Covid-19-GesetzStaatsanwaltschaft übt scharfe Kritik an Zwangshospitalisierung

Covid-19-Gesetz / Staatsanwaltschaft übt scharfe Kritik an Zwangshospitalisierung
Die im Covid-19-Gesetzesprojekt geplante Zwangshospitalisierung von Corona-Patienten stellt die Justizbehörden vor große Rätsel Foto: Editpress/Julien Garroy

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Die Justizbehörden üben scharfe Kritik an Artikel 7 des ersten der beiden Covid-19-Gesetzesentwürfe, der die Zwangshospitalisierung von Corona-Patienten vorsieht. Das Projekt werfe mehr Fragen auf, als es Antworten liefere, bemängelt Generalstaatsanwältin Martine Solovieff in ihrem Gutachten. Staatsanwalt Georges Oswald bezeichnet die Anwendung des Gesetzes in seiner aktuellen Form als „illusorisch“. Auch die beratende Menschenrechtskommission hinterfragt die Praxis der Zwangseinweisung. Die nationale Datenschutzkommission kritisiert vor allem, dass die Daten infizierter und mutmaßlich infizierter Personen vergleichsweise lange gespeichert werden können.

Die nationale Datenschutzkommission CNPD, die Menschenrechtskommission CCDH, die Generalstaatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft des Bezirksgerichts Luxemburg haben in den vergangenen Tagen erste Gutachten zum ersten Covid-19-Gesetz abgegeben, das die Einschränkung der persönlichen Freiheiten nach Ablauf des „Etat de crise“ am 24. Juni regeln soll. Obwohl die Justizbehörden nicht dazu eingeladen waren, Stellung zu beziehen, haben sie sich aufgrund bestimmter Maßnahmen im Gesetzesprojekt trotzdem dazu geäußert. Die Generalstaatsanwaltschaft und die Staatsanwaltschaft des Bezirksgerichts Luxemburg stören sich insbesondere an Artikel 7 über die Zwangshospitalisierung, der sich an Artikel 11 des Gesetzes vom 21. November 1980 zur Organisierung der Gesundheitsdirektion und an das Gesetz vom 10. Dezember 2009 über die Zwangshospitalisierung von Personen mit psychischen Störungen anlehnt. Das Gesetz von 1980 erlaubt es der Gesundheitsbehörde, Zwangseinweisungen bei ansteckenden Krankheiten durchzusetzen. Ähnlich wie das Gesetz von 2009 sieht der nun vorliegende Covid-19-Gesetzesentwurf vor, dass der Staatsanwalt die Zwangseinweisung verordnen kann, wenn eine Person eine Gefahr für die Sicherheit oder Gesundheit anderer darstellt.

Das Parlament hat Artikel 7 des nun vorliegenden Gesetzesentwurfs damit verteidigt, dass es den Einspruch gegen die Zwangshospitalisierung im Vergleich zum Gesetz von 1980 vereinfache. Generalstaatsanwältin Martine Solovieff weist in ihrem Gutachten aber darauf hin, dass das Gesetz von 1980 schon längst hätte reformiert oder angepasst werden müssen. Neben einigen unklaren Formulierungen über den Wohnort des Einzuweisenden stellen sich im aktuellen Gesetzesentwurf laut Solovieff mehrere rechtsstaatliche Fragen. So soll der Generalstaatsanwalt die Zwangshospitalisierung aufgrund einer Benachrichtigung der Gesundheitsbehörde anordnen, die dann von der Polizei ausgeführt wird. Laut Solovieff sieht das Gesetzesprojekt jedoch nicht vor, dass der Betroffene über seine Verteidigungsrechte informiert werden muss, und es sei unklar, wie er dies geltend machen kann. Der Staatsanwalt am Bezirksgericht Luxemburg, Georges Oswald, stellt die Frage, wie der Staatsanwalt überhaupt wissen oder ermitteln kann, ob eine Person, die zu Hause isoliert ist, eine Gefahr für andere darstellt.

