Entspannter hätte der Gipfelort wohl kaum sein können. Die Karibikstadt Cartagena de Indias im Norden Kolumbiens präsentierte sich von ihrer schönsten Seite. Sonne, Strand und eine malerische Altstadt. Die Kulisse für den 6. Amerikagipfel war bestens gesetzt. Doch trotz wohliger Temperaturen um die 30 Grad war die Stimmung unter den 31 Staats- und Regierungschefs alles andere als sonnig. Sie zogen es vor, hinter verschlossenen Türen zu beraten. Dabei ist die erste Arbeitssitzung des Amerikagipfels eigentlich meist öffentlich.
Für Barack Obama war es eine schwierige Reise, denn anders als bei seinem ersten Amerikagipfel 2009 in Trinidad und Tobago kam er nicht als strahlender Wahlgewinner, sondern als Präsident, der im Wahlkampf steht. Er übernachtete als erster US-Präsident in Kolumbien und das gleich zweimal. Wie 2009 wiederholte er in Cartagena seine zentrale Botschaft für Lateinamerika: Es gebe in den Beziehungen keine Senior- und Junior-Partner. „Wir sind einfach Partner.“ Er signalisierte Gesprächs- und Kooperationsbereitschaft, blieb aber in zentralen Streitpunkten Kuba und dem Anti-Drogenkampf erwartungsgemäß hart.
First Ladys
Während die mitgereisten First Ladys – Michelle Obama kam nicht mit nach Cartagena – auf dem vor der Altstadt festgemachten Marine- Segelschulschiff „Gloria“ von Matrosen mit Shantys unterhalten wurden, rangen die Staats- und Regierungschefs nach möglichen Auswegen. Kolumbiens Staatschef Juan Manuel Santos gab in seiner Eröffnungsrede die Richtung vor: „Es gab in der Geschichte keinen besseren Moment, um Brücken in der (westlichen) Hemisphäre zu bauen.“
In seiner mit viel Applaus bedachten Ansprache sparte auch er das Thema Kuba nicht aus. Er warnte vor einer „verbohrten Ideologie“ und kritisierte das seit 50 Jahren währende US-Handelsembargo gegen die sozialistische Karibikinsel. „In der heutigen Welt gibt es für diesen Weg keine Rechtfertigung mehr, es ist ein Anachronismus, der uns in der Ära des Kalten Kriegs verankert, der schon seit Jahrzehnten überwunden ist.“ Für ihn wie für nahezu alle Gipfelteilnehmer aus Lateinamerika war klar: „Ein weiterer Gipfel … ohne Kuba ist undenkbar.“
„Kuba-Frage“
Doch keiner konnte ernsthaft erwarten, dass Obama in Cartagena seine Haltung ändert. Für die USA erfüllt Kuba die demokratischen Voraussetzungen für eine Rückkehr in die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) nicht, aus der Havanna 1962 ausgeschlossen wurde. Jeder Versuch, eine anderslautende Erklärung in eine Abschlussdeklaration zu integrieren werde stets an den USA scheitern, hieß es in Gipfelkreisen. Doch scheint der Rückhalt für Kuba in Lateinamerika nie stärker gewesen zu sein. Die seit Jahrzehnten offene „Kuba-Frage“ könnte für die OAS deshalb bis zum nächsten Gipfel 2015 zur Nagelprobe werden.
Möglicherweise nehmen sich die Staats- und Regierungschefs aber die Empfehlung von Gipfelgastgeber Santos zu Herzen, der für einen Paradigmenwechsel warb. „Es ist Zeit, die Stereotypen der Vergangenheit zu überwinden, wie etwa dass Lateinamerika eine Problemregion ist oder die USA eine imperialistische Macht sind.“ Alle Gipfelteilnehmer waren sich einig, dass man dazu einen breiten und offenen Dialog führen muss. Der fand aber beim ersten Plenum des Gipfels vorsichtshalber hinter verschlossenen Türen und ohne Kameras statt.
De Maart

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