1. MaiOGBL feiert und mahnt: „Wir wollen gehört werden“

1. Mai / OGBL feiert und mahnt: „Wir wollen gehört werden“
OGBL-Präsidentin Nora Back bei der traditionellen 1.-Mai-Rede in Neumünster  Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Jetzt weiterlesen! !

Für 0,59 € können Sie diesen Artikel erwerben.

Sie sind bereits Kunde?

Der OGBL feiert sich nach erfolgreichen Wahlen in der Abtei Neumünster selbst. Gewerkschaftspräsidentin Nora Back richtet in ihrer traditionellen 1.-Mai-Rede mahnende Worte in Richtung CSV und DP.

Erfolgreiche Sozialwahlen, in Hundertschaften erschienene rote Shirts und Warnwesten, und Sonnenschein in der Abtei Neumünster: Anlass für gute Laune beim OGBL gab es am 1. Mai reichlich. „Es ist kein normaler 1. Mai“, rief OGBL-Präsidentin Nora Back dem roten Meer an Sympathisanten vor der Bühne in der Abtei Neumünster zu. „Der OGBL bleibt die erste Gewerkschaft im Land.“ Damit habe die Gewerkschaft sich Widerständen zum Trotz behauptet, was nicht jedem gefallen würde. Gegner der Gewerkschaftsbewegung hätten gehofft, dass der OGBL geschwächt werde, an politischem Einfluss verliere oder ganz von der Bildfläche verschwinden würde. „Das Gegenteil ist eingetreten: Wir sind so stark wie noch nie.“

Die Regierung darf nicht den Fehler machen, den Sozialdialog als eine formale Veranstaltung abzutun

Harte Zeiten stünden hinter der Gewerkschaft. „Wir haben in der Tripartite gestritten, um die Kaufkraft zu erhalten“, sagte Back mit Verweis auf den Index. Vor kurzem haben Streiks bei Cargolux und Ampacet stattgefunden. „Weil wir noch in der Lernphase einiger Minister sind, sage ich es diplomatisch vorsichtig und pädagogisch vermittelbar“, sagte Back. „Die Regierung darf nicht den Fehler machen, den Sozialdialog als eine formale Veranstaltung abzutun.“ Schließlich hätten bei einer Wahl mit mehr als 200.000 Wahlteilnehmern 61 Prozent für den OGBL gestimmt. „Das ist ein Ausdruck politischer Partizipation, die nicht ignoriert werden kann.“ Es brauche seriöse politische Verhandlungen.

Der OGBL fordert deswegen eine direkte Teilhabe an politischen Verhandlungen. „Renten, Arbeitsrecht, Wohnungskrise, Steuerreform, Sozialstaat, Gesundheitswesen, Bildungswesen, Lohn- und Klimapolitik: Wir wollen direkt beteiligt werden“, sagte die Gewerkschaftspräsidentin. „Unsere Stimme zählt und wird nicht ignoriert werden.“

Austerität als Nährboden für Rechtsextremismus

Vor dem Hintergrund der Europawahlen und dem Erstarken rechter und rechtsextremer Parteien in Europa prangerte Nora Back den Rückgriff auf Austeritätspolitik quer durch Europa an. „Das ist der Nährboden konservativ-reaktionärer, rechtsextremer und faschistischer Parteien“, rief Back den OGBL-Sympathisanten zu. Es drohe eine Situation, wie es sie seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben hat. Es liege an den progressiven Kräften – und dazu zählten auch die Gewerkschaften –, sich dem entgegenzustellen.

Wie es in einem Wahljahr nicht anders sein könnte, haben auch zahlreiche Politiker den Weg in die Abtei Neumünster gefunden. François Bausch, Djuna Bernard, Fabricio Costa („déi gréng“), Tom Jungen, Francine Closener, Marc Angel, Dan Biancalana, Dan Kersch, Taina Bofferding, Franz Fayot (LSAP), David Wagner, Marc Baum, Carole Thoma, Gary Diederich, André Marques („déi Lénk“), Frank Engel (Fokus) ließen sich ganz vorne an der Bühne blicken, um den Worten der OGBL-Präsidentin zu lauschen. Und diese richtete eine direkte Aufforderung an die Politik. „Vieles, was auf europäischer Ebene entschieden wird, hat einen direkten Einfluss auf unsere Arbeits- und Lebensumstände“, sagte die Gewerkschafterin. „Die Parteien, die Europa in eine Festung verwandeln wollen und uns eine Austeritätspolitik auferlegen wollen, sind keine Alternative.“

Dazu zähle auch, Unternehmen Steuererleichterungen zu versprechen, wie CSV und DP nun machen. „Wir brauchen nicht noch weitere Steuergeschenke für Unternehmen“, sagte Back. Das habe die Vorgängerregierung aus DP-LSAP-„déi gréng“ bereits zweimal getan. „Das Patronat verlangt seine Dividenden von den Arbeitgeberparteien – und die Regierung gibt klein bei.“ Es müsse, im Gegenteil, endlich eine Steuerreform für Privatpersonen vorgelegt werden, wie sie seit Jahren versprochen werde.

