Luxemburg Warum Diesel derzeit so teuer ist – und es möglicherweise auch bleibt

Luxemburg  / Warum Diesel derzeit so teuer ist – und es möglicherweise auch bleibt
Tankanlagen im Hafen von Mertert in der vergangenen Woche: Schiffe kommen nur noch mit 20 bis 30 Prozent der Ladung an Foto: Editpress/Claude Lenert

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Bis vor wenigen Monaten hing die Europäische Union bei der Versorgung mit Diesel am Tropf Russlands. Laut dem Präsidenten des Luxemburger Mineralölverbands hat sich das jetzt geändert. Derzeit sorgt vor allem die Dürre für Herausforderungen bei der Versorgung. An höhere Dieselpreise müssen wir uns aber möglicherweise gewöhnen. 

440.252.896 Tonnen Rohöl hat die Europäische Union laut Eurostat im Jahr 2020 importiert. Das meiste davon kam, das wird im August 2022 wohl die wenigsten noch überraschen – aus Russland. Allerdings floss nicht nur Rohöl aus dem Riesenreich in die EU – sondern auch Endprodukte. Vor allem das Endprodukt, das einen Großteil der Autos, nahezu alle schweren Fahrzeuge und viele Heizungen in Europa befeuert: Diesel.

Seit Menschengedenken lag der Dieselpreis an den Luxemburger Tankstellen unter dem der Benzinsorten Super 95 und 98. Mit Kriegsbeginn Ende Februar riss er sich davon los. Innerhalb von nur sechs Tagen explodierte der Preis förmlich, am 10. März 2022 erreicht er seinen historischen Höchstwert: 2,112 Euro kostet der Liter des Selbstzündersprits an den Tankstellen im Land, ein Preis, der 14,9 Cent über dem von Super 98 liegt. Eine Woche vorher waren es noch mehr als 50 Cent weniger. 

Im Corona-Jahr 2020 wurden 41.762.866 Tonnen Diesel in die EU exportiert. Auch in dieser Eurostat-Statistik nimmt Russland eine Spitzenposition ein. 17.897.000 Tonnen wurden 2020 von Russland in die EU exportiert. Das sind 25,9 Prozent allen Diesels, der überhaupt von Drittstaaten in die EU importiert wird. Saudi-Arabien liefert gerade mal halb so viel, die USA ein Fünftel davon. 

Derzeit ist der Dieselpreis in Luxemburg wieder einmal auf dem Weg nach oben. Die Ursachen dafür sind vielfältig – und sie liegen nicht nur in Krieg und Embargos begründet. Auch Trockenheit und Flusspegel spielen in die derzeitige Preislage hinein. Luxemburg bekommt seine Kraftstoffe allerdings größtenteils per Land. „Die Schiffe, die in Mertert anlegen, haben einen Anteil von höchstens 20 Prozent an der Versorgung mit Kraftstoffen in Luxemburg“, sagt Romain Hoffmann, Präsident des „Groupement pétrolier luxembourgeois“ (GPL), des Luxemburger Mineralölverbands. Dort, in Mertert, herrscht derzeit aber sprichwörtlich Ebbe. „Es gab jetzt nur ein paar Tage, an denen der Rhein ein bisschen höher war, wegen der Regenfälle im Alpenraum“, sagt Hoffmann. „Aber das war nur eine kurze Welle, es geht schon wieder abwärts.“

Romain Hoffmann, Präsident des „Groupement pétrolier luxembourgeois“
Romain Hoffmann, Präsident des „Groupement pétrolier luxembourgeois“ Foto: Editpress-Archiv/Julien Garroy

Ein Problem: das Rhein-Niedrigwasser

Wegen des Niedrigwassers auf dem Rhein könnten die Schiffe, die in dem Luxemburger Hafen anlegten, derzeit nur „20 bis 30 Prozent“ der normalen Ladung transportieren. Und selbst damit könne es jeden Tag vorbei sein, sagt Hoffmann. „Dann fahren gar keine Schiffe mehr in die Mosel ein, weil der Wasserstand zu niedrig ist.“ 

Aber: Die Versorgung an sich sei gesichert. „Es verlagert sich einiges auf Lkw und Züge“, sagt Hoffmann. Der größte Teil der Kraftstoffe für Luxemburg komme von Belgien, sagt Hoffmann. Und da funktioniere der Transport. Die Lager in Lüttich oder in Wallonien seien über Kanäle angebunden – die hätten immer Wasser, sodass die Schiffe dort voll beladen ankämen. „Von Lüttich geht es dann mit dem Lkw nach Luxemburg“, sagt Hoffmann. Züge kämen direkt von den Raffinerien in Antwerpen und Rotterdam, damit würden die Lager in Bartringen versorgt. 

