Esch/Schifflingen/KaylSeit 50 Jahren wird auf dem Lallingerberg kein Erz mehr abgebaut

Esch/Schifflingen/Kayl / Seit 50 Jahren wird auf dem Lallingerberg kein Erz mehr abgebaut
50 Jahre ist es nun her, dass es keine Sprengungen zum Abbau von Eisenerz auf der Tagebau-Mine Lallingerberg mehr gibt  Foto: Christian Muller

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Vor 50 Jahren, im Jahr 1974, wurde die Tagebau-Mine Lallingerberg endgültig stillgelegt. Seitdem hat sich die durch den industriellen Raubbau entstandene Landschaft, deren Oberfläche der des Planeten Mars geähnelt haben dürfte, in ein Wander- und Naturschutzgebiet entwickelt. Wohl eines der schönsten Naherholungsgebiete des Landes.

Bereits vor rund 2.000 Jahren wurde im Süden Luxemburgs Eisen hergestellt. Als einer der Orte, an denen das benötigte Rohmaterial eingesammelt oder abgebaut wurde, kann der Standort Lallingerberg auf eine lange Geschichte zurückblicken. Bereits zu Zeiten der Römer hat es hier einige Minen zum Abbau von Eisenerz gegeben, wissen Alain Günter und Vic Merens von den „Schëfflenger Schmelzaarbechter“ im Gespräch mit dem Tageblatt zu erzählen.

Viel später, in der Zeit nach 1850, entstand hier dann ein Abbau in immer größeren Maßstäben. Der „Lallingerberg“ zwischen Esch, Schifflingen und Kayl wurde zu der wichtigsten Quelle für den wertvollen Rohstoff für das einst gewaltige, daneben gelegene Schifflinger Werk.

Wann genau das neue Startdatum war, ist heute schwierig zu sagen. Gewusst ist, dass das Abbaugebiet um das Jahr 1889 zur „Société des mines d’Esch“ gehörte. Damals wurden, laut Informationen der Webseite industrie.lu, dort täglich 250 Tonnen Erz von 95 Arbeitern aus unterirdischen Stollen und 220 Tonnen von 123 Mitarbeitern im Tagebau gefördert.

Tagebau-Boom nach dem Zweiten Weltkrieg

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Abbau von Eisenerz mittels Tagebau dann hierzulande seine Blütezeit. Das lag vor allem an der Entwicklung neuer, spezialisierter Maschinen, die das Bewegen von großen Erdmassen einfacher und effizienter machten. Der Tagebau war damit kostengünstiger geworden. Ein Arbeiter über Tage konnte nun pro Schicht deutlich mehr Tonnen abbauen als sein Kumpel in den Minen. Für die Arbeiter bot der Tagebau zudem weniger Risiken als die Arbeit in der Dunkelheit.

Ein Bild von früher: Im Hintergrund zu sehen ist die „Schëfflenger Schmelz“
Ein Bild von früher: Im Hintergrund zu sehen ist die „Schëfflenger Schmelz“ Foto: www.industrie.lu

Für diese Form des Abbaus, den Tagebau, war der Lallingerberg besonders gut geeignet. „Hier befinden wir aus auf Niveau null“, so Alain Günter und Vic Merens gegenüber dem Tageblatt. „Man kann ganz gerade in den Berg hineinfahren. Um in Frankreich an die gleiche Gesteinsschicht zu gelangen, mussten tiefere Minen gegraben werden.“ In anderen Worten: Die erzhaltige Gesteinsschicht befand sich direkt unter der Oberfläche – es musste nur wenig Erde abtragen werden, ehe man an das begehrte Rohmaterial kam.

Das Erz wurde in Stufen abgebaut, mit Terrassen, um besser Zugang zu bekommen. Nach den Sprengungen wurde das Gestein auf schwere Laster geladen, die es dann über zwei eigens angelegte Straßen (die es auch heute noch gibt) zu den „Brechern“ brachten. Hier wurde das Erz zerkleinert und auf „Buggies“ verteilt. Von da aus war es nur noch ein kurzer Weg über die Schienen bis ins Werk.

