Nach der Eroberung von Tripolis durch libysche Rebellen stehen jetzt auch Muammar al-Gaddafis letzte Machtbastionen im Land vor dem Fall. Die Kämpfe zwischen Aufständischen und Gaddafi-treuen Truppen konzentrierten sich am Freitag auf die beiden verbliebenen Hochburgen des alten Regimes, Gaddafis Heimatstadt Sirte sowie die Wüstenstadt Sebha im Zentrum des Landes. Dagegen flauten die Kämpfe in Tripolis nach Fernsehberichten deutlich ab.
Weiter unklar ist, wo der langjährige Diktator untergetaucht ist. Nach einem Medienbericht sollen die Aufständischen einem Lastwagen-Konvoi verfolgen, in dem sie Gaddafi vermuten. Sie hofften, die Fahrzeuge etwa 40 bis 50 Kilometer vor Tripolis abfangen zu können, sagte Sicherheitsberater Abdul Karim Basama vom Übergangsrat der maltesischen Zeitung „The Times of Malta“. Es solle verhindert werden, dass Gaddafi nach Sirte oder Sebha durchkomme.
„Fast im ganzen Land die Oberhand“
Der Chef der libyschen Übergangsregierung, Mahmud Dschibril, erklärte, die Aufständischen hätten inzwischen fast im ganzen Land die Oberhand. Nur Sebha, Sirte sowie das südöstlich von Tripolis gelegene Bani Walid seien noch nicht unter Kontrolle, sagte er nach Angaben der türkischen Nachrichtenagentur Anadolu in Ankara. Ziel sei es, die Städte ohne Blutvergießen einzunehmen.
Britische Kampfflugzeuge feuerten in der Nacht zum Freitag Raketen auf eine Kommando- und Kontrollzentrale in Sirte ab. Mit dem Angriff habe man sicherstellen wollen, dass es keine andere Befehlszentrale des Regimes außerhalb von Tripolis gibt, hieß es in London. Der britische Verteidigungsminister Liam Fox betonte, es sei „verfrüht“ anzunehmen, dass die Kämpfe in Libyen vorbei seien.
Aufforderung, Sirte kampflos zu übergeben
Die Gaddafi-Gegner riefen die Einwohner von Sirte dazu auf, die Stadt kampflos zu übergeben. Im Gegenzug sollten nur aus Sirte stammende Kämpfer in die Küstenstadt einrücken, hieß es. Die Aufständischen sammelten unterdessen ihre Einheiten nahe Sirte, wo sich Einheiten und Anhänger Gaddafis verschanzt haben.
In der Garnisonsstadt Sebha lieferten sich Anhänger und Gegner Gaddafis heftige Kämpfe. Dutzende Rebellen seien getötet worden, als sie das Hauptquartier des Militärgeheimdienstes gestürmt hätten, teilten die Aufständischen mit. Sie hätten zwei Stadtviertel eingenommen. Es gebe kein Wasser und keinen Strom.
Freitagsgebet aus Sicherheitsgründen abgesagt
In Tripolis sagten die neuen Machthaber ein auf dem zentralen Grünen Platz geplantes Freitagsgebet aus Sicherheitsgründen ab. Die Gläubigen versammelten sich in der nahe gelegenen Al-Kabir-Moschee. Der Prediger, Scheich Ahmed Milad Gaddur, rief die Libyer auf, keine Rache zu üben.
Am Vortag war ein Teil des „Kabinetts“ der Revolutionsbewegung von Bengasi nach Tripolis umgezogen. Ihr Vize-Vorsitzender Ali al-Tarhuni versprach während einer Pressekonferenz Straffreiheit für alle Soldaten und Freiwilligen, die bis jetzt für Gaddafi gekämpft haben.
Gräueltaten auf beiden Seiten
Unterdessen kommen immer mehr Grausamkeiten der vergangenen Tage ans Licht. Reporter der Fernsehsender Al-Dschasira und BBC berichteten von Gräueltaten auf beiden Seiten. Al-Dschasira zeigte Bilder von Leichen in Grünanalagen in dem noch am Donnerstag besonders heftig umkämpften Stadtteil von Tripolis Abu Salim. Ein Reporter beschrieb die Lage in einem nahe gelegenen Krankenhaus als katastrophal. Dort stapelten sich die Leichen.
Nach Informationen der Menschenrechtsorganisation Amnesty International haben Gaddafi-Anhänger womöglich mehr als 100 Gefangene in Militärcamps nahe Tripolis brutal getötet. Die Gaddafi-treuen Truppen hätten Granaten geworfen und mit Schusswaffen auf die Gefangenen gefeuert.
Priorität: Versorgung der Bürger
Die Minister der Übergangsregierung wollen sich jetzt zuerst um die Versorgung der Bürger mit Wasser und Strom kümmern und die Plünderungen beenden, die aus mehreren Stadtvierteln gemeldet wurden.
Regierungschef Dschibril bemüht sich derzeit darum, eingefrorene Guthaben des Gaddafi-Regimes in Europa loszueisen. Für die Freigabe der Gelder gibt es nach EU-Angaben aber noch kein Datum. Auf Druck der USA hatten die Vereinten Nationen die Freigabe von 1,5 Milliarden Dollar (rund einer Milliarde Euro) aus dem eingefrorenen Auslandsvermögen beschlossen.
De Maart

















Sie müssen angemeldet sein um kommentieren zu können