In Deutschland sei die Lage kritischer. „Der Rhein ist die Hauptader von vielen Transporten, nicht nur für Tankstellen, sondern auch für die Chemieindustrie.“ Die müsse beim Niedrigwasser dann auf andere Transportmittel zurückgreifen – und damit steige auch die Nachfrage nach Zügen und Lkw. „Ich habe gehört, dass einige Lager leer sind und man Tankstellen hat, die nicht beliefert werden“, sagt Hoffmann. Nicht, weil das Produkt nicht da sei – sondern weil die Transportkapazitäten fehlten. „Die Kapazitäten von Lkw und Zügen sind sehr begrenzt, die kann man nicht von heute auf morgen aus dem Stein hauen“, sagt Hoffmann. Auch Lkw-Fahrer und Lokführer gebe es nicht unbegrenzt.

„Wie es im Moment läuft, ist nicht optimal von der Kostenstruktur“, sagt Hoffmann. „Aber von den Ressourcenkapazitäten funktioniert es noch.“

Das Problem ist der Diesel. „Für Luxemburg habe ich noch nie gehört, dass es Engpässe gegeben hat“, sagt Romain Hoffmann. „Aber natürlich ist da der Preis.“ Man sehe, dass sich der Diesel-Preis seit Kriegsbeginn gegenüber dem Benzin stark verändert habe. Wo sonst Diesel immer viel günstiger als 95er-Benzin war, habe sich das heute teilweise umgekehrt. „In der Tat stellt die Dieselversorgung das größte Problem für Europa dar“, sagt Hoffmann. „Das heißt, es gibt noch immer Engpässe.“ 

Die Gründe sind vielfältig. „Es ist in der Tat so, dass viel Endprodukt Diesel aus Russland kam“, sagt Hoffmann. „Ich glaube, dass das sehr reduziert wurde und Alternativen gefunden wurden – die aber teurer sind.“ Die Raffinerien könnten nicht unendlich viel Diesel oder Benzin produzieren, sagt Hoffmann. „Je nach Bauart kann man ein bisschen damit spielen, aber es gibt relativ fixe Proportionen, in denen man Diesel, Benzin oder Flugzeugbenzin aus einem Barrel Rohöl produzieren kann.“ Eine Raffinerie mache das eine und das andere: „Man produziert immer teilweise Benzin und teilweise Diesel.“ Diesel sei ein schweres Produkt, eines, das beim Raffinerieprozess als eines der Ersten anfällt. Eher als Benzin. Aber es sei nicht möglich, nur Diesel zu produzieren. „Das gibt es nicht“, sagt Hoffmann. „Und es wird einfach mehr Diesel verbraucht.“

Diesel energiereicher als Benzin

Wie viel Diesel steckt im Rohöl?

Moderne Raffinerien können aus einer Tonne Rohöl 1.300 Liter Benzin und 1.500 Liter Diesel herstellen, berichtet das Magazin Wirtschaftswoche. Faktoren seien die Qualität des Rohöls – und die „Cracking“-Kapazität der Raffinerie. Das Verhältnis ist nicht variabel. 

Durch das „Cracken“ werden laut BP die weniger erwünschten schweren Bestandteile des Öls in leichtere umgewandelt. Aus diesen können dann mehr hochwertige Produkte wie Benzin, Diesel oder Heizöl hergestellt werden. 

