Irland übernimmt EU-Ratsvorsitz

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Irland wird vom 1. Januar an den Ratsvorsitz der Europäischen Union übernehmen. Dublin muss sechs Monate lang zwischen 27 Ländern vermitteln. Als Musterknabe unter den Krisenstaaten will Irland zeigen: "Wir können sparen."

Sechs Monate hatte Zypern den Vorsitz im Europäischen Rat der 27 EU-Mitgliedsstaaten inne – und war damit geschäftsführend maßgeblich für die Geschicke der EU zuständig. Die erste Präsidentschaft Zyperns war kein Ruhmesblatt. Viel zu viel war der kleine Krisenstaat mit sich selber beschäftigt. Die Zyprer übergeben den Staffelstab zum 1. Januar ausgerechnet an ein weiteres Sorgenkind der EU – Irland, 2010 nach einer verheerenden Bankenkrise als erstes EU-Land unter den Rettungsschirm von Union und Internationalem Währungsfonds geschlüpft.

Doch die Politiker von der Grünen Insel um Regierungschef Enda Kenny genießen in Brüssel einen Ruf als gute EU-Manager. Schon siebenmal hatte Irland die Ratspräsidentschaft inne, erstmals 1975 und zuletzt 2004. Erst im Dezember demonstrierte Außenminister Eamon Gilmore beim Treffen mit seinen Amtskollegen aus den OSZE-Ländern in Dublin Verhandlungsgeschick.

Steuerabkommen mit USA

Mit ihm als Gastgeber gelang der OSZE erstmals seit Jahren wieder ein gemeinsam verabschiedetes Papier. Mit den USA handelte Irland erst vor kurzem ein bilaterales Steuerabkommen aus – vielleicht ein Modell für ein EU-weites Freihandelsabkommen mit den Amerikanern, das die Iren dank ihrer besonderen Beziehungen über den Atlantik anschieben wollen. Gilmore will in Europa als Optimist gesehen werden, wenn er die Ratspräsidentschaft seines Landes unter das Motto „Stabilität, Jobs, Wachstum und Wachstum“ stellt. „Für mich ist das Glas halbvoll, nicht halbleer“, sagt er.

Und die Iren sind überzeugte Europäer. Trotz knapper Kassen und weiter hoher Schulden haben sie das Dubliner Stadtschloss eigens für die Präsidentschaft für drei Millionen Euro herrichten lassen. Über dem Schloss wurde eine Flugverbotszone eingerichtet – den bis zu 15.000 Diplomaten, die in den nächsten sechs Monaten zu Ministertagungen in Dublin erwartet werden, soll nichts passieren. Große Firmen rissen sich förmlich darum, die Präsidentschaft sponsern zu dürfen. 14 Millionen Euro spart sich die klamme Regierung von Enda Kenny durch diese Beteiligung der Privatwirtschaft an Ausgaben.

„Wir können sparen“

Irland will mit seinem Ratsvorsitz in Richtung Gemeinschaft vor allem eines zeigen: Wir können sparen! 60 Millionen Euro soll der Vorsitz kosten. Für die vorhergegangene Präsidentschaft im Jahr 2004, als Irland noch als „Keltischer Tiger“ bewundert wurde, gaben die Iren noch 110 Millionen Euro aus. Diesmal gibt es auf den Verhandlungstischen kein Mineralwasser für die durstigen Diplomatenkehlen – sondern demonstrativ nur Leitungswasser.

Die Präsidentschaft kommt für Irland in einem entscheidenden Jahr. Nach der schweren Immobilienkrise, die schließlich das gesamte Bankensystem zu Fall brachte und in eine Staatskrise mündete, will Irland zeigen: Wir sind wieder da! Ende 2013 läuft das Rettungspaket aus, mit dem Irland mit 67,5 Milliarden Euro Garantien der internationalen Gemeinschaft vor dem Staatsbankrott gerettet wurde. Irland will sich wieder selbst an den Märkten finanzieren.

Großes Hindernis

Erste Testläufe verliefen vielversprechend. Doch Diplomaten in Dublin sehen ein großes Hindernis, das auf politischer Ebene beseitigt werden soll. Im März wäre für Irland eigentlich eine Rate von 3,1 Milliarden Euro fällig – Zins- und Tilgungsdienst für insgesamt 31 Milliarden Altschulden der in Liquidation befindlichen Pleitebank Anglo Irish. Eine Summe, die Irland in seinen Sparanstrengungen und auch im Streben nach Rückkehr an die Märkte deutlich zurückwerfen würde. Schließlich hat man erst im Dezember bei einem weiteren Sparhaushalt den Bürgern Kürzungen von 3,5 Milliarden Euro zugemutet.

Regierung und irische Notenbank fordern einen Zahlungsaufschub. Die Europäische Zentralbank (EZB) ziert sich. Auf politischer Ebene ist ein Einlenken jedoch durchaus vorstellbar. Denn Irland gilt innerhalb der EU als eine Art Modellfall in Sache Krisenbewältigung. Irland hat seine Schuldenkrise ohne großes Murren und ohne Proteste ertragen, erfüllt die Anforderungen der „Troika“ pflichtschuldigst. Die aufgezwungenen Sparmaßnahmen nahm die Bevölkerung fast demütig hin.

„Wir haben riesiges Interesse daran, dass Irland aus der Krise kommt“, sagt ein Spitzendiplomat aus einem wichtigen EU-Land. Auch wenn irische Politiker derzeit alles tun, um die EU-Ratspräsidentschaft nicht mit eigenen Interessen in Sachen Schuldenbewältigung zu vermischen. Von den Regierungen der großen EU-Länder hätte wohl kaum eine etwas dagegen, wenn von Irlands Ratsvorsitz das Signal aus dem Norden in den Süden der EU ausgehen würde: „Seht auf diese Insel – und lernt das Sparen.“