Der Editpress-Stand in der Abtei Neumünster mit Editpress-Direktorin Michelle Cloos (2 v.r.) und Tageblatt-Chefredakteur Armand Back (r.)
Der Editpress-Stand in der Abtei Neumünster mit Editpress-Direktorin Michelle Cloos (2 v.r.) und Tageblatt-Chefredakteur Armand Back (r.) Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Bereit für den Arbeitskampf

Der OGBL stellt sich dann auch auf weitere Kämpfe um den Index ein. „Wenn die Regierung auf die Idee komen sollte, ein Jota am Indexgesetz ändern zu wollen, werden wir uns wieder dagegen erheben“, sagte Nora Back. Die zahlreichen Streiks und sozialen Kämpfe im Ausland würden zeigen, was passieren würde, wenn der Index nicht existieren würde. „Der Index verhindert, dass die Reallöhne unter die Räder kommen.“  Wichtiger sei es endlich, das Kollektivvertragswesen an die heutige Zeit anzupassen. Dabei sei eine Anpassung der Gesetzeslage dringend nötig, um die entsprechende EU-Direktive umsetzen zu können, die eine Abdeckung von 80 Prozent der Arbeitnehmerschaft durch einen Kollektivvertrag fordert. Die Regierung müsse dringend handeln – und das im Dialog mit dem OGBL.

Sie bezeichnen sich als Milchkuh des Landes. Dann wird es höchste Zeit, dass diese Milch auch verteilt wird.

Im Bankenwesen werde wieder ein sektorieller Kollektivvertrag ausgehandelt. Die Verhandlungen aber würden sich als schwierig erweisen. „Für wie dumm halten die uns?“, rief Back den OGBL-Anhängern im Innenhof der Abtei Neumünster zu. Lohnerhöhungen seien laut Bankenvertretern trotz einer guten finanziellen Lage im Sektor nicht möglich. Und unter frenetischem Jubel: „Sie bezeichnen sich als Milchkuh des Landes. Dann wird es höchste Zeit, dass diese Milch auch verteilt wird.“ 

Nora Back hat dann auch angekündigt, dass der OBGL bei einer Verschlechterung des Arbeitsrechtes auf gewerkschaftliche Aktionen zurückgreifen werde. Gerade in puncto Arbeitszeiten sei es inakzeptabel, dass man wieder mehr statt weniger arbeiten müsse. „Arbeit darf nicht krank machen“, sagte Back. „Wir brauchen sichere Arbeitsbedingungen und gute Löhne für diese und alle nachfolgenden Generationen.“

Zahlreiche Sympathisanten trafen sich bei gutem Wetter in der Abtei Neumünster
Zahlreiche Sympathisanten trafen sich bei gutem Wetter in der Abtei Neumünster Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

Angriff auf das Rentensystem: nichts als Hirngespinste

Neben Reform-Aufforderungen an Arbeitsminister Georges Mischo (CSV) zeigte sich Back ob der Aussagen von Martine Deprez, Ministerin für soziale Sicherheit, über das Rentensystem höchst irritiert. „Wenn diese Voraussagen immer eingetroffen wären, wären wir schon längst in eine Rentenmauer gerannt“, sagt Back. Der Ausverkauf des Luxemburger Rentensystems an private Versicherer oder die Erhöhung des Rentenalters gekoppelt an eine kleinere Rente seien alles Hirngespinste, die einem laut OGBL das Fürchten lehren müssten. „Wer sich am Rentensystem vergreift, öffnet die Tür für eine soziale Spaltung der Gesellschaft.“

Es ist inakzeptabel, dass auf beiden Seiten radikalisierte Elemente friedliche Entwicklungen unmöglich machen

Nora Back, OGBL-Präsidentin, zum Krieg im Gazastreifen

Neben den traditionellen sozial- und arbeitspolitischen Themen ging die OGBL-Präsidentin aber auch auf die geopolitische Lage in der Ukraine und in Nahost ein. „Die Gewerkschaften verurteilen jede Art der militärischen Aggression.“ Was Russland in der Ukraine mache, sei hochkriminell und durch nichts zu entschuldigen. „Wir verurteilen aufs Schärfste die Kriegsverbrechen am ukrainischen Volk.“ Auch forderte Nora Back eine Waffenruhe im Nahen Osten, die direkte Befreiung aller Geiseln und humanitäre Hilfe für die Palästinenser. „Es ist inakzeptabel, dass auf beiden Seiten radikalisierte Elemente friedliche Entwicklungen unmöglich machen.“ 

JJ
1. Mai 2024 - 14.31

Der Sprung der Dame in die Politik ist nur noch eine Frage der Zeit. Ob dann die Liebe zu den "Arbeitern" noch immer brennt ist dahingestellt. Alles fließt.