Ein RückblickWeiter warten auf die neue Welt: Europas radikal Rechte drei Jahre nach ihrer Koblenz-Tagung

Ein Rückblick / Weiter warten auf die neue Welt: Europas radikal Rechte drei Jahre nach ihrer Koblenz-Tagung
Wilders mischt noch mit, Le Pen auch, Pretzell und Petry sind zwar weg vom Fenster, ihre ehemalige Partei aber, die AfD, feierte in den vergangenen drei Jahren Erfolge – wie fast alle radikal rechten Parteien in Europa Foto: AP/Michael Probst

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Vor drei Jahren traf sich in Koblenz die Internationale der Nationalisten. Salvini war da, Le Pen sowie Wilders und viele andere auch. Die Tagung sollte ein Fanal sein: Europas radikal Rechte wollten zu Beginn des Superwahljahres 2017 den Kontinent politisch und gesellschaftlich umkrempeln. Auch drei Jahre und einige Rückschläge sowie Aufstiege später hegen sie diesen Wunsch weiter. 

„Das Ende einer Welt und die Geburt einer neuen“, hieß es vor drei Jahren, als sie alle in Koblenz waren. Matteo Salvini, Marine Le Pen, Geert Wilders, Harald Vilimsky für die österreichische FPÖ. Eingeladen hatte die AfD, noch mit ihrem damaligen Shootingstar Frauke Petry, alles im Namen der radikal Rechten im Europaparlament von der Fraktion Europa der Nationen und der Freiheit, ENF.

Eine Internationale der Nationalisten hatte sich an diesem sonnigen Samstag im Januar des Jahres 2017 in der Rhein-Mosel-Halle eingefunden. Draußen wurde mit prominenter Unterstützung protestiert, auch Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nahm an der Demonstration teil, ebenso der damalige SPD-Chef Sigmar Gabriel. Der deutsche Europapolitiker Elmar Brok kritisierte die ENF-Konferenz damals als „Showveranstaltung“ (hier geht es zu unserer Reportage: Europas Rechte schwören sich auf 2017 ein).

Die volle Medienaufmerksamkeit war demnach garantiert, der Zeitpunkt wohl gewählt. Europas Rechte witterten die Gunst der Stunde. Als Marine Le Pen, vorgestellt als Star der Veranstaltung, das „Ende einer Welt“ ausrief, tobte der Applaus. Zuvor waren die prominenten Repräsentanten des rechten Europas bei pompöser Musik und zwischen Nationalflaggen schwenkenden Saalordnern zur Bühne geschritten, davor waren die zahlreichen Medienvertreter schon lauthals begrüßt worden: „Lügenpresse! Lügenpresse!“

Anspannung vor dem „Superwahljahr“

Nach einem eben zu Ende gegangenen Jahr 2016 mit Brexit-Referendum und Trump-Wahl und am Anfang eines „Superwahljahr“ getauften 2017 sahen sich viele mit populistischem Wind in den Segeln vor einem möglichen Wahlsieg. Marine Le Pen in Frankreich. Geert Wilders in den Niederlanden. Frauke Petry wollte den Job als Spitzenkandidatin bei der AfD, um diese im Herbst in den Bundestag zu führen. Matteo Salvini war damals schon im politischen Aufstieg begriffen und in Italien darf immer auf vorgezogenen Neuwahlen spekuliert werden. Dasselbe tat wohl Harald Vilimsky, der die FPÖ in Koblenz nur vertrat, weil seine Chefs Heinz-Christian Strache und Norbert Hofer wie Fanboys bei der Amtseinführung von Donald Trump in Washington weilten – als Vertreter einer Partei, die damals noch einen Partnerschaftsvertrag mit der Partei Einiges Russland von Wladimir Putin unterhielt.

In Österreich wurde dann tatsächlich 2017 neu gewählt, in Italien dauerte es bis Anfang 2018. In beiden Wahlen feierten die radikal Rechten große Erfolge, übernahmen Regierungsverantwortung – und scheiterten kurz darauf wieder, beide im vergangenen Jahr. Die FPÖ stürzte über die Skandale ihres Vizekanzlers Strache, die Lega ließ ihre Koalition mit den Fünf Sternen selber platzen, ohne die Rechnung bis zum Ende zu denken – schließlich war auch eine Koalition ohne Salvinis Partei möglich, seitdem ist für die Lega-Leute wieder Oppositionsarbeit angesagt.

In Frankreich wurde wenige Monate nach Koblenz Emmanuel Macron neuer Präsident und nicht Marine Le Pen. Davor schon war Geert Wilders mit seiner Partei für die Freiheit bei den Parlamentswahlen in den Niederlanden trotz Zugewinnen hinter den eigenen Erwartungen zurückgeblieben und weit hinter den Liberalen Mark Ruttes gelandet. Die AfD, Frauke Petry war da weg vom Fenster und ersetzt worden durch die Doppelspitze Alice Weiland und Alexander Gauland, schaffte im Herbst 2017 erwartungsgemäß den Einzug in den Bundestag, ist seitdem in Berlin größte Oppositionspartei.

