Junge Israelis tätowieren sich KZ-Nummern

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In Israel sorgt ein neuer Trend für Kontroversen: Die Enkel ehemaliger Holocaust-Überlebender lassen sich deren KZ-Nummern eintätowieren. Total daneben oder nachvollziehbare Respektbezeugung?

Sie sind so jung, dass sie unmöglich die Gräuel des zweiten Weltkrieges haben erleben können. Und doch prangen auf ihren Unterarmen jene unverschnörkelten schwarzen Ziffern, die sich im kollektiven Gedächtnis der Welt eingebrannt haben: die mehrstellige Nummer, mit denen die Nazis die Häftlinge der Konzentrationslager wie Tiere brandmarkten.

Diese Tätowierung wurden die Überlebenden des Holocausts ihr Leben lang nicht mehr los, einige wollten dies auch gar nicht. Nun aber haben die Enkel der Schoah-Überlebenden die KZ-Nummer für sich entdeckt. So ist auf der Innenseite von Eli Segals Unterarm die Nummer „157622“ eintätowiert. „Das gibt mir Kraft“, sagt die junge Frau gegenüber „RTL.de“. „Mein Großvater war ein Held. Seine Geschichte ist ein Teil von mir.“

„Bin fast in Ohnmacht gefallen“

In Israel, wo jeder zweite Über- 18-Jährige ein Tattoo trägt, denken viele wie Eli Segal. „Das machen immer mehr Jugendliche bei mir“, sagt Tatowierer Poco, der ein Studio in Jerusalem hat. „Weil es eine einmalige Geste ist, seinen Großeltern Respekt zu zeigen.“

Der Trend hat sich in Israel bereits so ausgewachsen, dass Dana Doron einen Kurzfilm über das Phänomen machte. In dem an den Filmfestspielen Chicago ausgezeichneten Streifen „Numbered“ lässt sie KZ-Überlebende und ihre tätowierten Enkel sprechen. Während die Jungen übereinstimmend erklären, das Mahnmal aus Respekt und Sympathie für den Verwandten zu tragen, wird auch klar, dass die KZ-Zeugen selbst damit nicht alle einverstanden sind. „Ich bin fast in Ohnmacht gefallen“, sagt die 80-jährige Libia über das Tattoo ihres Enkel Daniel. Denn wie sie wollen viele den Holocaust und seine Gräuel lieber vergessen. Dass ihre Enkel sich freiwillig mit dem Zeichen des Grauens brandmarkten, verstört sie zutiefst.

„Zeigt, wie gebrandmarkt wir alle noch sind“

Doch es gibt auch andere, die die ihnen auferzwungen Zahlzeichen mit Stolz, als Mahnmal an das unausprechliche Leid und als Symbol wider das Vergessen tragen. Etwa Abraham Nachschon, den die Ziffern auf dem Arm seines Enkel irgendwie stolz machen. Im Film sagt der alte Mann zu seinem Enkel: „Wenn dich jemand fragt, sagst du: Mein Großvater hat den Holocaust überlebt, deshalb habe ich es gemacht.“

Die Tattoos der KZ-Enkel werden von einem Teil der Öffentlichkeit als bizarr, als unverständlich und geschmacklos angesehen. Vielen ist bei dem Anblick unwohl. Damit werde, so argumentieren viele, der Holocaust trivialisiert und das Gedenken daran entweiht. Filmemacherin Doron findet die Debatte darüber dennoch wichtig: „Das zeigt doch, wie gebrandmarkt wir alle noch sind.“