Covid-Kids-Studie (Teil 1)Wieso viele Kinder unzufrieden mit dem Homeschooling waren 

Covid-Kids-Studie (Teil 1) / Wieso viele Kinder unzufrieden mit dem Homeschooling waren 
Die Studie „Covid-Kids“ analysiert unter anderem die Situation des Homeschoolings im Lockdown Foto: dpa/Karl-Josef Hildenbrand

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Die Uni.lu-Studie „Covid-Kids“ hat die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf Kinder und Jugendliche analysiert und nun erste Resultate vorgestellt. Im Zentrum der Studie stehen das Wohlbefinden der Kinder im Alltag mit Covid-19 sowie die Frage, welchen Einfluss dies auf die Schulen und das Lernen hat. In einem ersten Teil berichten uns drei Forscher, die am Projekt beteiligt sind, über die Ergebnisse zum Thema „Erziehung“ in der Pandemie.

Welche Auswirkungen hat die Corona-Krise auf Kinder und Jugendliche? Was denken sie? Was sind ihre größten Ängste und Wünsche? Wie haben sie das Homeschooling erlebt? Was hat nicht so gut geklappt? Die Antworten auf diese und andere Fragen sind Gegenstand der Studie „Covid-Kids“ der Uni Luxemburg. Drei Forscher, die das Projekt initiiert haben, stellen dem Tageblatt die ersten Resultate zum Thema Lernen zu Hause vor. Projektleiterin Claudine Kirsch (Universität Luxemburg) ist zuständig für den Bereich Erziehung, Pascale Engel de Abreu (Universität Luxemburg) für den Bereich Psychologie und der Kindheitsforscher Sascha Neumann (Universität Tübingen) für die soziologischen Aspekte.

Wie es den Kindern im Lockdown erging, hatte bis dahin kaum jemand in Luxemburg oder in anderen Ländern erfragt. Es wurde viel über die Kinder gesprochen, aber ihnen selbst wurde keine Stimme gegeben. Dies wollten die Forscher ändern. Die Schulen waren geschlossen, Kinder und Jugendliche mussten den ganzen Tag zu Hause hocken, Homeschooling stand auf der Tagesordnung und die sozialen Kontakte der jungen Menschen waren eingefroren. 

Vom 6. Mai bis zum 16. Juli 2020 füllten über 700 Kinder und Jugendliche zwischen 6 und 16 Jahren den Fragebogen aus. 680 Bögen konnten ausgewertet werden. Da zu der Zeit der Lockdown bereits in vollem Gange war, konnten die Forscher nur auf eine Methode zur Datenerhebung zurückgreifen: die Online-Befragung. „Eine wissenschaftliche Online-Befragung mit Kindern in diesem jungen Alter wurde bislang noch kaum durchgeführt“, sagt Neumann. Deshalb musste man die Fragen so auswählen, dass die Kinder auch wirklich darauf antworten konnten. Daneben wurden per Stream auch Interviews von der Projektleiterin mit den Kindern geführt.

Die Forscher gestehen ein, dass die Methode der Online-Befragung natürlich voraussetzt, dass die Teilnehmer über einen Computer und Internetzugang verfügen. Auch war klar, dass Menschen mit einem höheren sozioökonomischen Status eher an solchen Umfragen teilnehmen. Deren Anteil lag bei 77 Prozent. Der sozioökonomische Status wurde hier unter anderem anhand der Berufe der Eltern ermittelt. 

Zufriedenheit der Kinder ist stark gesunken

Neumann weist darauf hin, dass die Studie eine international vergleichende Perspektive hat. So könne man im Nachhinein die Situation in Luxemburg zu der in anderen Ländern ins Verhältnis setzen. Zu dem Zeitpunkt, als die Studie durchgeführt wurde, waren verschiedene Länder in unterschiedlichen Phasen des Lockdowns. Auch innerhalb Luxemburgs gab es Unterschiede. So waren Anfang Mai die ersten Schüler der Lyzeen wieder in der Schule, aber nur die Hälfte – Stichwort Splitting. Die Grundschüler hatten ihre „Rentrée“ etwas später und waren immer noch im Homeschooling. Neben Kindern aus Luxemburg nahmen auch etwa 2.300 aus Deutschland, der Schweiz, Österreich, Brasilien und anderen Ländern teil. Nun konzentriere man sich aber auf den luxemburgischen Teil.

