Bewegung in der Krise

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Europas Politiker waren angetreten, das Vertrauen gegenüber den Märkten durch eine blinde Austeritätspolitik wiederherzustellen.

Das Resultat ist mittlerweile bekannt. Man braucht sich nur die Lage von Spanien, Italien, Portugal und Irland anzuschauen. Man zwang diese Länder durch den Kahlschlag bei der öffentlichen Hand in eine tiefe Rezession. Wahrlich keine vertrauensbildende Maßnahme.

Sascha Bremer sbremer@tageblatt.lu

Dabei hatten z.B. Irland und Spanien bis zum Ausbruch der Finanzkrise nach der Lehman-Pleite eine relativ niedrige Schuldenquote.

Allen voran Berlin zwang diesen Ländern eine Politik der internen Devaluation auf. D.h. man wollte die Kompetitivität dieser Länder und deren Staatshaushalte dadurch verbessern, dass die Löhne drastisch gesenkt wurden. Die Konsequenz war nicht die Ankurbelung des Wachstums, sondern dessen Abwürgen. Die Arbeitslosigkeit stieg, die Produktion fiel. Dies setzte eine wirtschaftliche und soziale Abwärtsspirale in Gang, an der Europas Peripherie noch lange leiden wird.

Dabei hat man noch nicht davon abgelassen, dass einige Länder sich zu Tode sparen. Die Löcher in den Staatshaushalten sind heute größer denn je, weil die Einnahmen weggebrochen sind. Das Experiment „interne Devaluation“ ist schiefgegangen. Wie sollte es denn auch gelingen?

Komischerweise sind es gerade die Länder, in denen die Staatsausgaben weiter gestiegen sind (Deutschland und Frankreich z.B.), welche heute am besten dastehen.

Sie bekommen dazu noch auf den Märkten die günstigsten Bedingungen fürs Schuldenmachen. Ihre Wirtschaftsleistung ist im Durchschnitt zwischen 2008 – dem schlimmsten Krisenjahr – und 2012 gewachsen. Angela Merkel – und in ihrem Schlepptau Sarkozy –, die ganz Europa die Austeritätspolitik vorgeschrieben hatte, hielt vom Kahlschlag im eigenen Lande selber nicht viel. Glücklicherweise, muss man fast sagen.

Tue, was ich sage, nicht das, was ich tue

Neben der Hypokrisie „tue, was ich sage, nicht das, was ich tue“ wog wohl nur die Tatsache schlimmer, dass weite Teile der europäischen Öffentlichkeit, der Medien und der gewählten Vertreter diese Gegensätzlichkeit mit einer Mischung aus Fatalität und Gleichgültigkeit ernst nahmen. „Alternativlos“ – dieser merkelschste aller Begriffe – war das Wort, mit dem jede noch so giftige Pille schluckbar gemacht wurde. Dabei gab und gibt es sie, die Alternativen.

Doch zuerst steht der zweite Teil des Endspiels der griechischen Staatsschuldenkrise an. Nichts ist ungewisser als die Zukunft, aber sehr bald wird sich der Austritt der Griechen aus der Eurozone entscheiden müssen.

Das Land kann fast nicht anders, als durch eine eigene Währung wieder Tritt zu fassen – am Boden befindet es sich eh schon. Man erinnere sich daran, dass dies vor noch gar nicht allzu langer Zeit von denen, die an den Schalthebeln der Macht saßen und sitzen, entweder als a) Super-GAU für den Euroraum oder b) als schlecht für Griechenland abgetan wurde.

Die Zeichen dafür, dass es so kommt, mehreren sich bereits seit Tagen. Der Trend, dass immer mehr Gelder aus der Peripherie in deutsche und sogar französische Staatsanleihen fließen, also ins Zentrum, wird sich noch verstärken. Dann allerdings wird Europa, oder besser gesagt Deutschland, Farbe bekennen müssen.

Das versucht es erstaunlicherweise bereits. Zwar zögerlich und hinter vorgehaltener Hand, aber immerhin. So sagte Wolfgang Schäuble vor kurzem einerseits, dass die Eurozone einen Austritt Griechenlands verkraften könnte. Auf der anderen Seite verplappert sich Bundesbank-Chef Weidmann und meint, eine etwas höhere Inflation – so um die vier Prozent – könnte man den Deutschen durchaus zutrauen, damit Europas Wirtschaften wieder ins Gleichgewicht kommen. Fehlt eigentlich nur noch, dass sich Angela Merkel für eine Wachstumspolitik und für Euro-Bonds oder Ähnliches ausspricht. Das könnte schneller kommen, als so manche meinen – trotz oder gerade wegen François Hollandes Wahlsieg.