Erster Schritt aus der Krise – oder Stillstand?

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Vor der wichtigen Präsidentenwahl demonstriert die ukrainische Führung Einigkeit. Aber die Gemeinschaft hat Risse - und im Osten wird weiterhin gekämpft.

Nur wenige Minuten Fußweg vom Maidan entfernt, dem zentralen Platz von Kiew, scheinen die bürgerkriegsähnlichen Kämpfe in der Ostukraine weit entfernt. Entspannt genießen die Einwohner der Hauptstadt das warme Frühlingswetter in schattigen Straßenlokalen. Aber die Gefechte zwischen Regierungseinheiten und prorussischen Kräften und die Präsidentenwahl an diesem Sonntag sind dennoch allgegenwärtig. Auch für Maria Wesseljuk und ihre Freundinnen.

„Wir hoffen, dass die Wahl ein erster Schritt zu einem Ende dieser furchtbaren Krise sein wird“, erzählt die 26-jährige Maria. Sie setzt auf den Süßwarenunternehmer Pjotr Poroschenko. „Das ist ein Macher, der packt bestimmt an.“ Ihre Freundin Olga betont, dass Poroschenko ja bereits Kontakte in der EU und auch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel geknüpft habe. „Das ist sicherlich hilfreich“, meint die junge Frau.

Poroschenko deutlich vorne

In allen Umfragen liegt Poroschenko deutlich vorne, dennoch halten Beobachter eine Stichwahl für wahrscheinlich – auch weil insgesamt mehr als 20 Kandidaten antreten. Poroschenko unterstützte – auch finanziell – 2004 die prodemokratische Orangene Revolution und nun die prowestlichen Proteste gegen den geflüchteten Präsidenten Viktor Janukowitsch. Schon während der blutigen Zusammenstöße auf dem Maidan im Februar wurde er von Vielen als möglicher Staatschef genannt. Nun greift er nach dem höchsten Amt. Lange zögerte er, nun kann es ihm nicht schnell genug gehen.

Eine klare Entscheidung müsse her bei der Wahl – sonst, so warnt der Milliardär, bleibe die Lage weiterhin höchst instabil. „Jeder Tag entscheidet“, warnt er. Die Vorbereitungen auf eine Stichwahl würden nur wertvolle Zeit und Finanzen aufbrauchen. Doch auf den Straßen ist Poroschenkos Wahlwerbung nur selten zu sehen. Auch seine vermutlich stärkste Herausforderin Julia Timoschenko, der er auch in den letzten Talkshows am Freitagabend nicht direkt begegnete, zeigt sich zurückhaltend.

„Wir brauchen neue Gesichter“

„Poroschenko, Timoschenko – irgendwie waren die doch alle schon jahrelang an der Macht“, meint der Student Dmitri Kostenko. „Wir brauchen endlich neue Gesichter in der Politik.“ Aber wer das sein soll, da hat sich Dmitri noch nicht entschieden. „Entweder sind die Kandidaten zu etabliert oder zu radikal – es gibt keinen Bewerber des Ausgleichs“, kritisiert er. „Denn nur, wenn wir uns mit Russland aussöhnen, haben wir eine stabile Zukunft vor uns.“ Im Wahlkampf aber waren anti-russische Töne kaum zu überhören.

Auch Regierungschef Arseni Jazenjuk betont, dass normale Beziehungen zu Russland kaum gleich nach der Wahl möglich sein werden. Zu zerrüttet ist das bilaterale Verhältnis nach dem umstrittenen Anschluss der Krim und angesichts des Streits um Preise für russisches Gas. Außerdem wirft Kiew Moskau immer wieder vor, es stecke hinter den Separatisten, die im Osten zwei eigenständige Gebiete ausgerufen haben. Jazenjuk wird wohl weiter die Regierung anführen – Poroschenko hat bereits angekündigt, er wolle mit dem im Westen geschätzten Politiker zusammenarbeiten.

Slogan „Geeintes Land“

Derweil wird das Land auf Einigkeit eingeschworen. Das Staatsfernsehen überträgt live aus der Unesco-geschützten Sophienkathedrale in Kiew ein „Gebet für die Ukraine“. Oben eingeklinkt sind wie schon seit Wochen die blau-gelbe Staatsflagge und der Slogan „Geeintes Land“. Popstar Ruslana singt bei einer Übertragung aus dem malerischen Karpaten-Gebirge die Nationalhymne.

Doch nicht jeder wird an der Einigkeit beteiligt. Ein Vertreter des Moskauer Patriarchats der orthodoxen Kirche – in der Ukraine stark vertreten – ist nicht zum Gemeinschaftsgebet geladen. Die Kirchenführung steht dem Kreml sehr nahe.