Blockade des SuezkanalsWenn die Weltwirtschaft plötzlich auf eine Flut hofft und was Kapitänen den Nerv raubt  

Blockade des Suezkanals / Wenn die Weltwirtschaft plötzlich auf eine Flut hofft und was Kapitänen den Nerv raubt  
Trotz des ganzen Spottes: Bagger spielen bei den Befreiungsversuchen weiterhin eine Rolle  Foto: AFP

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Seit vergangenem Dienstag steckte die „Ever Given“ im Suezkanal fest. Nach fast einer Woche ist das riesige Containerschiff am Montag endlich freigekommen. Gründe und Folgen des Unglücks bleiben unklar. All das wirft ein Schlaglicht auf die Bedeutung der Wasserstraße – aber auch auf das schwierige Navigieren darin.

Der Mann mit dem Bagger und das Riesenschiff. Die Bilder gingen vergangene Woche um die Welt. Vom Rand des Suezkanals stemmt sich die Schippe gegen den Rumpf des dort stecken gebliebenen Containerschiffes. David gegen Goliath wäre noch untertrieben. Und scheinbar doch ein gewichtiger Teil des Plans, die „Ever Given“ wieder ins Fahrwasser zu bugsieren – und somit dieses aus dem Welthandel nicht mehr wegzudenkende Transport-Nadelöhr wieder zu entkorken, in dem seit vergangenem Dienstag nichts mehr vor und nichts mehr zurück geht. Doch die Anstrengungen scheinen sich gelohnt zu haben: Seit Montagmorgen ist das Containerschiff wieder frei. Die Produkte aus Asien können seitdem endlich wieder zu den Kunden in Europa gelangen.

Schlamm weggraben, anschieben, mit Spezialbooten anziehen. Zahlreiche Versuche, das unter der Flagge Panamas für die taiwanische Reederei Evergreen fahrende Schiff und damit den ganzen Suezkanal wieder freizubekommen, sind gescheitert. Die Hoffnung auf Besserung zu Wochenbeginn waren am Sonntag zwar gestiegen. Nach Angaben der Tracking-Apps MarineTraffic und VesselFinder waren zwei weitere Schlepper auf dem Weg zu der wichtigen Wasserstraße, um bei der Bergung zu helfen. Zudem hoffte das mit der Bergung beauftragte niederländische Spezialunternehmen Smit Savage auf die Frühjahrsflut, die für Sonntagabend erwartet wurde.

Eine Durchfahrt kostet ein paar Hunderttausend Dollar

Allerdings gestalteten sich die Arbeiten an dem Containerschiff zäh. Auch deswegen hat Ägyptens Präsident Abdel Fattah al-Sissi am Wochenende angeordnet, mit den Vorbereitungen zur Entladung von Containern von dem festsitzenden Frachtschiff zu beginnen. Dies sagte der Chef der Suez Canal Authority (SCA), Osama Rabie, dem Sender Extra News am Sonntag. Die Bergungsexperten haben gehofft, die 400 Meter lange „Ever Given“ ohne den zeitraubenden Schritt wieder flottzubekommen.

Einige Kapitäne verlieren an Bord komplett die Nerven

Mohamed Roshdy, Lotse am Suezkanal

Für Ägypten ist der Suezkanal, den es 1956 verstaatlichte, nicht nur ein Prestigeobjekt, sondern auch eine beträchtliche Einnahmequelle. Eine Durchfahrt kostet je nach Schiffsgröße ein paar hunderttausend Dollar. Im August 2019 meldete die Kanalbehörde einen Rekordjahresumsatz von mehr als fünf Milliarden Euro.

Satellitenbilder zeigen: Nichts geht mehr  
Satellitenbilder zeigen: Nichts geht mehr   Foto: AFP/Satellite image ©2021 Maxar Technologies

Mehr als ein Zehntel des Welthandelsvolumens, hat die Versicherungsgesellschaft Allianz errechnet, wurden 2019 durch den Kanal bewegt, der im selben Jahr seinen 150. Geburtstag feierte. Die jetzige Blockade soll demnach jede Woche sechs bis zehn Milliarden Dollar kosten. Seit das 400 Meter lange und 56 Meter breite Schiff an einer mit etwas mehr als 200 Metern schmalen Stelle des Kanals rund sechs Kilometer hinter der südlichen Einfahrt auf Grund lief, stehen im Roten und im Mittelmeer Hunderte Schiffe im Stau. Von den Proportionen her ist es ungefähr so, als liege die „Rout Bréck“ bei Remich quer in der Mosel.

Als liege die „Rout Bréck“ bei Remich quer in der Mosel

Seitdem fragt sich die Welt nicht nur, wie das Schiff wieder bewegt werden kann – sondern auch, wie das passieren konnte. Zur Unglückszeit fegte ein Sandsturm über den Kanal, aber auch menschliches oder technisches Versagen wird nicht ausgeschlossen.

