Euro MeetWarum Pit Brandenburger mit einem Teebeutel verglichen wurde

Euro Meet / Warum Pit Brandenburger mit einem Teebeutel verglichen wurde
Pit Brandenburger (M.) ist reif für den nächsten Sprung seiner Karriere Foto: Editpress/Luis Mangorrinha

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Irgendwo im Hause Brandenburger liegt noch ein altes Skateboard rum. Dieses Brett hat den FLNS-Athleten vor langer Zeit dazu motiviert, seine allerersten 25 Meter zurückzulegen. Über die Jahre hinweg waren es dann die eigenen Landesrekorde, der Ehrgeiz und die Unterstützung von Trainer Christophe Audot, die Pit Brandenburger zu der Popularität verhalfen, die er heute hat. Doch die etlichen Kilometer im Wasser hinterließen Spuren: Im Sommer wird der 28-Jährige seine Karriere beenden.

Das diesjährige Euro Meet wird wohl nicht unbedingt der Wettbewerb sein, an den sich Pit Brandenburger zuerst erinnert – obschon es für ihn wahrscheinlich der letzte Hochkaräter in Luxemburg war. „Auf den 200 m Freistil blieb ich deutlich hinter meinen eigenen Erwartungen zurück. Ich hatte mir aufgrund einer Trainingsumstellung eigentlich ebenfalls mehr auf dem 50er erhofft. Auf den 100 m heute morgen (am Sonntag) fühlte ich mich gut, doch dann gingen irgendwann die Lichter aus …“ 

Die Enttäuschung hält sich dennoch in Grenzen. Brandenburger ist an einem Punkt angekommen, an dem er sich mit der richtigen Portion Selbstreflexion sagen kann, dass er seinem Leben eine Neuausrichtung geben will. Nationaltrainer Christophe Audot, der seinen Schützling seit dem 13. Lebensjahr am Beckenrand des Swimming Luxembourg betreut hat, weiß, was damit gemeint ist: „Man denkt als Coach ja auch an eine Begleitung ins Leben nach dem Sport. Von allen Schwimmern ist derjenige, der in den letzten Jahren mit Abstand die höchste Intensität und Volumen aufgebracht hat. Er hat mir geklärt, dass er diese Konzentration nicht mehr in diesem Maß aufbringen kann. Die physische und mentale Gesundheit eines Sportlers genießen immer oberste Priorität und man muss das respektieren.“

Mentale Gesundheit

Denn der Sportsoldat ist kein Freund von halben Sachen. Nach der Pandemie hat er nicht mehr zu seinem Topniveau zurückgefunden. Die Entscheidung, die Sportkarriere 2024 ausklingen zu lassen, ist daher wenig überraschend: „Ich weiß genau, was ich machen muss, um eine Bestzeit zu schwimmen, doch mental und physisch schaffe ich es nicht mehr. Die vergangenen Jahre im Becken haben mich regelrecht ausgelaugt. Es gibt Phasen, in denen ich wie eine Maschine trainieren, aber das so weiterzumachen kostet mich zu viel Energie.“

Nachdem er bereits einmal pausiert hat, einigte sich Brandenburger mit Audot auf eine Anpassung des Trainings. „Alles, was über eine gewisse Kilometerzahl hinausgeht, hat mich einfach nur noch angewidert“, sagte der 28-Jährige. „Es ist nicht unbedingt, die Anstrengung, die mich nervt, sondern dieses Schwimmen, nur um Kilometer abzuspulen. Jetzt setzen wir den Fokus auf Sprints und Power. Das bin ich nicht gewöhnt, aber es gefällt mir. Letzte Woche sagte Christophe, ich sei wie ein Teebeutel: Man muss auf die Wirkung warten, bis sich das Ganze entfaltet. Es ist etwas, das mich nervt, aber das dauert eben.“

Diese Ungeduld war es, die seine Karriere im frühen Alter ins Rollen brachte: Brandenburger erinnert sich heute noch an einen Tag im Urlaubsparadies. „Mein Vater hat mir das Schwimmen beigebracht. Er hat mir gesagt, dass ich eine Belohnung erhalten würde, wenn ich die 25 Meter am Ende des Tages alleine zurücklegen könnte. Das Skateboard, dass ich dann bekommen habe, liegt noch irgendwo zu Hause.“ Audot schätzt die Einstellung, den Willen und den Biss seines Freistil-Experten sehr. „Man muss ihm zustehen, dass er Großes geleistet hat. Er zeichnet sich durch seine Loyalität aus.“

Ich weiß zwar nicht mehr, was ich in Montenegro gegessen hatte, aber ich war ‚on fire’

Pit Brandenburger

Einen ersten Quantensprung gab es, als er sich mit 18 zum ersten Mal für die Europameisterschaften qualifizierte. Sein bestes Level erreichte Brandenburger unmittelbar vor Corona, als er 2019 bei den JPEE die Rekorde in furioser Manier aneinanderreihte: „Ich weiß zwar nicht mehr, was ich in Montenegro gegessen hatte, aber ich war ‚on fire’. Ich kam gerade aus einem Trainingsblock, der darauf ausgelegt war, mich an die Olympia-Norm für die 800 m Freistil heranzutasten. Ich hatte unheimlich viele Kilometer in den Armen und Beinen. Auf den 1.500 m habe ich meine eigene Bestzeit um 1:30 Minuten verbessert und den Landesrekord um fast 20 Sekunden.“ In Podgorica stellte er ebenfalls eine neue Landesmarke über 400 m Freistil auf. Bestand hat heute ebenfalls noch immer die Zeit von 8:20,17 Minuten, die er einen Monat zuvor in Bergen auf den 800 m aufgestellt hatte.

Keinen Fuß mehr ins Wasser

Dass er es zum Abschluss noch einmal zu einer Europameisterschaft schaffen kann, ist aktuell eher schwer vorstellbar. Bis Mai hat Brandenburger noch die Möglichkeit, sich zu qualifizieren. „Darüber wäre ich unheimlich glücklich.“ Definitiv Schluss ist dann im Sommer nach den Landesmeisterschaften.

Eins steht für Brandenburger jetzt schon fest: Im Becken wird er seinem Trainer nicht mehr über den Weg laufen. „Wahrscheinlich werde ich danach keinen Fuß mehr ins Wasser setzen. Es reicht. Es ist kein Sport, den man halbherzig machen kann. Entweder ganz oder gar nicht.“ Vergessen wird er Audot aber nicht: „Ich bin an seiner Seite aufgewachsen. Ich habe ihn fast mehr gesehe, als meine Eltern … Er war immer da, wenn ich jemanden brauchte.“ Der Franzose sparte ebenfalls nicht mit Komplimenten, um den Schwimmer zu beschreiben: „Er gibt eigentlich nicht eine Sache, die ich hervorheben könnte. Es macht mich stolz, dass Pit ist, wie er ist.“

Für den angehenden Physiotherapeuten stehen ab Juli Examen, Praktika und die berufliche Zukunft im Fokus. Doch zwischendurch gibt es sicherlich auch noch Platz für eine Tasse Tee mit seinem Ex-Coach.