Präsidentschaftswahl am FreitagUltrakonservative auf dem Vormarsch im Iran

Präsidentschaftswahl am Freitag / Ultrakonservative auf dem Vormarsch im Iran
Nur Wirtschaftsthemen erlaubt: Favorit Raisi bei einer Fernsehdebatte Foto: AFP/YJC/Morteza Fakhri Nezhad

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Am Freitag wird im Iran ein neuer Präsident gewählt. Mit einer Überraschung wird nicht gerechnet. Sie war auch nicht gewollt. Dem ultrakonservativen Raisi wurde bereits zuvor der Weg geebnet.

Die Iraner stimmen am Freitag über ihren neuen Präsidenten ab, doch von einem Wahlkampf kann nicht die Rede sein. Die meisten Versammlungen sind wegen der Pandemie verboten, selbst Plakate sind in der Hauptstadt Teheran kaum zu sehen. Und fast alle zeigen dasselbe Gesicht: Ebrahim Raisi, den ultrakonservativen Justizchef und klaren Favoriten.

Sieben Kandidaten von mehr als 300 Bewerbern hatte der Wächterrat zugelassen – fünf Ultrakonservative und zwei Reformorientierte. Drei Kandidaten zogen sich nur wenige Tage vor der Wahl aus dem Rennen zurück. Zuerst gab der reformorientierte Ex-Vizepräsident Mohsen Mehralisadeh seinen Rückzug bekannt. Er war laut Umfragen der Anwärter mit den schlechtesten Aussichten.

Redeverbot für Kandidaten

Kurze Zeit später zogen auch der ultrakonservative Abgeordnete Aliresa Sakani und der ehemalige Atom-Chefunterhändler Sajed Dschalili ihre Kandidatur zurück. Beide riefen anschließend zur Wahl von Raisi auf. Rücktritte von Kandidaten in letzter Minute – oftmals im Gegenzug für einen zugesagten Regierungsposten – sind im Iran nicht ungewöhnlich.

Der moderat-konservative Ex-Parlamentspräsident Ali Laridschani, der Chefunterhändler des Atomabkommens, durfte überraschenderweise gar nicht erst antreten. Ohne Laridschani, seinen größten Gegner, scheint Raisi der Sieg sicher. Bereits bei der Präsidentschaftswahl 2017 konnte der 60-jährige Raisi 38 Prozent der Stimmen auf sich vereinen. Auch die erwartete sehr niedrige Wahlbeteiligung dürfte den Ultrakonservativen in die Hände spielen.

Bereits an der Parlamentswahl im vergangenen Jahr hatten nur 57 Prozent der Berechtigten teilgenommen, nachdem Tausende von reformorientierten und gemäßigten Kandidaten ausgeschlossen worden waren. Seither dominieren die Konservativen die Legislative.

Gewöhnliches Treiben auf dem Großen Basar in Teheran: Beobachter rechnen mit einer niedrigen Wahlbeteiligung
Gewöhnliches Treiben auf dem Großen Basar in Teheran: Beobachter rechnen mit einer niedrigen Wahlbeteiligung Foto: AFP/Morteza Nikoubazl

Oppositionelle im Ausland rufen nun in den Online-Netzwerken zum Boykott auch der Präsidentschaftswahl auf, laut Umfragen wollen weniger als 40 Prozent der Iraner ihre Stimme abgeben. Das geistliche Oberhaupt Irans, Ayatollah Ali Chamenei, appellierte an die Bevölkerung, zahlreich zur Wahl zu gehen, um den „Feinden des Islam“ die Stirn zu bieten. Den Kandidaten verbat er, über andere Themen als die Wirtschaft zu sprechen.

In einer live im Fernsehen übertragenen Debatte Anfang Juni vermied Raisi die Konfrontation mit den Reformern, stattdessen konzentrierte er sich auf die wirtschaftliche Misere des Landes. „Die Inflation ist eines der wichtigsten Probleme der Menschen – genauso wie die Unehrlichkeit mancher Beamter“, sagte er.