Nach der Zwangseinweisung muss der Präsident des Bezirksgericht innerhalb von 48 Stunden entscheiden, ob der Patient weiter hospitalisiert bleibt, ob er in Isolation muss oder ob er das Krankenhaus verlassen darf. Auf welchen anderen Grundlagen als dem Gutachten der Gesundheitsdirektion er diese Entscheidung in so kurzer Zeit treffen soll, ist aber unklar. „Sur base de quels éléments le président qui n’est pas un expert médical pourra-t-il prendre une autre décision que celle proposée par le directeur de la santé? Comment pourra-t-il apprécier si une personne refuse obstinément de s’isoler? Faudra-t-il charger la Police du contrôle respectivement quels sont les moyens disponibles si une personne persiste à vouloir faire usage de sa liberté d’aller et venir?“, fragt die Generalstaatsanwältin in ihrem Gutachten. „Mais comment le président du tribunal pourra-t-il apprécier l’avis du directeur de la santé, en l’absence d’une autre pièce médicale?“, will Georges Oswald wissen.

Notwendig und verhältnismäßig?

Fragen stellen sich die Staatsanwälte aber auch im Hinblick auf den Rekurs gegen seine Zwangseinweisung, den der Patient innerhalb von fünf Tagen mit einem einfachen Brief an das Bezirksgericht einlegen kann. Eine Prozedur vor dem Bezirksgericht mit einem einfachen Brief einzuleiten, sei gar nicht vorgesehen, betont Solvieff. „Au regard de ces observations on en arrive à conclure que la procédure telle qu’envisagée génère plus d’interrogations que de solutions et que sous le couvert de vouloir introduire un débat contradictoire on en aboutit à une procédure pour le moins unilatérale dans laquelle la personne à hospitaliser de manière forcée est privée de ses droits effectifs de sa défense“, schließt die Generalstaatsanwältin ihr Gutachten. Oswald kommt in seiner Einschätzung zu dem Schluss, dass die Anwendung der im Gesetzesprojekt vorgesehenen Maßnahmen in der gegenwärtigen Form illusorisch sei.

Auch die konsultative Menschenrechtskommission CCDH hat am Mittwoch Kritik an der Zwangshospitalisierung geäußert. Die CCDH hinterfragt in ihrem Gutachten die Notwendigkeit und die Verhältnismäßigkeit dieser Praxis und fordert, dass sie nur in letzter Instanz angewandt werden dürfe. Kritik übt die CCDH auch an der im Gesetzesprojekt vorgesehenen Isolierung und Quarantäne, die die Gesundheitsdirektion anordnen kann. Solche freiheitsraubenden Maßnahmen dürften nicht ohne die notwendigen Garantien umgesetzt werden und die Regierung müsse alternative Maßnahmen vorlegen, so die CCDH.

Die nationale Datenkommission CNPD äußert in ihrer Stellungnahme vor allem Kritik an der Datenspeicherung von infizierten und mutmaßlich infizierten Personen durch die Gesundheitsbehörde. Die Daten sollen zu Forschungszwecken genutzt werden können. Das aktuelle Gesetzesprojekt sieht vor, dass die Daten erst nach sechs Monaten anonymisiert werden sollen. Die CNPD verweist darauf, dass in Frankreich und Belgien eine kürzere Frist von nur drei Monaten vorgesehen sei. Die Datenschutzkommission sieht auch nicht ein, wieso Daten von negativ getesteten Personen gespeichert werden sollen.

Die beiden Covid-19-Gesetze müssen vor dem Ablauf des „Etat de crise“ am 24. Juni vom Parlament angenommen werden und sollen einen Monat gültig sein. Das Gutachten des Staatsrats steht noch aus. 

Claude
11. Juni 2020 - 21.50

Würden sie denn bei Pocken auch so ein Geschrei verursachen?

Grober J-P.
11. Juni 2020 - 9.48

Die Henne hat ein dickes Ei gelegt. Bitte nicht ausbrüten. :-(