Eine der zentralen Fragen war: Wie zufrieden bist du mit deinem Leben? 96 Prozent der Kinder sagten, dass sie vor der Pandemie zufrieden bis sehr zufrieden mit ihrem Leben waren. Neumann erklärt: „96 Prozent mag für uns Erwachsene sehr hoch klingen. Aber ein solch hoher Zufriedenheitswert ist bei Kindern aus reicheren Länder nicht unüblich.“ Die Kinder wurden demnach während der Pandemie gefragt und sollten hier angeben, wie sie sich davor gefühlt haben. Allerdings sagten nur 67 Prozent, dass sie auch während der Corona-Krise zufrieden sind. „Dieser Unterschied ist statistisch signifikant“ erweitert Engel. „Die Zufriedenheit der Kinder mit dem Leben hat also signifikant abgenommen“, schlussfolgert Kirsch. Sie erinnert daran, dass es sich hier größtenteils um Kinder mit einem höheren sozioökonomischen Status handelt. Die 67 Prozent seien allerdings ein Wert, der so niedrig ist, dass er klar den negativen Impact der Pandemie auf das Wohlbefinden zeigt.

Mehrere Faktoren haben das Wohlbefinden der Kinder in den Keller gedrückt (mehr dazu im zweitenTeil). Zwei dieser Faktoren haben direkt etwas mit der Schule zu tun. Das sind einerseits die Schwierigkeit und die Quantität der Aufgaben, die im Homeschooling gemacht wurden, und andererseits der Inhalt dieser Aufgaben.

Kirsch setzt die Situation der Kinder in den Kontext. Um welche Kinder handelt es sich bei dieser Umfrage? Die meisten Eltern der befragten sind sehr gut ausgebildet und arbeiten beispielsweise als Ärzte, Anwälte oder Lehrer. Die Mehrheit der Kinder und Jugendlichen sagen über sich selbst, dass sie gut oder ganz gut in der Schule sind. Und es ist ihnen zudem wichtig, dass sie gute Leistungen in der Schule haben. Es sind also nicht zwingend gute Schüler, aber sie selber stufen sich als solche ein, sagt Kirsch.

Kinder hatten Probleme beim Verständnis

Die Schüler, hauptsächlich die aus der Sekundarschule, sind auch meistens gut mit Material ausgestattet. Sie haben ein Handy und viele auch einen Computer oder nutzen den ihrer Eltern. Auch verfügen die Schüler zu Hause in den meisten Fällen über einen Raum, in dem sie ungestört lernen können. Viele Voraussetzungen für ein gutes Homeschooling sollten also gegeben sein. Dazu gehört aber auch die Frage, wer den Kindern zu Hause bei den Aufgaben hilft. Die Umfrage hat hier ergeben, dass in 60 Prozent der Familien mindestens ein Elternteil zu Hause im Home-Office gearbeitet hat. Die Eltern halfen den Kindern und den Jugendlichen, wenn auch Ersteren mehr.

Claudine Kirsch leitet das Projekt an der Uni.lu und analysiert insbesondere den Bereich der Erziehung
Claudine Kirsch leitet das Projekt an der Uni.lu und analysiert insbesondere den Bereich der Erziehung Foto: Uni.lu

Vor der Pandemie waren 80 Prozent der Schüler zufrieden oder sehr zufrieden mit der Schule. In der Pandemie hat die Unzufriedenheit mit der Schule stark zugenommen. Die Forscher stellen nun die Frage, wieso diese Unzufriedenheit so stark zunimmt. Die Kinder haben doch ausreichend Material und in den meisten Fällen auch mindestens einen Erwachsenen, der ihnen helfen kann. Nun kommen folgende Fragen ins Spiel: Waren die Aufgaben, die sie im Homeschooling bekommen haben, vielleicht zu schwierig? Haben die Schüler den Eindruck, dass sie zu viele Aufgaben bekommen haben? Auf die erste Frage antworten 80 Prozent der Sekundar- und 90 Prozent der Grundschüler, dass die Aufgaben fast nie oder nur ein wenig zu schwer waren. Etwas weiter im Fragebogen wird diese Frage etwas spezifischer gestellt: „Kommst du mit den Aufgaben im Homeschooling gut klar?“ Darauf fielen die Antworten dann nicht mehr so positiv aus. In der Grundschule sagen 63 Prozent, dass sie sehr gut klarkommen, in Sekundarstufen nur noch 44 Prozent.

Für Kirsch ist diese Auswertung bedenklich. „Wenn dieser Prozentsatz an Kindern mit den Aufgaben klarkommt, dann kommt der restliche Prozentsatz nicht gut klar damit. Und dies bei Teilnehmern der Umfrage, die eigentlich von sich behaupten, gute Schüler zu sein.“ Wie erging es den Kindern, die einen niedrigeren sozioökonomischen Status haben, sich nicht als gute Schüler bezeichnen und die nicht an der Studie teilgenommen haben, fragt Kirsch.

