Ab in die Privatwirtschaft

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(dpa/Symbolfoto)

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Lobbywächter haben die beruflichen Aktivitäten ehemaliger EU-Kommissare unter die Lupe genommen. Darunter auch Viviane Reding. Es gibt Kritik und viele offene Fragen.

Was machen eigentlich die ehemaligen EU-Kommissare? Dieser Frage sind die Experten von Corporate Europe Observation (CEO) und Lobbycontrol nachgegangen. Das meldete am Mittwoch „Spiegel-Online“. Nach dem Antritt der Kommission Juncker vor einem Jahr mussten 26 Kommissarinnen und Kommissare sich eine neue Beschäftigung suchen.

Die Frage wurde zum ersten Mal akut, als 1999 der Deutsche Martin Bangemann auf direktem Wege von seinem Posten als EU-Kommissar für Telekommunikation zum spanischen Telefónica-Konzern wechselte. Seitdem wird der Wechsel der Politiker in die Privatwirtschaft zunehmend kritisiert.

Verhaltenskodex

Die EU-Kommission reagierte damals, indem sie einen Verhaltenskodex ausarbeitete. Darin wird auch der Wechsel der Ex-Kommissare in private Unternehmen geregelt. Allerding gebe es viele Schlupflöcher, wird moniert. Nach dem Bangemann-Fall wurde des Weiteren ein Ethik-Komitee ins Leben gerufen. Dessen Glaubwürdigkeit wurde aber schnell angezweifelt, weil der Vorsitzende ein Tabak-Lobbyist war.

Nach dem Ende der Barroso-Kommission 2010 wechselten wieder mehrere EU-Kommissare in große Konzerne. Daraufhin wurde der Verhaltenskodex verschärft. Jedoch ohne Resultat, betonen die Lobbywächter. Acht Posten in der Privatwirtschaft von vier ehemaligen Kommissaren hätten nicht autorisiert werden dürfen. Und bei mehreren anderen Genehmigungsprozesses gebe es offene Fragen.

Viviane Reding

In dem Artikel auf „Spiegel-Online“ wird dann auch die Luxemburger Ex-Kommissarin Viviane Reding genannt. Sie war 15 Jahre lang Mitglied der EU-Kommission, zuletzt ihr Vize-Chef und für die Justiz verantwortlich. Seit ihrem Ausscheiden aus der EU-Kommission sitzt sie im Verwaltungsrat von Agfa-Gevaert (Link). Des Weiteren soll die Luxemburgerin demnächst auch Mitglied des Verwaltungsrats des Rohstoffkonzerns Nyrstar werden. Reding ist außerdem Mitglied des Kuratoriums der Bertelsmann-Stiftung. Für all diese Posten erhielt sie eine Genehmigung. Die CSV-Europa-Abgeordenete ist laut Corporate Europe Observation (CEO) aber auch Berichterstatterin im Handesausschuss des EU-Parlaments. Interessenkonflikte seien da vorprogrammiert, so die Lobbywächter.

Auch bei Ex-Verkehrskommissar Siim Kallas gibt es laut „Spiegel-Online“ Ungereimtheiten. Er ist unter anderem Verwaltungsratsmitglied im estnischen Softwarekonzern Nortal, parallel aber auch Berater für EU-Währungskommissars Valdis Dombrovskis, unter anderem für die wirtschaftlichen Beziehungen zu den östlichen Nachbarn der Eurozone. Und die ehemalige Wettbewerbskommissarin und EU-Kommissarin für die Digitale Agenda Neelie Kroes gab bei ihrem Ausscheiden aus dem EU-Amt an, nicht in die Privatwirtschaft gehen zu wollen. Jedoch ist sie inzwischen Sonderberaterin für die US-Großbank Bank of America. Schon während ihrer Zeit als EU-Kommissarin stand sie wegen ihrer Tätigkeiten in verschiedenen Unternehmen in der Kritik.

Die Lobbywächter fordern, dass ehemalige EU-Kommissare während mindestens drei Jahren keinen Posten in Firmen annehmen dürfen. Außerdem sollen alle neuen Tätigkeiten bei der EU-Kommission angemeldet und genehmigt werden. Schließlich soll ein unabhängiger Ethikausschuss eingerichtet werden.

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