Jetzt, drei Jahre später, lohnt es sich, noch einmal über Marine Le Pens damaligen Wunsch nach dem Ende der alten und der Geburt einer neuen Welt nachzudenken. Klar, damals zitterte halb Europa vor einem drohenden Rechtsruck. Klar, so schlimm sollte es am Ende dann doch nicht kommen. Doch die politischen Erfolge, die vor allem liberale und konservative Parteien gegen die Rechten verbuchen konnten, kamen auch zustande, indem sie etwa in der Migrationspolitik Positionen und Politik der radikal Rechten übernahmen. Die einzelnen bislang angesprochenen Parteien haben – bis auf die FPÖ – die vergangenen drei Jahre unbeschadet überstanden, befinden sich wieder im Angriffsmodus.

Wenn Schreckgespenster salonfähig werden 

Aus Salvinis Lega Nord ist mittlerweile die Lega geworden, Le Pens Front National heißt jetzt Rassemblement National. Trotz seines Malheurs mit der Koalitionsaufkündigung in der Hoffnung auf Neuwahlen bleibt Salvini der starke Mann in Italiens Politik. Die Machtübernahme bleibt sein Nahziel. Le Pens Rassemblement National war (wie die Lega in Italien) bei den Europawahlen im Juni 2019 meistgewählte Partei in Frankreich. Und hinter Marine Le Pen lauert schon die nächste rechte Chefin. Die in Frankreich äußerst beliebte Le-Pen-Nichte Marion Maréchal hat sich zwar offiziell aus der Politik zurückgezogen, wird trotzdem als Wachablöserin vor den nächsten Wahlen 2022 gehandelt. In den Niederlanden geht es zwar mit Geert Wilders’ Partei bergab, aber nur wegen eines anderen Rechtspopulisten. Thierry Baudet hat die politische Landschaft des Benelux-Staates ein weiteres Mal von rechts aufgemischt. So wurde seine „Partei für die Demokratie“ bei den Provinzwahlen im vergangenen Jahr auf Anhieb stärkste Kraft.

Im Europaparlament haben sich die Verhältnisse ebenfalls weiter verschoben. Aus der ENF-Fraktion, die hinter der Koblenz-Veranstaltung stand, ist die Fraktion Identität und Demokratie (ID) geworden, verstärkt durch Parteien zweier anderer rechter Fraktionen aus dem Europaparlament. Besonders die elf neuen Abgeordneten der AfD sorgen hier für eine Verschiebung der Kräfte. Mit dem nun nahenden Brexit und der daraus hervorgehenden Umverteilung einiger Mandate im Europaparlament wird die ID sogar an der Grünen-Fraktion vorbeiziehen – und dann viertstärkstes Bündnis in der europäischen Volksvertretung sein.

Drei Jahre nach der Vereinigung der nationalistischen Führer Europas in Koblenz ist keine alte Welt zu Ende gegangen und auch keine neue geboren worden. Allerdings wird weiter an der Verankerung der alten gerüttelt. Aus der Europäischen Union wollen nur noch die wenigsten Vertreter des radikal rechten Spektrums austreten. Lieber würden sie sie von innen verändern, ein Europa der Nationen daraus machen. Waren Salvini, Le Pen, Wilders und wie sie alle heißen Anfang 2017 noch europäische Schreckgespenster, sind sie oder ihre Nachfolger in der Zwischenzeit zu gängigen Spielern der politischen Landschaft in Europa geworden.

Hier geht es zur Reportage von 2017.

Jacques Zeyen
23. Januar 2020 - 9.49

Die haben die falschen Uniformen an. Auf dem Bild fehlt noch die Dame von Storch. Die mit dem Schießbefehl auf Flüchtlinge.

J.Scholer
23. Januar 2020 - 7.51

Die Rechte, leidiges Thema der Medien , Debakel für eine humanistische Gesellschaft. Wollen wir dieses Gespenst definitiv vertreiben, sollten wir die Ursachen des Frevels bekämpfen. Eine bürgerfeindliche Politik, Wirtschaftsstreben, übertriebener Konsum, zu rasante Entwicklung , schnelllebige Gesellschaftsnormen,........ »Iellenbougesellschaft « ,Armut,.....Wir alle , als Rad und Stütze dieser dekadenten Gesellschaft, tragen Mitschuld am Problem „Rechte und Nationalismus“ gaben wir längst den Sinn zur Realität , bewusst oder unbewusst verloren, « mir liewen am Glashaus ».