Kinder finden die Aufgaben, die ihnen zugetragen wurden, nicht sonderlich interessant

Dr. Claudine Kirsch, Wissenschaftlerin

Wo liegt denn nun das Problem? Aus der Umfrage ergibt sich, dass ein Drittel der Kinder aus der Sekundarschule angeben, sehr oft bis oft Problemen beim Verständnis der Aufgaben begegnet zu sein. In der Schule hätten sie wohl eher die Möglichkeit gehabt, nachzufragen. Im Homeschooling ist das anders, sagt Kirsch.

Aufgaben haben Schüler nicht sonderlich motiviert

Eine andere Frage war, wie interessant oder sinnvoll die Aufgaben waren. Auch dies nennen die Forscher einen Faktor, der zum Wohlbefinden beiträgt. Die Kinder reagieren auf diese Frage eher neutral. „Das Interesse packt sie nicht wirklich“, sagt Kirsch. Die Kinder gaben an, oft Arbeitsblätter auszufüllen, viel zu lesen und eher selten etwas eigenständig zu recherchieren oder kreativ zu produzieren. „Kinder finden die Aufgaben, die ihnen zugetragen wurden, nicht sonderlich interessant“, fasst Kirsch zusammen. Demnach seien sie auch vielleicht nicht sonderlich motiviert, viel zu arbeiten.

Ein anderer Aspekt ist die Quantität der Aufgaben. 50 Prozent der Schüler im „Secondaire“ sagen: Es ist zu viel. Zu beachten ist hierbei, dass nicht nur ein Drittel der Jugendlichen angaben, oft oder sehr oft Schwierigkeiten beim Verstäändnis der Aufgabe zu haben, sondern auch ein Viertel der Grundschüler und die Hälfte der Sekundarschüler sagen, dass das Pensum zu hoch sei. „Wenn wir aber schauen, wie viele Stunden sie arbeiten, dann kommen die Grundschüler auf drei Stunden am Tag. Das sind 15 Stunden die Woche statt 25 in der Schule. Sekundarschüler arbeiten vier Stunden am Tag.“ Wenn man dann noch die Hausaufgaben dazuzählt, die in der regulären Schulzeit anfallen, dann sieht man, dass das nicht mehr viel ist, sagt Kirsch.

„Das sind natürlich alles subjektive Evaluierungen, die die Kinder selber gemacht haben“, gibt Engel zu bedenken. „Es gibt uns aber einen Anhaltspunkt.“ Am 1. April habe das Bildungsministerium aufgrund einer Befragung bei den Eltern die Zahl von durchschnittlich 3,6 Stunden Unterricht im Homeschooling gemeldet. Dies decke sich mit den Durchschnittszahlen bei der „Covid-Kids“-Studie, sagt Neumann.

Frappant seien allerdings die Unterschiede bei den Schülern. Es gibt Kinder, die arbeiten gar nicht bis eine Stunde lang am Tag, andere hingegen zehn Stunden täglich. Diesen Zahlen müsse man Beachtung schenken, insbesondere im Hinblick auf die Bildungsungerechtigkeit. „Es ist klar, dass zwischen jemandem, der während drei Monaten nichts arbeitet, und dem, der schulischen Aufgaben acht Stunden pro Tag während dieser Zeit widnet, ein ganz anderes Resultat entsteht.“ Wieso arbeiten die Kinder nicht mehr?

Potenzial von „Teams“ nicht ausgeschöpft

Nun kann Folgendes vermutet werden: Wäre der sozioökonomische Status bei dieser Studie nicht so hoch, sondern eher so wie jener in der Gesamtbevölkerung, dann wären die Ungleichheiten noch viel größer. Kirsch sagt dazu: „Wir werden das demnächst vergleichen, und zwar anhand einer ‚sub-study’, bei der wir 40 Kinder aus den niedrigen Kategorien und 40 aus den höheren nehmen und feststellen, wo es Unterschiede gibt.“

Wissenschaftlerin Pascale Engel ist für den Bereich Psychologie zuständig
Wissenschaftlerin Pascale Engel ist für den Bereich Psychologie zuständig Foto: Editpress/Julien Garroy

Wer hilft den Kindern? Da kommt der Lehrer ins Spiel. „Wir haben gefragt, wie oft die Kinder im Kontakt mit dem Lehrer waren“, berichtet Kirsch. Zwischen Grund- und Sekundarschule gibt es einen sehr großen Unterschied. Grundschüler sind nicht so regelmäßig im Kontakt mit dem Lehrer, vielleicht ein bis zweimal in der Woche. Im „Secondaire“ sind es aber drei- bis viermal. Ein Drittel der Schüler im „Secondaire“ sagen, dass sie sogar jeden Tag mit dem Lehrpersonal im Kontakt stehen. Andere nur dreimal in der Woche.

