser Frauen in die Haare kriegen, weil sie sich gegenseitig ihr Revier streitig machen“, berichten Altstadtbewohner, die dieses Treiben vom Fenster oder Balkon aus beobachten. „Auch wenn eine Sexanbieterin einen niedrigeren Tarif verlangt als die anderen, gibt es Ärger.“

10 bis 30 Euro kosten die diversen sexuellen Dienste auf dem Straßenstrich, berichten Kenner der Szene. Bei solchen Low-Cost-Tarifen bleibt nur wenig zum Leben für die Frauen übrig, da die meist noch einen Zuhälter und ein Zimmer bezahlen müssen. „Das ist die Sklaverei des 21. Jahrhunderts“, sagt María Durán, Chefin der Gleichstellungsbehörde in Palma. Sie weist darauf hin, dass die meisten Betroffenen wegen großer sozialer Armut auf dem Strich landen. „Elendsprostitution“ nennen die Helfer dieses Phänomen.

Männer haben Mitschuld

Mallorcas regionale Frauenministerin Pilar Costa gibt den männlichen Kunden eine Mitschuld an der zunehmend erbärmlichen Situation der Sexarbeiterinnen: „Die Prostitution ist eine Form der Macho-Gewalt.“ Viele Männer nutzen die prekäre Lage der Frauen aus. So verlangen zum Beispiel viele Kunden Sex ohne Präservativ und hätten zudem immer abartigere Sonderwünsche, berichten Sozialarbeiterinnen der Hilfsorganisationen Casal Petit und Médicos del Mundo. „Die Forderungen und die Brutalität sind skandalös.“ Außerdem: „Die Männer wollen es immer billiger haben.“

Erst vor einigen Tagen ermöglichte ein Polizeieinsatz in Palma einen kleinen Einblick in die dunkle Welt dieses Sexmarktes: Die Beamten nahmen zwei Menschenhändler in der Altstadt fest, die eine 25-jährige Kolumbianerin mit falschen Versprechungen nach Spanien gelockt und dann in der City auf den Strich geschickt hatten. „Die Arbeitsbedingungen waren unmenschlich“, erklärten die Ermittler. Die Frau habe bis zur Erschöpfung arbeiten und die Hälfte aller Einnahmen abliefern müssen. Mit ihrem Anteil habe sie dann auch noch angebliche „Schulden“ bei ihren Zuhältern abtragen müssen.

Nach Angaben der Behörden sind auf Mallorca und den anderen drei Baleareninseln insgesamt 2.350 Prostituierte registriert. Die Dunkelziffer dürfte allerdings sehr viel höher liegen. Zugleich ergab eine Studie, dass sich durch die Coronapandemie die Armut auf der Urlaubsinsel verdoppelt hat. Ein Umstand, der sich auch in den länger werden „Hungerschlangen“ vor den Suppenküchen der örtlichen Hilfsorganisationen spiegelt. Der Arbeitsminister der Baleareninseln, Iago Negueruela: „Die Auswirkungen der Epidemie auf den Inseln sind brutal.“