KlangweltenTrost in den Klängen: Das sind unsere Platten des Jahres

Klangwelten / Trost in den Klängen: Das sind unsere Platten des Jahres
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Selten wurde dem 31. Dezember so entgegengefiebert – fast wirkt es so, als würde man hoffen, das Virus hätte sich als guten Vorsatz vorgenommen, die Menschheit ab 2021 in Frieden zu lassen. Auch wenn man sich darauf einigen kann, dass 2020 ein furchtbares Jahr war – musikalisch gab es zwischen überraschenden Comebacks (Springsteen! Die Neubauten! I Like Trains! Fiona Apple!) und tollen Neuentdeckungen (Khruangbin, Porridge Radio, Hania Rani und King Hannah) immerhin genug spannende Platten, um die etlichen Wochen im Lockdown tanzend und/oder schwelgerisch zu verbringen. Wer sich nicht alle Alben anhören möchte: Die demokratische Mehrheit hat sich dieses Jahr für Muzz, Nick Cave, I Like Trains und Porridge Radio entschieden. Im Januar erscheinen mit den neuen Platten von u.a. The Notwist, God Is An Astronaut und den Grandbrothers übrigens bereits Anwärter auf die Bestenliste des kommenden Jahres.

Arctic Monkeys – Live at the Royal Albert Hall

Ce deuxième album live des Arctic Monkeys, tout juste sorti en début décembre 2020, est un enregistrement de leur concert du 7 juin 2018 au mythique Royal Albert Hall de Londres. Toutes les recettes des ventes sont versées à l’association caritative War Child. S’il est un peu dommage d’y retrouver, parmi les 20 titres, une majorité de chansons des deux derniers albums, leurs quelques grands classiques y sont aussi, et ils déchirent les tympans toujours autant. L’album est un must pour tous ceux qui ne rêvent de rien d’autre que d’aller secouer leur chevelure dès l’ouverture des salles concert. On croit y être, on peut s’imaginer le sourire tordu et les grimaces cocaïnisées d’Alex Turner, c’est parfait ! (idt)

Autechre – SIGN

Das auf dem legendären Warp-Label ansässige Manchester Duo reiht mit „SIGN“ ein für seine Verhältnisse kompaktes Werk (66 Minuten) an sein über dreißigjähriges Œuvre. Wo Autechre sonst harte, schrille Beats und komplexe Rhythmen einsetzt, könnte „SIGN“ glatt als ihr Ambient-Versuch durchgehen. Generative Klangfasern weichen hier einem natürlich gelasseneren Flow, der nur punktuell durchdrungen wird von Perkussionsmustern und Synth-Noten. Unterkühlte Kompositionen verblassen hier allmählich, weichen dem Eindruck, dass die komponierenden Köpfe hinter den Maschinen einer puren Form emotionaler Vermittlung näherkommen. (ar)

Bambara – Stray

Nach Tourneen mit Metz, Idles und Daughters legte Bambara „Stray“ vor, ein Album, das vom Tod handelt. Der Soundtrack dazu aber ist weitestgehend belebend und trotz melancholischer Anflüge, die etwa in „Death Croons“ und auch in „Stay Cruel“ von einer weiblichen Stimme unterstrichen werden, nicht betrüblich. Ansonsten drückt Bambara gerne aufs Gas: Siehe die Singleauskopplungen „Serafina“ und „Heat Lightning“ oder „Ben & Lily“. Großartig! (kfb)

Bruce Springsteen & The E Street Band – Letter to You

Wenn man das erste Mal dabei ist, glaubt man ja, alle würden ihn ausbuhen, bis einem allmählich bewusst wird, dass sie „Bruuuce“ röhren. Der Boss ist wieder da, denkt in seinen neuen Songs über sein Leben nach und hat unser aller liebste Begleitband wieder zusammengetrommelt: „the heart stopping, earth shockin’, earth quakin’, heart breakin’, air conditioner shakin’, history makin’, legendary E Street Band!” Auf den Rock’n’Roll … oder das, was von ihm übriggeblieben ist! (gm)

