Eine Woche nach dem Fall von Tripolis suchen nach Rebellenangaben immer mehr engste Gaddafi-Vertraute ihr Heil in der Flucht oder in Verhandlungen. Nachdem die Ehefrau des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi, Safija, mit drei Kindern nach Algerien geflüchtet war, sprach der Sohn Al-Saadi nach Angaben der Rebellen vom Mittwoch über Sicherheitsgarantien. Der Sender CNN berichtete dagegen, der drittälteste Gaddafi-Sohn habe per Mail mitgeteilt, dass er nicht aufgeben wolle. Am Donnerstag will die Staatengemeinschaft in Paris die Milliardenhilfe für das neue Libyen koordinieren.
In Gaddafis Heimatstadt Sirte an der Mittelmeerküste gab es keine Anzeichen dafür, dass sich die letzten Gaddafi-Getreuen einem Ultimatum der Rebellen beugen. Die Nato will auch nach einem Ende des Militäreinsatzes in Libyen weiter Flagge zeigen. Nato-Soldaten könnten für eine begrenzte Zeit den Luftraum überwachen und Schiffe vor der Küste Libyens kontrollieren. Dies vereinbarten die Vertreter der 28 Nato-Staaten am Mittwoch im Nato-Rat in Brüssel. Eine Entsendung von Bodentruppen kommt dagegen für das Bündnis nicht in Frage.
Entscheidungsschlacht in Sirte
In Gaddafis Heimatstadt Sirte rückt eine Entscheidungsschlacht näher. Die Bevölkerung in der rund 75.000 Einwohner zählenden Küstenstadt sei gespalten, berichtete der Nachrichtensender Al-Dschasira. Eine Hälfte plädiere für Kampf, die andere Hälfte für Kapitulation. Stammesälteste versuchten, die Gaddafi-Truppen wenigstens davon zu überzeugen, dass im Fall eines Kampfes Frauen und Kinder zuvor die Stadt verlassen könnten. Nach Rebellenangaben kamen seit Beginn des Aufstandes gegen Gaddafis Regime vor sechs Monaten mindestens 50.000 Menschen ums Leben. Eine unabhängige Überprüfung dieser Angaben ist nicht möglich.
Eine Woche nach dem Fall der Hauptstadt Tripolis wollen nach Angaben der Aufständischen immer mehr Mitglieder aus dem inneren Zirkel Gaddafis aufgeben. Zu ihnen soll auch Gaddafis 38 Jahre alter Sohn Al-Saadi gehören. Der für Tripolis zuständige Rebellenkommandeur Abdelhakim Belhadsch sagte Al-Dschasira: „Er (Al-Saadi) hat darum gebeten, Teil der Revolution zu werden. Er bat um Garantien, damit er zu seinen Leuten in die Hauptstadt Tripolis zurückkehren kann. Er deutete an, wo er sich versteckt hält.“
„Unbestätigte Berichte, wo sich Gaddafi aufhält“
Die Rebellen haben nach den Worten von Belhadsch auch „unbestätigte Berichte, wo sich Gaddafi aufhält“. Arabische Medien spekulierten, dass der 69-Jährige in Bani Walid südlich von Tripolis untergetaucht sei. Die Stadt stehe unter dem Schutz der Warfalla, des größten libyschen Stammes, berichtete der arabische Nachrichtensender Al-Arabija. Dagegen behauptete ein ehemaliger Leibwächter von Gaddafis Sohn Chamis, dass sich der Ex-Diktator in die 770 Kilometer südlich von Tripolis gelegene Garnisonsstadt Sebha abgesetzt habe.
Libysche Rebellen setzen nach Informationen der „Stuttgarter Nachrichten“ (Mittwoch) und des ARD-Magazins „Kontraste“ G36-Sturmgewehre aus Deutschland ein. Recherchen hätten ergeben, dass die Waffen bei Heckler & Koch in Oberndorf am Neckar (Baden-Württemberg) hergestellt worden seien. Dies belegten der Herstellerstempel und die sogenannte Beschussmarke.
Sturmgewehre in die Hände gefallen
Die Sturmgewehre seien den Rebellen nach Augenzeugenberichten beim Sturm auf die Residenz Gaddafis in Tripolis vergangene Woche in großer Anzahl in die Hände gefallen. Die Geschäftsführung des Herstellers sagte den „Stuttgarter Nachrichten“: „Wir schließen aus, dass diese Waffen von Heckler & Koch nach Libyen geliefert worden sind.“
Der Übergangsrat in Libyen stemmt sich weiter gegen die Stationierung von ausländischen Truppen auf eigenem Boden. Der Vorschlag Frankreichs, eine Beobachtermission mit deutscher Beteiligung nach Libyen zu schicken, hat derzeit wohl wenig Chancen auf Verwirklichung. „In unseren Gesprächen mit dem NTC (Übergangsrat) wird ganz deutlich, dass die Libyer jede Art eines militärischen Einsatzes durch die UN oder andere verhindern möchten“, sagte der Libyen-Sondergesandte Ian Martin in New York.
Beobachtermission
Frankreichs Außenminister Alain Juppé hatte in einem Gespräch mit der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Mittwoch) für eine Beobachtermission geworben. „Man wird Beobachter nach Libyen entsenden müssen. Es braucht eine Wiederaufbautruppe, aber keine Interventionstruppe.“ Frankreich „wäre froh darüber“, wenn Deutschland sich an einer Beobachtermission beteiligte, sagte Juppé.
Weil die humanitäre Lage in der Hauptstadt Tripolis weiter kritisch ist, hat UN-Generalsekretär Ban Ki Moon die internationale Gemeinschaft um schnelle Hilfe gebeten. Nach letzten Schätzungen seien 60 Prozent der Einwohner in der Hauptstadt Tripolis ohne Wasser- und Abwasserversorgung. Es sei unklar, wie lange die Reparatur von Pumpen noch dauern werde, sagte Ban Ki Moon.
Gastgeber der Konferenz, an der auch der libysche Übergangsrat und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel teilnehmen, sind der französische Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron.
De Maart

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