Für die Menschen der Großregion ist der Anblick der breiten, runden Türme schon lange nichts Ungewöhnliches mehr. Auf Strecken wie zwischen Ellingen und Elwingen oder beim französischen Contz-les-Bains dominieren sie gar das Bild.
Das Kernkraftwerk liegt nur knappe zehn Kilometer vom französischen Thionville entfernt, 35 sind es bis nach Luxemburg-Stadt und 55 nach Saarbrücken. Ein dicht besiedeltes Gebiet also, in dem das nach Leistung zweitgrößte Kernkraftwerk Frankreichs den Strom beim Nachbarn produziert. Mit einer Jahresleistung von 34.000 Milliarden Kilowatt ist es zudem das siebtgrößte der Welt, wie es stolz in den Prospekten seines Betreibers, der „Electricité de France“ (EDF), heißt. Das darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die gehäuft auftretenden „Zwischenfälle“ der letzten Zeit Fragen aufwerfen.
Fünf Zwischenfälle seit letztem November
Fünf solcher „Zwischenfälle“ hat das Tageblatt alleine zwischen Ende November 2010 bis Mitte Februar diesen Jahres auf seinen „Faits Divers“-Seiten gemeldet. Der Grad der Schwere reicht vom „unerwarteten Abschalten des Reaktors 2“ bis zu zuletzt insgesamt drei verstrahlten Arbeitern.
Insgesamt neun „Zwischenfälle“ zählt die Internetseite der Bürgerinitiative „Cattenom-Non-Merci“ für das vergangene Jahr. 63 finden sich bei der Bundesregierung zwischen Anfang 2009 und Juni 2010, wie aus der parlamentarischen Anfrage dreier grüner Abgeordneter zu Cattenom hervorgeht.
„Betriebsstörungen“
Allerdings werden sie in der gleichen Anfrage als „Betriebsstörungen“ eingestuft, was mit den Standards von INES, dem international geltenden Warnsystem, zusammenhängt, bei dem Frankreich auch Mitglied ist.
INES schreibt vor, dass radiologische Vorfälle wie beispielsweise Anormalitäten beim Umgang mit radioaktivem Material, Austritt von Strahlung bei Transporten oder im Rahmen einer medizinischen Behandlung von den Mitgliedstaaten als „Information“ gemeldet werden können, jedoch nicht meldepflichtig sind.
Diese Erklärung stammt aus dem Büro des für Energie zuständigen EU-Kommissars Günther Oettinger, dem zu Cattenom außerdem nichts „Auffälliges“ bekannt ist.
„Warnung“
Das ergab eine Tageblatt-Anfrage in Brüssel. Im Falle der verstrahlten Arbeiter dürfte die Befreiung von der Meldepflicht aber nicht mehr gelten. Denn: Nach EU-Recht müssen die EU-Mitgliedstaaten Unfälle mit konkreter Gefahr für Mensch und Umwelt unmittelbar als „Warnung“ melden, heißt es aus Oettingers Büro weiter. Trotzdem scheint auf EU-Ebene alles im grünen Bereich.
Auf nationaler Ebene regt sich allerdings Widerstand. Neben den grenzüberschreitend organisierten Aktivisten – Luxemburger, Deutsche, Franzosen – zeigte sich die saarländische Umweltministerin Simone Peter (Grüne) in mehreren Interviews mit der Regionalpresse besorgt über die Sicherheit des Atomkraftwerks.
Sorgen im nahen Ausland
Ein Besuch in Cattenom sei noch vor Ostern geplant, berichtete die Saarbrücker Zeitung Ende letzten Jahres. Das geschah vor allem vor dem Hintergrund, dass der Betreiber EDF vor Kurzem angekündigt hat, die Laufzeit von Cattenom auf 60 Jahre verlängern zu wollen.
Die Anlage wurde zwischen 1986, das war das Jahr des Super-GAUs von Tschernobyl, und 1991 fertiggestellt und für eine Laufzeit von 30 Jahren ans Netz genommen. 20 Jahre lang hat sie der EDF bis jetzt gute Dienste geleistet. Acht Prozent der Stromlieferungen der EDF-Gruppe für den nationalen Markt stammen laut Eigenwerbung von dem Werk an der Mosel. 2021 wäre die „Pensionierung“ fällig gewesen, die jetzt ausgesetzt ist.
2,4 Milliarden Euro
Damit das Atomkraftwerk weiterhin gute Dienste leistet, nimmt der internationale Energiemulti Geld in die Hand. 2,4 Milliarden Euro sollen ab sofort für die Dauer von 20 Jahren in die Einrichtungen von Cattenom investiert werden. Das findet sich auf Seite 22 des hausinternen „Rapport développement durable, CNPE de Cattenom 2009-2010“. Ob diese Aussage mit von der nationalen französischen Atomaufsichtsbehörde (ASN) konstatierten „Sicherheitsmängeln“ in Cattenom zusammenhängt, lässt sich nicht sagen.
Das zeitliche Zusammenfallen des Erstellen des Berichtes mit den angemahnten Mängeln legt dies jedoch nahe.
Im Oktober 2009 hatte die Behörde „Ermüdungserscheinungen“ im Bereich der Strahlenschutzeinrichtungen bemängelt, die auf der Seite der ASN detailliert nachzulesen sind.
De Maart

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