50 Meter Erde und Gestein

Noch heute ist gut zu erkennen, wie sich die Maschinen damals, von Esch aus kommend, geradezu in den Berg hineingefressen haben. Das so entstandene flache Plateau sieht aus, als wäre es auf natürlichem Wege entstanden. Erst etwas weiter entfernt, in der Nähe des „Kayler Poteau“, wird deutlich, welche Mengen an Gestein hier während Jahrzehnten abgebaut wurden. Vor 100 Jahren hätte man hier etwa 50 Meter Erde und Gestein über sich gehabt.

Arbeiter im Tagebau
Arbeiter im Tagebau Foto: Tageblatt-Archiv

Bis Mitte 1960 wurde das hierzulande abgebaute Material fast komplett im Tagebau gewonnen. Unterirdische Stollen waren zu kostspielig geworden. Die wichtigsten dieser Minen waren Lallingerberg, Düdelingen und Beles. Laut den offiziellen Statistiken gab es damals landesweit rund 2.000 Minen- und Grubenarbeiter, die eine Hälfte in den Minen, die andere Hälfte im Tagebau.

Doch die Blütezeit des Tagebaus sollte nicht mehr lange dauern. Die Schließung rückte immer näher, schleichend. Im Jahr 1972 wurden die meisten Tätigkeiten auf Lallingerberg gestoppt. Zwei Jahre später, 1974, war es bereits endgültig vorbei. Die Bewohner der Region mussten sich nun daran gewöhnen, keine regelmäßigen Sprengungen mehr zu hören.

Für den Betreiber der Mine, mittlerweile Arbed-Mines, rechnete sich die Bergwerksaktivität nicht mehr. Es war mittlerweile billiger geworden, Erz mit einem viel höheren Eisengehalt (65 Prozent gegenüber von 25 Prozent in Luxemburg) zu importieren, statt es lokal abzubauen. Neue, moderne Stahlwerke wurden nun an den Küsten gebaut. Nicht mehr im Landesinnern. Beim Transport über Wasser konnten die Kosten möglichst gering gehalten werden.

„Das Land der roten Erde hat ausgedient“

Mit dem gleichen Hintergrund wurde dann auch, ein paar Jahre später, 1978, der Erz-Abbau am „Schlammenberg“ („Giele Botter“) eingestellt. Das war die letzte noch aktive Tagebau-Mine in Luxemburg. Kurz danach, am 27. November 1981, machten sich hierzulande, zum letzten Mal überhaupt, Bergleute auf den Weg in eine Grube (Thillenberg). Damit war es hierzulande, wohl endgültig, vorbei mit dem Erzabbau.

Mit einer gewissen Bitterkeit wird im Tageblatt-Artikel über Thillenberg bedauert, dass die Mine eigentlich noch lange nicht ausgeschöpft sei. Doch trotz aller Automatisierung lohne sich der Betrieb für die Arbed nicht mehr, schlussfolgert der Artikel. „Das Land der roten Erde hat ausgedient.“

Natur erobert ihren Platz zurück

Bereits vor rund 2.000 Jahren wurde im Süden Luxemburgs Eisen hergestellt
Bereits vor rund 2.000 Jahren wurde im Süden Luxemburgs Eisen hergestellt Foto: Christian Muller

In den folgenden Jahren und Jahrzehnten wurde das ehemalige Tagebau-Gebiet Lallingerberg dann sich selbst überlassen. Die steinige Mondlandschaft, die der Abbau hinterlassen hatte, wurde nach und nach wieder von der Natur zurückerobert. 2015 wurde die ganze Gegend zum Schutzgebiet ernannt.

Der Besucher des Gebiets kann sich heute eigentlich nur wundern – und staunen. Auf der harten roten Erde, zwischen den langsam zerbröckelnden roten Felsen, ist ein einzigartiges Biotop entstanden. Der steinige Boden ist mit Trockenrasen zugewachsen. In der durch Sprengungen entstandenen Landschaft sind Lebensräume für eine Vielzahl seltener Arten – darunter Orchideen, Schmetterlinge, Bienen, Reptilien und Vögel – entstanden. Die alten Stollen ihrerseits sind wie geschaffen für Fledermäuse.