Caspian – On Circles

Fünf Jahre nach „Dust and Disquiet“, dem berührenden Meisterwerk über den Tod vom Bassisten Chris Friedrich, ist Caspian mit dem acht Songs kurzen „On Circles“ zurück. So kohärent wie der Vorgänger ist die Platte nicht, dafür gibt es hier subtile Verschiebungen und Erweiterungen im dichten Klanggeflecht der Band: Abwechslungsreicher klang Caspian nie. Die beiden Opener „Wildblood“ und „Flowers of Light“ sind lichtdurchflutet und elegant, „Divisions Blues“, „Onsra“ und das wuchtige, an Russian Circles erinnernde „Collapser“ elegisch, düster und vielschichtig – nur an „Nostalgist“, mit Gesangseinlage von Kyle Durfey (Piano Becomes The Teeth), scheiden sich die Geister. (js)

Deftones – OHMS

„OHMS“ ist die Essenz dessen, was Chino Moreno & Co. am besten können: das Gefühlsspektrum von Melancholie bis Wut abzudecken. Das gelingt ihnen in dem Song „Pompeji“ mehrfach. Denn erst klingt der besonnene Moreno wie The-Cure-Sänger Robert Smith, um im nächsten Moment loszuschreien; der Song ist ein ständiges Hin und Her zwischen den Gefühlspolen. Sehr erfreulich an „OHMS“ sind der vermehrte Einsatz harter Gitarrenklänge (etwa in „Urantia“ oder „This Link Is Dead“) sowie die Ohrwurmqualitäten einiger Songs – siehe etwa der Titelsong mit seinem genialen Gitarrenriff. (kfb)

Destroyer – Have We Met

Mit seinem ausgeprägten Hang zur lyrischen Abstraktion, begleitet von piekfeinen, barocken Arrangements, singt Dan Bejar mit Inbrunst und mürrischem Charme gegen die Welt an. Gekleidet in eine unverwechselbare Stimme, vermutet man hinter seinen kryptischen Lyrics einen ausgeprägten Hang zur Apathie, einer Obsession für Gewalt und Tod, das musikalische Pendant zu einem Noir-Thriller. Ein Album für weltverdrossene Nostalgiker, mindestens so gut wie das 2011 erschienene „Kaputt“. Wenn es so etwas wie Chamber-Pop geben sollte, dann erleben Sie es hier in Reinform. (ar)

Einstürzende Neubauten – Alles in allem

Zwölf Jahre mussten die Fans der Berliner „Sprengmeister des Trommelfells“ auf ein neues Album warten und wurden pünktlich zum 40-jährigen Band-Jubiläum mit zehn neuen Songs für ihr Ausharren belohnt. Es gibt deutlich weniger brutale Noise-Klänge als früher, kaum Bohrmaschinen oder Rumgehämmere auf Stahl, dennoch ist die Klangkulisse wie immer originell und spannend, zusammen mit Blixa Bargelds Sprechgesang und düsteren Lyrics geradezu hypnotisch. Ein Comeback, das wir begrüßen! (gm)

Fiona Apple – Fetch the Bolt Cutters

Fiona Apple, auteur-compositrice newyorkaise un brin déjantée (c’est pour ça qu’on l’aime), a sorti son cinquième album studio (cinq albums en 26 ans, elle se prend le temps nécessaire pour faire les choses bien comme il faut), „Fetch the Bolt Cutters“, en avril 2020, en plein début de la pandémie, d’où une réception, surtout en Europe, un peu maigre, mais l’album est un véritable bijou de pop expérimentale, drôle, audacieux, mêlant des chansons au sprechgesang saugrenu, comme le titre éponyme, aux ballades piano passionnées et enragées pour laquelle la musicienne est connue. (idt)

