Die Weichen der Macht neu stellen

Die Weichen der Macht neu stellen
(Grzegorz Momot)

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Nach einem Wahlkampf voller Emotionen und zunehmend heftiger Angriffe haben die Polen über einen neuen Präsidenten entschieden. Aber wie? Ob den ersten Prognosen getraut werden darf, ist ungewiss.

Die Polen haben am Sonntag nicht nur über einen neuen Präsidenten abgestimmt, sondern auch ein gutes Stück über die künftige Ausrichtung ihres Landes und die Zukunft der Regierung. Denn in Polen kann der Präsident einer „gegnerischen“ Regierung das Leben schwer machen – mit seinem Veto, mit eigenen Gesetzesinitiativen. Und im Herbst stehen Parlamentswahlen an.

Der Stichwahl zwischen dem Amtsinhaber Bronislaw Komorowski von der liberalkonservativen Bürgerplattform (PO) und seinem nationalkonservativen Herausforderer Andrzej Duda von der Oppositionspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) kam damit besondere Bedeutung zu.

Emotionen

Entsprechend hoch gingen die Emotionen in der Schlussphase des Wahlkampfs. „Andrzej Duda – to sie uda“ (Andrzej Duda, das gelingt) dichteten die PiS-Strategen optimistisch und sahen in einem Erfolg Dudas auch die Weichen für einen Machtwechsel gestellt.

Genau das ist der Alptraum nicht nur der Liberalkonservativen. „Bronek, musisz“ (Bronek = Kurzform für Bronislaw, du musst) drängten Intellektuelle, Künstler und Prominente wie der Regisseur Andrzej Wajda, der Boxer Dariusz Michalczewski oder der Schauspieler Andrzej Seweryn in sozialen Medien auf eine Wiederwahl des 62-jährigen.

Konflikte

Ehemalige Topdiplomaten, keineswegs alle von ihnen PO-Anhänger, erinnerten an das letzte Mal, als mit dem 2010 tödlich verunglückten Lech Kaczynski ein Nationalkonservativer Polens oberster Repräsentant war, vor allem aber an die PiS-Regierungskoalition unter Jaroslaw Kaczynski: Polens Außenpolitik sei damals von Komplexen und Konflikten mit wichtigen Partnern in der EU und von Dauerspannungen mit dem wichtigen Nachbarn Deutschland geprägt gewesen. In Zeiten des Ukrainekonflikts dürfe es keine Neuauflage einer solchen Politik geben.

In den Fernsehdebatten der vergangenen Woche erinnerte einiges in Dudas Rhetorik in der Tat an die vergangenen Warschauer Querschüsse Richtung Berlin oder Brüssel. Polen müsse seine nationale Identität auch in der EU bewahren, seine nationalen Interessen verfolgen, betonte der 43-jährige. Dagegen sieht Komorowski die Position Polens vor allem in der Zusammenarbeit mit Deutschland und Frankreich etwa im Rahmen des Weimarer Dreiecks gestärkt.

Zusammenarbeit

Europaparlamentarier Duda betonte, er sei im Europäischen Parlament zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien in der Lage – doch Konsens und Kompromiss waren in der Vergangenheit nicht die Stärken führender PiS-Politiker.

Der ehemalige polnische Regierungschef und heutige EU-Ratspräsident Donald Tusk sprach am Sonntag von einer „besonders wichtigen Wahl“. Tusk warnte angesichts des denkbar knapp erwarteten Ausgangs davor, den ersten Prognosen allzu viel Vertrauen zu schenken: „Ich nehme an, dass beide Kandidaten nicht bis heute abend, sondern bis morgen mittag warten, ehe Champagner entkorkt oder Tränen vergossen werden.“