Vor der Pandemie, im Winter 2017/2018 und im November 2019, waren die Iraner massenhaft unter anderem wegen Preiserhöhungen gegen die Regierung auf die Straße gegangen – beide Protestwellen wurden brutal niedergeschlagen.

In der sozialen Krise

Der scheidende, moderate Präsident Hassan Ruhani, der nach zwei Amtszeiten nicht mehr kandidieren darf, war vor acht Jahren mit dem Versprechen angetreten, die Beziehungen zum Westen zu verbessern. Doch dann kündigte der damalige US-Präsident Donald Trump 2018 das wegweisende Abkommen über das iranische Atomprogramm auf und verhängte erneut harte Sanktionen gegen Teheran. Die Strafmaßnahmen stürzten das Land in eine tiefe wirtschaftliche und soziale Krise, die durch die Pandemie noch verschärft wurde.

Raisi-Anhängerinnen demonstrieren mit Bildern ihres Wunschkandidaten
Raisi-Anhängerinnen demonstrieren mit Bildern ihres Wunschkandidaten Foto: AFP

Zeitgleich mit der Präsidentschaftswahl wird in Wien darüber verhandelt, wie das Atomabkommen von 2015 nach dem Machtwechsel in Washington wiederbelebt werden könnte. Ein Durchbruch vor der Wahl ist nicht zu erwarten, zumal sowohl Teheran als auch Washington Zweifel am Erfolg der Gespräche äußerten.

Die Macht des Präsidenten im Iran ist begrenzt, über ihm steht der auf Lebenszeit ernannte geistliche Führer. Zu Raisis Konkurrenten gehören Mohsen Resai, der frühere Chef der Revolutionsgarden und der ultrakonservative ehemalige Atom-Chefunterhändler Sajed Dschalili.

Der einzige verbliebene reformorientierte Kandidat ist der Gouverneur der Zentralbank, Abdulnasser Hemmati. Dass er sich gegen Raisi durchsetzen könnte, halten Experten für unwahrscheinlich. Erreicht keiner der Kandidaten am 18. Juni die absolute Mehrheit, entscheidet eine Woche später eine Stichwahl. (AFP)

Überblick über die wichtigsten Entwicklungen
im Land seit der Islamischen Revolution

