Ukraine-KriegMoskau warnt in Telefon-Kampagne vor „unkontrollierter Eskalation“

Ukraine-Krieg / Moskau warnt in Telefon-Kampagne vor „unkontrollierter Eskalation“
Zerstörte Brücke in der Region Charkiw: Russland warnt vor einer „Eskalation“ im Ukraine-Krieg Foto: AFP/Yevhen Titov

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Monatelang hat kaum jemand miteinander gesprochen. Seit Freitag aber vergeht kein Tag, ohne dass Moskau und der Westen miteinander telefonieren. Trotzdem sind am Ende alle alarmiert.  

Nach fast fünf Monaten nahezu totaler Kontaktpause telefonierten Moskau und der Westen die vergangenen Tage gleich mehrmals. Ein Zeichen für Entspannung dürfte das trotzdem nicht sein. Statt der Außenminister redeten die Verteidigungsminister miteinander. Moskaus Telefon-Kampagne begann am Freitag mit einem Gespräch zwischen dem russischen und dem amerikanischen Verteidigungsminister, Sergej Schoigu und Lloyd Austin. Auch am Sonntag und Montag warnte Schoigu gegenüber Großbritannien, Frankreich, der Türkei und erneut den USA vor einer Zuspitzung im Ukraine-Konflikt. Die Lage verschlechtere sich rapide, es gebe die Tendenz zu „einer weiteren unkontrollierten Eskalation“, so Schoigu zum französischen Verteidigungsminister Sébastien Lecornu.

Im Mittelpunkt der Gespräche während des Wochenendes stand Moskaus Sorge, die Ukraine könnte eine „schmutzige Bombe“ zünden. Beweise für seine Aussage konnte Schoigu keine liefern. Am frühen Montagmorgen wiesen die westlichen Atommächte Frankreich, Großbritannien und die USA Russlands Behauptung umgehend zurück, die Ukraine wolle auf ihrem eigenen Gebiet eine nuklear verseuchte Bombe zünden. Die Behauptung über eine sogenannte „schmutzige Bombe“ sei eindeutig falsch, hieß es in einem gemeinsamen Statement der Außenminister der Länder. „Die Welt würde jeden Versuch durchschauen, diese Behauptung als Vorwand für Eskalation zu nutzen.“ Die Gespräche waren da aber noch nicht vorbei.

Telefon-Kampagne

Am Montag hat der russische Generalstabschef Waleri Gerassimow der Agentur Ria zufolge die russischen Sorgen gegenüber seinem US-Amtskollegen Mark Milley wiederholt. Die USA wiesen die Vorwürfe gegen die Ukraine erneut ab. Auch die beiden Top-Militärs hatten lange nicht gesprochen, den USA zufolge seit Mai nicht mehr. In Moskaus Telefon-Kampagne erhielt auch das britische Verteidigungsministerium eigenen Angaben zufolge am Montag einen weiteren Anruf aus Moskau. Der Chef des Verteidigungsstabes habe „Russlands Anschuldigungen, dass die Ukraine Maßnahmen zur Eskalation des Konflikts plant, zurückgewiesen“, teilte das Ministerium in einer Stellungnahme mit.

Die Russen beschuldigen andere oft dessen, was sie selber planen

Dmytro Kuleba, ukrainischer Außenminister

Als „schmutzige Bombe“ werden konventionelle Sprengsätze bezeichnet, die auch radioaktives Material verstreuen. Die Ukraine hat nach dem Zerfall der Sowjetunion ihre Atomwaffen abgegeben. „Die russischen Lügen über angebliche Pläne der Ukraine, eine ‚schmutzige Bombe’ zu nutzen, sind so absurd wie sie gefährlich sind“, reagierte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Sonntag auf Twitter. „Die Russen beschuldigen andere oft dessen, was sie selber planen“, warnte Kuleba in Kiew.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat Russland indes dazu aufgefordert, seine „falsche Behauptung“ zu einer nuklear verseuchten Bombe nicht als Vorwand für eine weitere Eskalation des Kriegs gegen die Ukraine zu nutzen. Russland dürfe die eigenen Behauptungen „nicht als Vorwand für eine Eskalation benutzen“, schrieb der Norweger am Montagabend auf Twitter.

Seit Wochen hat Russland das Momentum des Krieges gegen sich. Erst drängte das ukrainische Militär in einer Gegenoffensive die russischen Streitkräfte in der Region Charkiw weit zurück. In den vergangenen Tagen feierten die Ukrainer zudem in der Region Cherson und auch bei der Stadt Bachmut in der Region Donezk immer neue Erfolge. Zwischendurch war die strategisch wie symbolisch wichtige Kertsch-Brücke zwischen der Krim und Russland mit einem Bombenanschlag schwer beschädigt worden. All das hat den Druck auf den russischen Präsidenten Wladimir Putin wachsen lassen. In einer ersten Reaktion hatte Moskau die Lage daraufhin selber eskaliert, indem es Zivilisten und die ukrainische Energieversorgung mit Raketen und Drohnen beschoss.

Nach Schoigus Warnung vor einer möglichen „unkontrollierten Eskalation“ erklärte Russland noch, es habe seine Streitkräfte auf den Einsatz unter Bedingungen radioaktiver Strahlung vorbereitet. Auch die zahlreichen Telefonate konnten keine Entspannung im Ukraine-Krieg bringen. Das Gegenteil scheint der Fall zu sein. (mit Agenturen)