Zwei Jahre respect.lu: Zentrum gegen Radikalisierung hat ein großes Stück Arbeit vor sich

Zwei Jahre respect.lu: Zentrum gegen Radikalisierung hat ein großes Stück Arbeit vor sich

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Das Zentrum gegen Radikalisierung respect.lu ist 2017 geschaffen worden, um den verschiedensten gewaltbereiten Formen von Radikalisierung entgegenzutreten. Sei es durch Information der Öffentlichkeit, der Sensibilisierung von Menschen, die mit Radikalisierung zu tun haben könnten, oder durch Beratung und Hilfeleistung für Betroffene und deren Familienangehörigen. Nächste Woche organisiert das Zentrum eine Fachtagung.

Würde der mutmaßliche IS-Dschihadist Steve Duarte nach Luxemburg zurückkehren und bereit sein, ein neues Leben, fern der islamistischen Radikalisierung, zu beginnen, dann könnte Karin Weyer sich vorstellen, mit ihm zu reden.

Karin Weyer ist Psychologin und Leiterin von respect.lu, dem Zentrum gegen Radikalisierung. Diese Einrichtung wurde vor zwei Jahren von der Regierung ins Leben gerufen. Einer der Gründe dürften damals die islamistischen Attentate in den Nachbarländern gewesen sein.

Seit Gründung 75-mal tätig geworden

Sieben Personen teilen sich im Zentrum viereinhalb Posten. In den vergangenen zwei Jahren gab es 75 Situationen, in denen das Zentrum aktiv wurde, beraten und geholfen hat. Dabei ging es nicht nur um religiöse Radikalisierung, sondern beispielsweise auch um Hassreden in den sozialen Netzwerken oder übersteigerte, zu Gewalt neigende Formen des Nationalismus.

In verschiedenen Fällen würde ein Gericht den Besuch des Zentrums anordnen. Ansonsten muss jeder selbst den Kontakt suchen. Menschen, die Gefahr laufen, sich zu radikalisieren, oder die sich bereits in einem Radikalisierungsprozess befinden, würde geholfen, selbstkritisch Klarheit über ihr Tun zu gewinnen und einen Ausweg zu finden. Hilfe kann es auch geben für Menschen, die radikalisiert sind, aber aussteigen möchten. Es kämen, so Karin Weyer, aber auch Eltern oder andere Familienangehörige, die Beratung und Unterstützung brauchen, weil jemand aus ihrem Umfeld Anzeichen einer Radikalisierung zeigt.

Angst wegnehmen

Eine wichtige Aufgabe von respect.lu ist aber auch die Information. Vor allem im sozialen Bereich, bei Lehrern, Sozialarbeitern und Erziehern, wird versucht zu sensibilisieren. In Kreisen, die mit Radikalisierung in Kontakt kommen könnten, wird über Themen informiert wie: Was ist eigentlich Radikalisierung? Wie erkennt man sie? Wie geht man damit um? Solche Beratungen und Kurse gibt es zum Beispiel auch für das Personal im Gefängnis, ein Ort, der gegen Radikalisierung sicher nicht gefeit ist.

Zu den Aufgaben des Zentrums gegen Radikalisierung gehört zudem, die Öffentlichkeit zu sensibilisieren, aufzuklären und somit ein Stück Angst wegzunehmen. Es gehe zum Beispiel auch darum, sagt Karin Weyer, zu erklären, dass Radikalisierung ein Prozess ist, der oft durch Lebenskrisen ausgelöst, aber nicht immer negativ sein muss. Negativ ist sie vor allem dann, wenn sie demokratische Strukturen und die offene Gesellschaft infrage stellt und wenn sie mit Gewaltandrohung und -bereitschaft einhergeht.

Andererseits kann es aber durchaus vertretbare und nützliche Formen der Radikalisierung geben. Bei Gewerkschaften zum Beispiel, in der Frauenbewegung oder bei Umweltschützern könne mit radikalen Meinungen und Forderungen, die nicht zur Gewalt aufrufen, durchaus etwas bewegt werden, wie Beispiele aus der Vergangenheit und Gegenwart zeigen, so Karin Weyer.

Fachtagung zum Thema

Im Sinne einer breiten Information organisiert das Zentrum auch Konferenzen und Fachtagungen. Am kommenden Montag und Dienstag werden so zum Beispiel unter dem Titel „Radikalisierung und gesellschaftliche Diskurse“ während zwei Tagen unterschiedliche Bereiche des Themas von Fachleuten und Betroffenen vorgestellt und in Workshops diskutiert.

Drei Fragen stehen an erster Stelle. Was haben Geschlecht und Gender mit Radikalisierung und mit der Rekrutierung für extremistische Kreise zu tun? Wie nutzen radikale Gruppen den gesellschaftlichen Diskurs für ihre Zwecke? Welche Parallelen und Unterschiede gibt es zwischen Rechtsextremismus und Islamismus?

Die Tagung ist in der Abtei Neumünster. Sie ist kostenlos, Interessenten sollten sich aber einschreiben unter http://bit.ly/Anmeldungfachtagung.