Ghostpoet – I Grow Tired But I Dare Not Fall Asleep

Name des Künstlers und Titel des Albums verraten hier bereits, wohin die Reise geht – zwischen Spoken Word, Alternative Rock und Electronica taucht Ghostpoet in die Finsternis weltlicher und menschlicher Zwischenräume und Abgründe. „I Grow Tired But Dare Not Fall Asleep“ ist ein programmatischer Titel für die depressiv-bedrückende Müdigkeit einer Generation, die das „No Future“ ihrer Vorgänger nicht mehr als Kampfansage an die Eliten versteht, sondern als Selbstbeschreibung verinnerlicht hat. Ghostpoet liefert den Sound für Zukunftsängste und Selbstzweifel, aber auch den Trost und die Energie, um die Dunkelheit zu besiegen. (hat)

Gil Scott-Heron – We’re New Again – a Reimagining by Makaya McCraven

Gil Scott-Heron, der große amerikanische Poet, Soulmusiker und Wegbereiter des Rap, der 2011 im Alter von 62 Jahren viel zu früh von uns ging, in einer Bestenliste von 2020? Dank des 37-jährigen amerikanischen Jazzdrummers Makaya McCraven, der Scott-Herons letztes Werk genial umstrukturiert und damit so etwas wie den Soundtrack zu „Black Lives Matter“ für Anspruchsvolle geliefert hat, ist das möglich. Beiden gebührt für diese virtuelle Zusammenarbeit unser Respekt! (gm)

Hania Rani – Home

Eine der großen Entdeckungen des Jahres war die polnische Pianistin, Komponistin und Sängerin Hania Rani. „Home“ ist ihr zweites Album und erzählt die Geschichte von Orten, an denen wir ein Zuhause finden – was manchmal ganz zufällig geschieht, manchmal auch bewusst und geplant. Während ihr Debüt „Esja“ sich auf das Solo-Klavier beschränkt, lotet Rani auf dieser Scheibe ein tieferes musikalisches Feld aus, arbeitet mit elektronischen Einflüssen und einer Rhythmussektion und überschreitet die Grenze zur Filmmusik dank der Bilder, die die Kompositionen evozieren. Eine Perle der Neoklassik. (hat)

I Like Trains – Kompromat

Politisch, wütend und grimmig: Auf ihrer vierten Platte entdeckt I Like Trains nicht nur den Postpunk für sich, sondern besticht durch eine kompakte, vielseitige Platte, die nur noch entfernt an den schwelgerischen Postrock der frühen Tage erinnert, dafür aber schneller auf den Punkt kommt: In neun ausnahmslos grandiosen Song besingt David Martin die Schwachsinnigkeit des postfaktuellen Zeitalters, die Band schreibt dazu den intelligentesten Indie-Rock des Jahres, der irgendwo zwischen LCD Soundsystem, Radiohead, den Editors, The National und den Wild Beasts liegt. (js)

Idles – Ultra Mono

Es mag zahlreiche kritische Stimmen geben, die etwas an Idles rumzumäkeln haben. Die Band konterte all das gelassen mit dem Bollwerk „Ultra Mono“ aus. Der Auftakt „War“ ist eine Energie-Explosion par excellence und symbolisch für ein Idles-Konzert: Die Musiker verausgaben sich bis zum Äußersten; ihre Leiber zittern und zappeln, sie schleudern ihre Arme herum und schreien. Auch die restlichen „Ultra Mono“-Songs sind energiegeladen und emotional – selbst dann, wenn das Tempo nicht hoch ist („Grounds“). (kfb)

Jenny Beth – To Love Is To Live

Die mit Savages bekannt gewordene gebürtige Französin Jenny Beth brilliert auch solo. Musikalisch ist auf „To Love Is To Live“ vom Savages-Post-Punk kaum noch etwas übriggeblieben. Die Songs sind stilistisch nicht wirklich zu greifen und verarbeiten unterschiedliche Einflüsse von Spoken Word (Cillian Murphy im Interlude „A Place Above“), Industrial („I’m The Man“), Atmo-Avantgarde („The Rooms“), etwas Savages („Heroine“), Melancholie („The French Countryside“) und Krach („How Could You“). (kfb)