Mohamed Roshdy, ein seit 40 Jahren als Lotse arbeitender Ägypter, kennt die Tücken des Suezkanals. „Einige Kapitäne verlieren an Bord komplett die Nerven“, sagt Mohamed Roshdy der Deutschen Presse-Agentur 2019 über die meist elf bis 16 Stunden lange Durchfahrt. Solch riesige Schiffe bei Seitenwind und Strömung durch eine schmale Schifffahrtsrinne zu steuern, stelle auch erfahrene Kapitäne vor große Herausforderungen. Wüstenwinde, sagte Roshdy schon lange vor dem „Ever Given“-Schlamassel, könnten ein haushohes Schiff in einen „Ballon“ verwandeln. „Ein Schiff ist nicht wie ein Auto. Wenn du die Steuerung verlierst, weißt du nicht, wo es hintreiben wird.“ Admiral Usama Rabi, Vorsitzender der Kanalbehörde, schloss am Samstag allerdings aus, dass allein der Wind und der Sandsturm zum Unfall führten.

Links der 21. März, rechts der 25.: Bilder der Europäischen Raumfahrtagentur ESA zeigen den Schiffsstau  
Links der 21. März, rechts der 25.: Bilder der Europäischen Raumfahrtagentur ESA zeigen den Schiffsstau   Foto: ESA

Wo es die „Ever Given“ hingetrieben hat, weiß nun jedenfalls die ganze Welt. Doch um den Suezkanal führen in der Schifffahrt nicht viele Wege herum – jedenfalls nicht für einen aus Saudi-Arabien oder dem Irak kommenden Öltanker, der unter engem Zeitplan die Niederlande, Italien oder die USA ansteuert. Den Seeweg von Europa nach Indien verkürzt der Kanal um etwa 7.000 Kilometer, der Umweg über das Kap der Guten Hoffnung, den jetzt viele auf sich nehmen, kann ein Schiff drei weitere Wochen kosten.

Die enorme Zeitersparnis entzückte Händler, Schiffsleute und Politiker schon vor 150 Jahren, als der Bau am 17. November 1869 mit großem Pomp eröffnet wurde. 5.000 prominente Gäste aus aller Welt reisten damals an, um das damals größte Projekt des maritimen Weltverkehrs zu bestaunen. Sie feierten bei Feuerwerk und einem Festball, denn Erbauer Ferdinand de Lesseps, einem französischen Diplomaten, war im kargen Land eine technische Meisterleistung gelungen. Dass Zehntausende ägyptische Zwangsarbeiter unter brutalen Bedingungen schuften mussten und Tausende beim Bau ums Leben kamen, wird heute selten erwähnt. Nur die Blockade des Kanals hat auch diese Opfer wieder in Erinnerung gerufen.

Die Blockade kostet Schätzungen zufolge mindestens eine Milliarde Dollar pro Tag
Die Blockade kostet Schätzungen zufolge mindestens eine Milliarde Dollar pro Tag Foto: AFP/Ahmed Hasan

Im Hier und Jetzt sind die 25 Crewmitglieder, die alle aus Indien stammen, Agenturmeldungen zufolge wohlauf und weiterhin an Bord. Über mögliche Schäden an der Ladung oder eine Verschmutzung des Wassers gibt es bisher keine Informationen. Erste konkrete Auswirkungen sind trotzdem bereits zu spüren: Syrien erklärte am Samstag, dass es als Reaktion auf eine ausbleibende Öllieferung mit der Rationierung der Treibstoffversorgung begonnen habe. Tierschützer sorgen sich unterdessen um das Schicksal von 130.000 Schafen an Bord von elf rumänischen Frachtern. (mit Material aus den Agenturen)

Rosie
29. März 2021 - 20.36

Der alte Kapitän hat eine merkwürdige Angewohnheit. Jeden Morgen öffnet er den Safe in seiner Kajüte, nimmt einen kleinen Zettel heraus, liest aufmerksam was drauf steht, und legt dann den Zettel zurück in den Safe. Alle Crewmitglieder wissen davon und wundern sich, was wohl auf dem Zettel stehen mag, aber keiner traut sich, den Kapitän zu fragen. Eines Tages stirbt der alte Kapitän. Nun will die Crew es aber wissen. Sie nehmen den Safeschlüssel des toten Kapitäns, öffnen den Safe, nehmen den Zettel und lesen erstaunt: Backbord = Links. Steuerbord = Rechts.

Observer
29. März 2021 - 11.49

Nachteile des Just in Time Groessenwahns!

BéGé
29. März 2021 - 10.49

Die Zeit der gedächtnislosen Riesen ist endgültig vorbei. Die kleiste Wunde bringt sie zum Unfallen , oder ?