Erdogan verschärft Kurs gegen Kritiker

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Die Vorgänge in der Türkei beunruhigen Europa. Im Machtkampf Erdogans mit seinem einstigen Verbündeten Gülen macht eine Festnahme Schlagzeilen.

Die türkische Führung geht nach dem Putschversuch und der Ausrufung des Ausnahmezustands immer rigoroser gegen Widersacher vor. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ordnete nach Angaben vom Samstag die Schließung von 2341 Einrichtungen im Land an, darunter Schulen sowie gemeinnützige, gewerkschaftliche und medizinische Institutionen. Im Machtkampf Erdogans mit seinem einstigen Verbündeten und heutigen Erzfeind Fethullah Gülen sorgt eine Festnahme für Aufsehen: Sait Gülen, ein Neffe des islamischen Predigers, wurde im osttürkischen Erzurum in Gewahrsam genommen.

Erdogan beschuldigt den einflussreichen Geistlichen und seine Anhänger, den gescheiterten Militärputsch am vergangenen Wochenende angezettelt zu haben. Der 75-jährige Gülen selbst lebt in den USA. Die Türkei verlangt von den USA seine Auslieferung.

Reisepässe ungültig

Nach dem Putschversuch erklärte die türkische Regierung die Reisepässe von fast 11.000 Verdächtigen, vor allem Staatsbediensteten, für ungültig. Aus Regierungskreisen hieß es, die Inhaber der Pässe seien untergetaucht oder bereits in Gewahrsam. Außerdem seien knapp 300 Soldaten der Präsidentengarde festgenommen worden.

Nach Angaben türkischer Regierungsvertreter haben alle von der Schließung betroffenen Einrichtungen Verbindungen zur Gülen-Bewegung. Die türkische Führung hatte angekündigt, den öffentlichen Dienst von Gülen-Anhängern zu „säubern“. Die Entwicklung in der Türkei löste international Besorgnis aus, deutsche Politiker forderten Konsequenzen.

90-tägiger Ausnahmezustand

Seit Donnerstag gilt in der Türkei ein 90-tägiger Ausnahmezustand. 37.500 Polizisten und zivile Angestellte wurden seither entlassen, darunter viele Mitarbeiter des Bildungsministeriums. 21.000 Lehrern wurde die Arbeitserlaubnis entzogen. 600 weitere Schulen sollten geschlossen werden, hieß es vom Bildungsministerium. Nach dem gescheiterten Putsch ließ die Führung mehr als 10.000 Menschen festnehmen. Per Dekret ordnete Erdogan jetzt an, dass Festgenommene bis zu 30 Tage ohne Vorführung vor einen Richter festgehalten werden können.

Erstmals seit dem gescheiterten Putsch in der Nacht zum 16. Juli traf Erdogan mit dem Chef des Geheimdienstes MIT, Hakan Fidan, zu einer Unterredung zusammen. Erdogan sagte, es habe Versäumnisse des Geheimdienstes vor dem Umsturzversuch gegeben. Fidan und Armeechef Hulusi Akar sollen aber vorerst auf ihren Posten bleiben, wie Erdogan im französischen Sender France 24 erklärte.

Forderungen von G20

Die führenden Industrie- und Schwellenländer forderten von ihrem G20-Partner Türkei die Einhaltung rechtsstaatlicher Regeln. Die G20-Finanzminister und -Notenbankchefs wollten bei ihrem Treffen im chinesischen Chengdu betonen, dass die Stabilität der Türkei wichtig sei, hieß es aus G20-Kreisen. Eine entsprechende Formulierung sollte es in der G20-Erklärung geben.

Der stellvertretende türkische Ministerpräsident Mehmet Simsek hatte zuvor bei einem Symposium in Chengdu den G20-Partnern zugesichert, die demokratischen Regeln einzuhalten. Auch andere G20-Staaten hätten in Bedrohungslagen den Ausnahmezustand verhängt. Die Türkei gehört als aufstrebende Volkswirtschaft zur Gruppe der G20-Länder.