Khruangbin – Mordechai

Wenn irgendein Album den tristen Sommer 2020 gerettet hat, dann Khruangbins „Mordechai“. Khruangbin (was übrigens „Flugzeug“ auf Thai heißt) nimmt den Hörer mit auf eine musikalische Expedition und bedient sich für ihre psychedelische Mixtur am persischen Rock, am Thai-Funk und Latin-Rock. Es ist Weltmusik im besten Sinne, ohne den tribalistischen Anspruch auf Authentizität. Musik für Menschen, die offenen Auges und Ohres durch die Welt ziehen. Tanzbar, warm und verspielt – Mordechai ist der Sound für die besseren Tage, die uns hoffentlich bevorstehen. (hat)

King Hannah – Tell Me Your Mind And I’ll Tell You Mine

In Shoegaze-Kreisen hat dieses Duo aus Liverpool längst Wellen geschlagen. „And Then Out of Nowhere, It Rained“: So ungefähr könnte man den Corona-bedingten Kurswechsel im Frühjahr resümieren, obwohl es hier der erste Track dieses erstaunlichen Debütalbums ist. „Bill Tench“ wäre auf einem War-On-Drugs-Album nicht verkehrt, „Meal Deal“ kommt eher bluesig daher, mit der spärlichen Einsetzung von Hannah Merricks Gesang, der wie eine Melange aus Hope Sandoval und Laura Marling wirkt. Ein Album für diejenigen, die sich den Klangrausch der Neunziger zurücksehnen. (ar)

L.A. Salami – The Cause Of Doubt & A Reason To have Faith

Lookman Adekunle Salami. Dem britischen Musikpoeten ist dieses Jahr eines jener Alben gelungen, die in ihrer Eindringlichkeit den Zeitgeist auf den Punkt bringen – und gleichzeitig in ihrer kompositorischen Eleganz das Zeitlich transzendieren. Die Vergleiche mit Gil-Scott Heron oder Bob Dylan kommen nicht von ungefähr, allerdings steht L.A. Salami nicht auf den Schultern von Riesen: Mit „The Cause Of Doubt & A Reason To Have Faith” ist ihm ein Album gelungen, das ihn selbst zum Riesen erhebt und seinen virtuosen Umgang mit den Genres und Stilen „schwarzer“ Musik ebenso beweist wie sein überragendes, lyrisches Talent. (hat)

Matt Berninger – Serpentine Prison

Wenn er mit seiner Flasche Rotwein unruhig über die Bühne läuft, erinnert er zuweilen an den armen, verhaltensgestörten Eisbären im Zoo von Amnéville, doch nun scheint der Sänger von The National endlich zur Ruhe gekommen zu sein: und zwar in Booker T.’s Studio in Memphis. Herausgekommen ist ein sehr entspanntes Werk irgendwo zwischen Americana, Folk und Soul, in dem Matt wie immer die Untiefen der Seele erkundet – in Serpentinen. (gm)

Modern Studies – The Weight Of The Sun

Sanft wiegend verlässt Modern Studies aus Schottland ihre reinen Folk-Wurzeln und geht hier mit spärlich eingesetzten Synthie-Einlagen sowie E-Gitarren ambitionierter zu Werke. Das Rückgrat der Arrangements bilden nach wie vor der schimmernde Gesang Emily Scotts mit dem rauchigeren Counterpart von Rob St. John. Zusammen ergibt dieses erhabene Tandem eine mystische Symbiose, die auf dem Album-Highlight „Run For Cover“ mit seinem Soft-Rock-Groove, garniert mit Psych-Elementen, einfach nur begeistert. Ein kontemplatives Meisterwerk voller satter Klangfarben. (ar)

Moses Boyd – Dark Matter

Es gibt seit Jahren eine entstaubte, aufregende Jazz-Szene in London. Eine ihrer Hauptvertreter ist der 30-jährige Schlagzeuger und Produzent Moses Boyd, der für dieses Meisterwerk verantwortlich ist, das aus einer Kombination von Elektro- und Fusion-Jazz, aber auch Afrobeat und Hip-Hop besteht. Seine Bandmitglieder Theon Cross an der Tuba sowie Tenorsaxofonistin Nubya Garcia haben in jüngster Zeit ebenfalls bahnbrechende Soloalben veröffentlicht. (gm)

