Mittwoch5. November 2025

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Orban spaltet EU-Parlament

Orban spaltet EU-Parlament
(dpa)

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Ungarns Regierung hat sich dem wachsenden Druck der Europäischen Union im Streit über Verstöße gegen EU-Recht ein Stück weit gebeugt.

Ministerpräsident Viktor Orban erklärte sich am Mittwoch im Europäischen Parlament in Straßburg dazu bereit, über die umstrittenen Gesetze zur Zentralbank, dem Datenschutz und Justizwesen mit der EU-Kommission zu verhandeln. „Die Probleme können leicht und rasch gelöst werden“, sagte er. Die Regierung in Budapest muss nach Eröffnung von Verfahren wegen des Verstoßes gegen EU-Recht binnen eines Monats erklären, wie sie die beanstandeten Gesetze in Einklang mit europäischem Recht bringt. Andernfalls droht ein langwieriger Rechtsstreit, und Ungarn kommt nicht an erhoffte Milliarden-Kredithilfen von EU und Internationalem Währungsfonds.

Nach Befürchtung der EU ist die Unabhängigkeit der Zentralbank, der Datenschutzbehörde und im Justizbereich nicht vor staatlichem Einfluss gesichert. So lange die Zentralbank aber nicht frei von politischem Einfluss für Preisstabilität sorgen kann, sind EU und IWF nicht zu einem neuen Hilfsprogramm bereit. Ungarn musste schon 2008 mit Krediten der Gemeinschaft vor der Pleite bewahrt werden.

Konfrontationskurs

Seit Antritt der rechtsgerichteten Fidesz-Regierung unter Orban vor knapp zwei Jahren ist das Land immer stärker auf Konfrontationskurs mit der EU. Mit Hunderten Gesetzesänderungen krempelt Orban das Land um. Viele neue Vorschriften zielen darauf ab, die Macht seiner mit Zwei-Drittel-Mehrheit regierenden Partei zu stärken. Die EU-Kommission und viele Mitgliedstaaten sorgen sich, dass die Grundwerte der EU – Demokratie, Rechtsstaatlichkeit oder Pressefreiheit – in Ungarn völlig unter die Räder kommen.

Orban zeigte sich angesichts der massiven Kritik nicht nur der EU, sondern auch der US-Regierung und internationaler Organisationen im Straßburger Parlament kompromissbereit. Seine Regierung habe das Land vor dem Ruin bewahrt. Eine grundlegende Erneuerung des hoch verschuldeten Staates „auf Basis europäischer Prinzipien und Werte“ sei notwendig. „Ich bitte sie darum, wir gehen durch eine ernste Transformation, bitte unterstützen sie das“, sagte er. Vor Wochen hatte er die Kritik der EU noch brüsk zurückgewiesen mit dem Hinweis, „Brüssel ist nicht Moskau“.

An den Finanzmärkten sorgte Orbans Verhandlungsbereitschaft für die Hoffnung, dass ein Kreditpaket für Ungarn doch nicht in weiter Ferne ist. Der Forint legte um ein Prozent zu, die Zinsen auf Staatsanleihen gingen deutlich zurück.

Streit über Einhaltung von Grundwerten

Die EU-Kommission hat mit gleich mehreren Vertragsverletzungsverfahren zwar schwere Geschütze aufgefahren. Doch schon im vergangenen Jahr konnte sie im Mediensektor auf diese Weise nur die striktesten Vorschriften abwenden. In der Praxis kann die Regierung die Medien weiter gängeln, wie zuletzt mit dem Entzug der Lizenz für den Privatsender „KlubRadio“. EU-Telekommunikationskommissarin Neelie Kroes äußerte in einem Brief an die Regierung Kritik an der Entscheidung, hat aber bisher kein rechtliches Mittel dagegen gefunden.

EU-Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso sagte, es gehe um mehr als um die bloße Einhaltung von EU-Rechtsvorschriften. Ungarn müsse auch die europäischen Grundwerte in der Praxis einhalten und ein anerkanntes Mitglied der Gemeinschaft bleiben. „Wir wollen keinen Schatten des Zweifels über die Demokratie in irgendeinem unserer Mitgliedstaaten.“

EU-Parlament gespalten

Das Europäische Parlament ist gegenüber Orban gespalten. Die Christdemokraten halten die Treue zur Fidesz, die ihrer Parteienfamilie angehört. EVP-Fraktionschef Joseph Daul lobte die Verfassungsreform. Er sei sicher, dass auch Orban die europäischen Grundwerte unterstütze. Liberale, Grüne und Sozialdemokraten rufen dagegen nach härterem Vorgehen gegen Ungarn. Sie wollen prüfen lassen, ob Ungarn schwerwiegend gegen den Wertekanon verstößt. Das entsprechende Verfahren nach Artikel 7 EU-Vertrag ist das schärfste Schwert der EU, einen abtrünnigen Staat auf Linie zu bringen.

Grünen-Fraktionschef Daniel Cohn-Bendit forderte, das Parlament solle eine Delegation nach Ungarn schicken und vor Ort untersuchen, „warum die Verfassung vielen Bürgern in Ungarn Angst macht“.

Zu Jahresbeginn waren in Budapest Zehntausende Menschen zu Protesten gegen Orbans Dirigismus auf die Straße gegangen. Zuletzt kam aber auch Kritik auf, die EU gehe zu weit.