Das habe sich vor allem in den vergangenen zehn bis 15 Jahren so entwickelt. „Lkws, Transporter, alle fahren mit Diesel“, sagt Hoffmann. Auch bei den Pkws habe es sich in Europa in diese Richtung entwickelt, nachdem der Turbodiesel eingeführt wurde. „Und dieses Produkt hatte auch eine sehr gute Energieverwertung“, sagt Hoffmann. „Der Verbrauch bei einem optimierten Dieselfahrzeug ist wesentlich geringer als bei einem Benziner, weil mehr Energie im Diesel ist.“ Auch in Luxemburg hatte sich der Diesel durchgesetzt. „Wir waren einmal bei einem Anteil von 80 bis 85 Prozent bei den Neuzulassungen“, sagt Hoffmann. „Jetzt sind es 30 Prozent, es kommt natürlich auch die Elektromobilität mit ins Spiel, sodass wir in Zukunft ein völlig anderes Bild haben werden.“

Noch fahren aber viele Autos mit den Selbstzündermotoren. Es gebe in Europa einige Raffinerien, sagt Hoffmann. Aber die Nachfrage nach Diesel ist hoch. „Wir haben immer eine viel stärkere Nachfrage nach Diesel als nach Benzin; das wurde traditionell nach Afrika oder Amerika exportiert“, sagt er. „Und wir mussten Diesel importieren – und das kam größtenteils aus Russland.“ Man hatte ein Gleichgewicht gefunden, sodass der Dieselpreis tiefer lag als der von Benzin. „Jetzt, nach der Umstellung der Versorgung weg vom russischen Diesel und Erdöl zu anderen Quellen, macht sich das bemerkbar“, sagt Hoffmann. „Ich denke, wir haben genug Kapazitäten in Europa, um Benzin zu produzieren – aber nicht genug, um die Nachfrage für Diesel in Westeuropa zu decken.“

Weltweit gebe es jedoch genug Kapazitäten, um alle Produkte in ausreichendem Maße herzustellen. „Die USA sind ein benzinlastiges Land, Europa ist diesellastig.“ Das Erdöl werde der Menschheit die nächsten 100 Jahre nicht ausgehen. Wenn die Nachfrage da sei, werden sich die Preise anpassen – und die Produktion das Produkt zur Verfügung stellen.

Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass die Tanks leerlaufen werden. Die großen Ölkonzerne hätten schon vor Monaten angekündigt, kein Öl aus Russland mehr zu beziehen. „Sie haben schon vor Monaten angefangen, das zu reduzieren – und ich würde fast glauben, dass das jetzt nicht mehr der Fall ist.“ Die Versorgung werde verlagert. „Die Versorgung mit Öl ist eine flüssige Versorgung“, sagt Hoffmann. Öl sei leicht zu transportieren, mit verschiedenen Transportmitteln. Die Versorgung könne mit Tankschiffen gedeckt werden. „Das ist kein Thema“, sagt Hoffmann. „Überall auf der Welt wird Erdöl produziert.“ Es ist relativ einfach, es mit Schiffen von einer Ecke der Welt in eine andere zu schicken. So ein Tanker sei nicht von einem Tag auf den anderen da, das dauere ein paar Tage und Wochen. Er könne aber trotzdem eine große Distanz zurücklegen. Dann werde der Preis etwas teurer – aber das Produkt wird trotzdem ankommen. 

„Ich glaube, der Markt hat sich jetzt auf den Ukraine-Krieg eingependelt“, sagt Romain Hoffmann – und warnt: Es gebe laufend auch andere Effekte, die ins Marktgefüge reinspielten – sei das ein Wirbelsturm in Amerika, ein Lkw-Fahrerstreik in Belgien – oder die Dürre.

JJ
28. August 2022 - 10.08

Und dass,der Ausfall per Schiff ( Moselpegel) mit der Eisenbahn ausgeglichen werden kann(könnte),aber preislich eben höher zu Buche schlägt.Und,dass die Opec-Ländergroßen Teils Putinsympatisanthen sind und den Markt nicht mit Öl fluten um dem Mörder aus Moskau das Genick zu brechen.Und dass die Müslis jetzt ihre Stunde sehen die Leute zu E-Autos zu bewegen.Kurzum:Der Hebel wird wieder bei dem Otto von der Straße angesetzt.Der zahlt ohne zu murren.Danach wird wieder alles gut.

Jill
27. August 2022 - 14.04

Nicht zu vergessen dass das Rohöl in US Dollar gehandelt wird, was den Preis für uns, mit unserem billigen Euro, noch zusätzlich verteuert.