Muzz – Muzz

Paul Banks alias Julian Plenti, der Sänger von Interpol, hat sich mit seinem alten Schulfreund, dem Gitarristen Josh Kaufman sowie Matt Barrick, dem ehemaligen Schlagzeuger von The Walkmen und Fleet Foxes, zusammengetan und ein herrlich unaufgeregtes, leicht psychedelisches Indie-Rock-Album aufgenommen. Banks’ unverkennbare Stimme inmitten dieser wunderbaren Musik, die irgendwo zwischen Velvet Underground und Calexico anzusiedeln ist, ist pure Magie und hat Suchtpotenzial. (gm)

Nick Cave – Idiot Prayer

„Idiot Prayer“ est un mélange de piété chrétienne, de blasphèmes caustiques, de batifolage mythologique et de drôlerie profanes, un abyme de mélancolie et une fontaine de jouvence à la fois. Cet album live – Nick Cave joue seul comme un ange déchu sur un piano à queue dans un vaste auditorium de l’Alexandra Palace de Londres – brille par un nouvel arrangement qui donne une profondeur inédite aux chansons de plus de vingt ans de carrière. „Idiot Prayer“ déchire tout, le cœur, la foi, l’espoir de béatitudes promises, c’est impitoyablement génial! (idt)

Porridge Radio – Every Bad

Der beste Indie-Rock des Jahres kommt aus Brighton und wird mit einer solchen Wucht von der Band um Sängerin und Gitarristin Dana Margolin rausgehauen, dass man den Eindruck gewinnt, P.J. Harvey, Patti Smith und Courtney Barnett hätten sich zusammengetan, ihre Kompetenzen gebündelt und sie dieser jungen Frau mit auf den Weg gegeben. Jeder einzelne Song ist eine kräftige Backpfeife und folgt folgendem Schema: Introspektion und Meditation, gefolgt von Gitarren-Feedback, losbrechendem Soundgewitter und Mantra-artigem Wortschwall – groß! (gm)

Protomartyr – Ultimate Success Today

Es war ein gutes Jahr für wütenden Postpunk. Neben Fontaines D.C.’s überragenden Zweitalbum „A Hero’s Death“ überzeugte Protomartyr mit „Ultimate Success Today“, einer bedrohlichen, eindringlichen Platte, die den gewohnt krachigen Gitarren Saxofone und Bügel hinzufügt. Dabei klingen die Misanthropen aus Detroit mitunter wie die wütende, betrunkene Zwillingsband von Sonic Youth. Wer nie gedacht hätte, dass avantgardistischer Post-Punk sich so gut mit Jazz vertragen würde, dem sei „Processed By The Boys“ ans Herz gelegt. Mit „The Aphorist“, das an White Wine erinnert, und „June 21“ (im Duett mit der Half-Waif-Sängerin Nandy Rose) gibt es sogar zwei harmonische Nummern zum Verschnaufen. (js)

Puscifer – Existential Reckoning

Dass Tool-Sänger Maynard James Keenan mittlerweile jedes Jahr mit einer anderen Band auf dieser Liste vertreten ist, ist nicht nur deswegen beeindruckend, weil es Jahre gab, in denen man zumindest musikalisch rein gar nichts von ihm hörte. Das vierte Album seines progressiven Elektropop-Projekts Puscifer bietet zwölf minimalistisch instrumentierte, strukturell vertrackte, meisterhaft komponierte Tracks, auf denen sich die Stimmen von Carina Round und Keenan wunderbar verflechten. Mit ihren dunklen Textzeilen stellen „Bread and Circus“ und „Apocalyptical“ zudem den perfekten Soundtrack zu diesem Jahr dar. (js)

