EditorialBegrenzte Wirksamkeit von Videoüberwachung

Editorial / Begrenzte Wirksamkeit von Videoüberwachung
Kameras lösen nicht die Probleme Foto: Editpress/Hervé Montaigu

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Im Film „Aux yeux de tous“ aus dem Jahr 2012 gelingt es einem Hacker, mithilfe von Videoaufzeichnungen von öffentlichen Überwachungskameras ein Attentat aufzuklären. Liest man den am vorigen Freitag vorgestellten Bericht zur Wirksamkeit der Videoüberwachung in der Hauptstadt (hier zum Download als PDF), stellt man fest, dass Luxemburg meilenweit von einer solchen Effizienz entfernt ist. Kritiker werden sagen: „Zum Glück!“

Im hauptstädtischen Gemeinderat streiten seit Monaten der Schöffenrat und die Opposition über Sicherheitspolitik. Die Debatte dürfte nun wieder neue Nahrung erhalten haben. Denn die vom damaligen Polizeiminister François Bausch 2019 in Auftrag gegebene Studie liefert sowohl den Verfechtern der Kameraüberwachung wie Kritikern Argumente.

Eine der Schlussfolgerungen des von der „Inspection générale de la police“ (IGP) erstellten Berichts lautet, das System funktioniere nicht, wie es soll, weil seine Möglichkeiten u.a. wegen Personalmangels nicht voll ausgenutzt würden. Also weiter ausbauen? Doch durch die Kameras werden die Probleme nur verlagert, und dann beginnt das ganze Spiel anderswo wieder von vorne.

Die durchgeführte Studie stellt zudem fest, dass die Überwachungsbilder nur in etwa 30-40 Fällen jährlich zur Aufklärung von Delikten beitragen und es dabei nur in den wenigsten Fällen um Drogendelikte geht. Ein wohl gewichtiges Argument gegen eine Ausweitung des Systems auf Bonneweg, da vor allem die Drogenproblematik und die damit verbundene Unsicherheit oft als Alibi für eine verstärkte Sicherheitspolitik herhalten müssen. Bei den meisten „gelösten“ Fällen habe es sich um Schlägereien gehandelt.

Bezüglich der Unsicherheit, die viele Anwohner immer wieder zum Ausdruck gebracht haben, ist der Bericht noch viel deutlicher: Für einen großen Teil der im Rahmen der Studie Befragten sind eine gute Straßenbeleuchtung, Sauberkeit und die Präsenz anderer Leute ausschlaggebender für ihr Sicherheitsgefühl. „La vidéosurveillance n’est pas perçue comme un outil essentiel pour dissiper leurs craintes“, heißt es im Bericht. Eine Ausweitung des Konzepts auf Bonneweg sieht die Studie kritisch: Das könnte sich als kontraproduktiv für die dortigen sozialen Maßnahmen erweisen.

Noch erstaunlicher ist die Feststellung vonseiten der IGP, dass die Videoüberwachung keinen allgemeinen präventiven Nutzen habe. Eine Studie aus dem Jahr 2011 kam zur genau entgegengesetzten Schlussfolgerung: „Die Videoüberwachung hat sich in den drei Sicherheitszonen in der Stadt Luxemburg durchgängig bewährt“, hieß es damals.

Die IGP scheint sich der begrenzten Möglichkeiten der Videoüberwachung bewusst zu sein und schreibt, die Probleme im Bahnhofsviertel hätten soziologische Gründe. Mit Sicherheitsmaßnahmen allein löse man keine Unsicherheitsprobleme; benötigt würden soziale Maßnahmen. Dann fügen die Autoren einen bemerkenswerten Satz hinzu: Die Drogenpolitik habe einen großen Einfluss auf das Verhalten der Abhängigen. Man kann den Satz als Randbemerkung durchwinken, oder aber man sieht ihn als zaghafte Kritik an einer insgesamt gescheiterten Drogenpolitik. Dämmert es hier etwa einigen Leuten, dass Repression rein gar nichts bringt? Es bleibt zu hoffen, dass sich diese Erkenntnis auch auf anderen Ebenen durchsetzt.

Ohne eine Aufwertung des Viertels durch kulturelle Angebote (im weitesten Sinne) wird das Bahnhofsviertel bald zur „no-go area“. Geschäfte und Büros, die ab 18.00 Uhr menschenleer sind, füllen ein Viertel nicht mit Leben. Kinos wie Eldorado, Europe, Marivaux oder das Pub 13 leisteten früher vielleicht mehr präventive Hilfe, als es Kameras heute tun.

Realist
19. März 2021 - 7.54

Kamera'en sinn super. Do kënnen d'Enkelkanner nach a 50 Joer op Youtube kucken, wéi de Bopa deemols iwwerfall gouf. En anere Notzen erschléisst sech mer net.

tanner
16. März 2021 - 15.14

Wa keen op d'Bildschiermer kuckt, da geschitt och näischt. Mir hunn och e code de la route, deen d'Parken op der lénker Säit oder um Trottoir verbitt. Trotzdeem parken 100.000 Autoen all Dag op der falscher Säit an um Trottoir, kee Flic wäit a breet. Wéi mer vum Luuchteradar gewuer gi sinn, all Dag fueren iwwer 50 Leit duerch Rout, bei enger eenzeger Luucht.

De klenge Frechdachs
16. März 2021 - 8.37

"die Probleme im Bahnhofsviertel hätten soziologische Gründe". Ganz genau. Wéi och aner Problemer di mir hunn (Educatioun, Immobiliepräiser, Verkéier), ass d'Äntwert ni einfach. E Radar geet net duer, Verkéiersproblematik an de Grëff ze kréien, de Chauffeur muss sech och änneren). Eng Kamera geet net duer, fir méi Sécherheet, fir d'Personalproblemer an der Police ze léisen. Ier een sech Gedanke mëcht, wéi een en Täter fänkt, soll een sech mol iwwerleeë fir dass et iwwerhaapt net dozou kënnt. E soliden Aarbechtsmarché, gutt Educatioun, Opfankstrukturen, realistesch Wunnengspräisser a Sozialaarbechter um Terrain wiere mol en Ufank.