  • 1979: Islamische Republik Nach monatelangen Protesten verlässt der von den USA gestützte Schah Mohammed Resa Pahlawi im Januar das Land und Revolutionsführer Ayatollah Khomeini kehrt triumphal aus dem Exil in Paris zurück. Am 1. April wird die Islamische Republik ausgerufen.
  • 1979-1981: Geiselnahme in der US-Botschaft Am 4. November 1979 besetzen radikale Studenten die US-Botschaft in Teheran und nehmen 52 Diplomaten als Geiseln. Damit protestieren sie gegen die Aufnahme des früheren Schahs in ein US-Krankenhaus. Im April 1980 bricht Washington seine Beziehungen zum Iran ab, erst nach 444 Tagen werden im Januar 1981 die letzten Geiseln freigelassen.
  • 1980-1988: Iran-Irak-Krieg Der irakische Machthaber Saddam Hussein kündigt das Abkommen zum Grenzfluss Schatt el Arab auf und überfällt am 22. September den Iran. Nach schweren Kämpfen werden im Mai 1982 die irakischen Truppen aus dem Iran vertrieben, doch Khomeini lehnt eine Waffenruhe ab. Nach sechs weiteren Kriegsjahren, in denen Hunderttausende sterben, akzeptiert Khomeini im Sommer 1988 den von der UNO vermittelten Waffenstillstand.
  • 1989: Tod von Ayatollah Khomenei Am 3. Juni 1989 stirbt der Revolutionsführer. Der bisherige Präsident Ali Chamenei wird zu Khomeinis Nachfolger gewählt, an die Spitze der Regierung rückt Akbar Haschemi Rafsandschani, der sich in den folgenden Jahren um wirtschaftliche Reformen und eine Entspannung mit dem Westen bemüht. 1997 wird der Reformer Mohammed Chatami zum Präsidenten gewählt. 1999 sieht sich die Regierung mit den größten Protesten seit der Revolution konfrontiert.
  • 2002: „Achse des Bösen“ US-Präsident George W. Bush brandmarkt den Iran als Teil einer gegen die Vereinigten Staaten gerichteten „Achse des Bösen“ zusammen mit dem Irak und Nordkorea und beschuldigt das Land, den Terrorismus zu unterstützen.
  • 2005: Rückkehr der Hardliner Nach acht Jahren Chatami gewinnt der konservative Hardliner Mahmud Ahmadinedschad im Juni die Präsidentenwahl. Mit seinen Äußerungen zum Holocaust und seinen verbalen Attacken gegen Israel provoziert er den Westen, der nach der Wiederaufnahme des Atomprogramms harte Sanktionen verhängt. Ahmadinedschads umstrittene Wiederwahl im Juni 2009 führt zu beispiellosen Massenprotesten, die brutal niedergeschlagen werden.
  • 2015: Lösung im Atomstreit 2013 wird der moderate Politiker Hassan Ruhani mit dem Versprechen zum Präsidenten gewählt, den Atomstreit beizulegen und die Wirtschaft wiederzubeleben. Nach jahrelangen Verhandlungen mit den fünf UN-Vetomächten und Deutschland wird im Juli 2015 in Wien ein Abkommen geschlossen, das den friedlichen Charakter des iranischen Atomprogramms garantieren soll und im Januar 2016 zur Aufhebung der im Atomstreit verhängten Sanktionen führt.
  • 2016: Bruch mit Saudi-Arabien Die Hinrichtung eines schiitischen Würdenträgers in Saudi-Arabien löst eine Krise zwischen Teheran und Riad aus. Anfang 2016 brechen Saudi-Arabien und seine Verbündeten die diplomatischen Beziehungen ab oder schränken sie ein. Sie werfen dem Iran vor, sich in die Angelegenheiten arabischer Länder einzumischen und insbesondere in Syrien und Jemen Konflikte zu schüren.
  • 2018: Aufkündigung des Atomabkommens Nachdem US-Präsident Barack Obama im Verhältnis zum Iran auf Verhandlungen gesetzt hatte, verschärft sein Nachfolger Donald Trump wieder den Kurs. Im Mai 2018 kündigt er einseitig das Atomabkommen auf und verhängt neue Sanktionen. Die ohnehin angeschlagene iranische Wirtschaft stürzt in eine tiefe Krise. Ein Jahr später beginnt Teheran, sich schrittweise von seinen eigenen Verpflichtungen durch das Abkommen zurückzuziehen.
  • 2019: Massenproteste Die Erhöhung der Benzinpreise mitten in der Wirtschaftskrise löst im November 2019 im ganzen Land Massenproteste aus, die niedergeschlagen werden. Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International spricht von mindestens 304 Toten.
  • 2020: US-Drohnenangriff Am 3. Januar töten die USA den einflussreichen iranischen General Kassem Soleimani mit einer Drohne im Irak; Teheran beschießt daraufhin im Irak stationierte US-Truppen mit Raketen.
  • 2021: Spannungen am Golf Die Revolutionsgarden beschlagnahmen im Januar einen unter südkoreanischer Flagge fahrenden Tanker im Golf im Streit um eingefrorene Ölgelder in Milliardenhöhe – der jüngste einer Reihe von Zwischenfällen dort. Im April macht Iran Israel für die Explosion in seiner Urananreicherungsanlage in Natans verantwortlich.
  • Neue Atomverhandlungen Nach dem Machtwechsel in Washington wird seit April in Wien wieder über das Atomabkommen mit dem Iran verhandelt.