Sufjan Stevens – The Ascension

Wer sich nach „Carrie & Lowell“ auf ein weiteres akustisches Meisterwerk eingestellt hatte, hat Sufjan Stevens’ Vielfältigkeit unterschätzt. „The Ascension“ reiht sich fast nahtlos in den Avantgarde-Elektro von „The Age of Adz“ ein, ist jedoch weniger pompös und zerfahren. Die Homogenität dieser todtraurigen Platte ist der Musik gewordenen Sinnkrise zu verdanken, die Stevens hier behandelt. „The Ascension“ ist unbequem, unzugänglich und eigentlich viel zu lang – wer sich jedoch die Zeit für die Platte nimmt, auf der Sufjan die Gitarren gegen selbstgebastelte Synthies und Beats ausgetauscht hat, wird mit einem fordernden, kaputten, ehrlichen Meisterwerk belohnt. Alle anderen werden sich mit den Hits („Sugar“ und „Video Game“) zufriedengeben müssen. (js)

The Kills – Little Bastards

Alison Mossheart et Jamie Hince, les deux chenapans de The Kills, viennent de sortir, début décembre, un album de b-sides, de titres rares, de démos inédites et de reprises, intitulé „Little Bastards“. Certains titres de cet album, dont le tout premier, „Superpowerless“, peuvent paraître comme des versions un peu moins énergétiques d’anciennes chansons (notamment „Future Starts So Slow“), mais les deux reprises, „I Put A Spell On You“ de Screamin’ Jay Hawkins, où Mossheart s’évertue à crier comme s’il n’y avait plus de lendemain et, surtout, „La chanson de slogan“ de Serge Gainsbourg et de Jane Birkin, sont des purs moments de jouissance sonore. (idt)

Turbostaat – Uthlande

Im schlimmsten Fall machen erfolgreiche Punkrockbands schnelles Geld mit politischem Engagement: Wer sich daran erinnert, wie Green Day zu „American Idiot“-Zeiten vor Zigtausenden Zuschauern plakative „Fuck Bush“-Statements zum Besten gaben, weiß, wie man politische Rebellion verhökern kann. Ganz anders bei Turbostaat: Ab dem Auftakt „Rattenlinie Nord“ – einem Pamphlet über die mangelhafte Entnazifizierung Deutschlands – begeistert „Uthlande“, auf der die Band nicht nur die Wut und Energie der frühen Platten zurückfindet, sondern eine Topografie des zeitgenössischen Deutschlands fernab der gentrifizierten Großstädte mit kantigen Gitarren und tollen Texten zeichnet – so muss eine Band, die gegen „Ordnung, Hecken, Belehrung, Hass“ singt, klingen. (js)

Die Top 5 der Redaktion

Kai Florian Becker (freier Mitarbeiter)
1. Idles – Ultra Mono
2. Deftones – OHMS
3. Bambara – Stray
4. Jenny Beth – To Love is to Live
5. Porridge Radio – Every Bad

Ian De Toffoli (freier Mitarbeiter)
1. Nick Cave – Idiot Prayer
2. Muzz – Muzz
3. Fiona Apple – Fetch the Bolt Cutters
4. Arctic Monkeys – Live at the Royal Albert Hall
5. The Kills – Little Bastards

Tom Haas (Politikredaktion)
1. L.A. Salami – A Cause Of Doubt & A Reason to Have Faith
2. Khruangbin – Mordechai
3. Turbostaat – Uthlande
4. Ghostpoet – I Grow Tired But Dare Not Fall Asleep
5. Hania Rani – Home

Gil Max (freier Mitarbeiter)
1. Porridge Radio – Every Bad
2. Nick Cave – Idiot Prayer
3. Muzz – Muzz
4. Moses Boyd – Dark Matter
5. Einstürzende Neubauten – Alles in allem

Alasdair Reinert (freier Mitarbeiter)
1. I Like Trains – Kompromat
2. Destroyer – Have We Met
3. Protomartyr – Ultimate Success Today
4. Modern Studies – The Weight Of The Sun
5. Autechre – SIGN

Jeff Schinker (Kulturredaktion)
1. I Like Trains – Kompromat
2. Sufjan Stevens – The Ascension
3. Turbostaat – Uthlande
4. Caspian – On Circles
5. Protomartyr – Ultimate Success Today