Obwohl man davon ausgeht, dass mit Covid-19 ein Digitalisierungsschub in der Gesellschaft und in den Schulen stattfand, wurden diese Plattformen nicht so genutzt, wie man es hätte tun können

Prof. Dr. Sascha Neumann, Wissenschaftler

Vieles lief im Homeschooling über digitale Plattformen, zum Beispiel über das Microsoft-Programm „Teams“. Man brauche das Digitale wohl immer noch. Kirsch verweist auf die Quarantänen bei den Schülern durch die vielen häufigen positiven Fälle sowie auf die vulnerablen Schüler, die yu Hause unterrichtet werden. Bei uns sowie in anderen Ländern wurden digitale Plattformen sehr häufig eingesetzt. Viele Studien im Ausland zeigen, dass dqs Potenzial dieser Plattformen allerdings nicht ausgeschöpft wurde, sondern sie in den meisten Fällen zum Versenden von Aufgaben benutzt wurden. Online-Teaching gab es eher selten. Dabei können solche Medien die Interaktion zwischen Lehrern und Schülern sowie zwischen den Schülern gewährleisten. Dieses Soziale sei besonders wichtig betont Kirsch. Lernen ist ein sozialer Prozess und es ist wichtig, dass Kinder eine Lernumgebung haben, in der sie sich wohlfühlen. Wenn sie nicht in die Schule gehen können, dann brauchen sie diesen persönlichen Kontakt umso mehr.

Brauchen das Digitale mehr denn je

„Obwohl man davon ausgeht, dass mit Covid-19 ein Digitalisierungsschub in der Gesellschaft und in den Schulen stattfand, wurden die technischen Möglichkeiten nicht so genutzt, wie man es hätte tun können”, schlussfolgert Neumann. 2Das wurde teilweise verschlafen.” Die Wissenschaftler glauben nicht, dass das die Schuld der Lehrer ist. Das ganze Bildungssystem hat eigentlich nur darauf gewartet, dass die Schulen wieder aufgehen, um wieder zum Präsenzunterricht zurückzukehren. „Daher hat man versäumt, in der Zeit seit dem Lockdown das digitale Teaching weiterzuentwickeln.“

Ein Fazit, das die Forscher aus der Studie ziehen können, ist, dass die Kinder und ihr Wohlbefinden zu kurz kamen. Die Schule ist eine soziale Institution, wo Freundschaften geschlossen werden. Werden die Schulen zugemacht, heißt das nicht nur kein Unterricht für die Kinder, sondern auch viel weniger soziale Kontakte und Interaktionen. 

„Die Studie wirft viele Fragen auf. Die Kinder haben sich geäußert und wir kennen ihre Perspektive. Wir können das nun weiterentwickeln“, sagt Kirsch. Die Forscher sind sich einig: In der Schule geht es nicht nur um Lehren und Lernen, sondern um vielschichtige und wertvolle Interaktionen, die wichtig für die Entwicklung der Kinder und Jugendlichen sind. Kinder und Jugendliche sind nicht „einfach nur“ Schüler und ihr Wohlbefinden darf nicht vergessen werden. 

Das Projekt „Covid-Kids“: Zwei Teile

Das Projekt „Covid-Kids“ besteht eigentlich aus zwei verschiedenen Studien. Die Daten werden in den beiden Teilen mit einer unterschiedlichen Herangehensweise analysiert. Im ersten Teil steht das Schulische im Vordergrund. Dort geht es darum, wie die Kinder und Jugendlichen das Homeschooling erlebt haben. Was haben die Kinder zu Hause gemacht? Wie hat das funktioniert? In Teil zwei zum Thema Wohlbefinden geht es nicht vorrangig um die Schule. Da lauten die Fragen: Wie geht es den Kindern? Was sind die Risiko-Faktoren? Was ist, wenn nun noch mal ein Lockdown kommt? Welche Kinder hätten ein höheres Risiko, weniger gut mit der Situation klarzukommen?

Stiechderdmaskhannen
24. Oktober 2020 - 19.14

Also wann ech meng Kanner Moies op de Bus brengen gesinn ech keng Panik ausbriechen. Weder bei mengen Kanner nach bei deenen aus der Noperschaft.

Charel Hild
24. Oktober 2020 - 12.34

Also ech hunn den Androck dat eng ganz grouss Majoritéit vun de Jugendlechen extrem zefridde war mat dem Homeschooling. A ganz vill Eltere giiffen dat de Moment och nees wënschen. Ech giff meng Kanner haut net an d'Schoul goe loossen. Et muss ee sech dach näischt siche goen.