Von der einstigen Aktivität, die die Gegend zu dem gemacht hat, was sie heute ist, ist derweil immer weniger zu sehen. Nicht nur die Natur, die ihr Territorium zurückerobert, auch die Steine verändern sich. „Früher waren die durch Sprengungen entstandenen Mauern viel fester“, so Vic Merens. Mittlerweile ist viel zusammengebröckelt. „Es waren einst feste Felsen.“

Einige Gebäude werden heute von der Gemeinde als Lagerraum genutzt
Einige Gebäude werden heute von der Gemeinde als Lagerraum genutzt Foto: Christian Muller

Von der einstigen Abbau-Infrastruktur ist neben den beiden Straßen, die das Gelände durchschneiden, nicht mehr besonders viel zu sehen. Schienen wurden weitgehend abgerichtet. An die „Schwarze Brücke“ erinnern nur noch Mauerreste. Einige Hallen nutzt die Gemeinde als Lagerräume. Als einige der letzten Zeugen der vergangenen Zeit werden derzeit die Hochspannungsleitungsmasten abgebaut.

Doch ohne den einstigen Raubbau an der Natur würde es dieses Biotop, Naturschutzgebiet und Naherholungsgebiet mit seinen Felsen und Farben, nicht einmal geben. Die Gegend ist heute wahrscheinlich sogar viel schöner als sie vorher je war. Mittlerweile wird sogar künstlich eingegriffen, um die Natur auf dem Stand des Trockenrasens zu halten, und zu verhindern, dass die ganze Gegend verwaldet.

Der Eingang zur „Mine Lallingerberg“
Der Eingang zur „Mine Lallingerberg“ Foto: Christian Muller

Tageblatt-Berichte von vor 100 Jahren

In den Nachrichten war der Standort nach der Jahrhundertwende meist nur wegen unglücklichen Ereignissen. So berichtete das Tageblatt etwa am 15. Juni 1914: „Tödlicher Unfall. Auf Grube Lallingerberg wurde bei der Explosion eines Minenschusses der 35 Jahre alte Bergmann Anton Cruselli von fortgeschleudertem Gestein an den Kopf getroffen und getötet.“ Drei Jahre später, am 7. Juni 1917, hieß es wieder: „Unglücksfall. In einer Minettegrube Lallingerberg verunglückte kürzlich der Bergmann Johann Lutgen. Er wurde von einer herabfallenden Steinmasse getroffen und erlitt einen Arm- und Rippenbruch, sowie mehrfache Quetschungen, die eine längere Arbeitsunfähigkeit zur Folge haben.“
Dass damals die soziale Absicherung noch nicht sehr ausgefeilt war, ist bekannt. Besonders erschreckend liest sich dann auch die Nachricht vom 27. September 1921: „Unfall. Gestern morgen wurde auf seiner Arbeitsstätte in Grube Lallingerberg der 35jährige, aus Brandenburg stammende Schlepper Michel Erpelding durch herabfallendes Gestein tödlich verletzt. Der Unglückliche ist noch im Laufe des Vormittags seinen Verletzungen erlegen und hinterlässt eine Witwe mit vier unmündigen Kindern.“
Glücklicherweise waren die Nachrichten nicht immer ganz so schlimm. Im „Escher Tageblatt“ vom 8. Juli 1913 war zu erfahren: „Zu Lallingerberg wurde eine Schmiede erbrochen, und daraus altes Eisen, wie Räder, Achsen, Schienen usw. im Gesamtgewichte von ungefähr 12 Zentner und im Werte von zirka 50 Franken gestohlen. Dieb vorläufig nicht ermittelt.“ Am 13. Juni 1929 ist zu lesen: „Im Tagebau der Grube Lallingerberg wurde nachts die Arbeiterbude eingebrochen und daraus Werkzeuge sowie Messinstrumente im Werte von mehreren hundert Franken von unbekannter Hand gestohlen.“ Ähnlich erneut am 4. November 1931: „Einbruch. Im Tagebau der Erzgruben zu Lallingerberg wurden bei Abwesenheit der Arbeiter mehrere Buden erbrochen und daraus Kleider sowie Handwerkszeug verschiedener Arbeiter im Werte von einigen hundert Franken gestohlen. Umherstreifendes Gesindel wird mit dem Diebstahl in Verbindung gebracht.“

 Foto: Christian Muller

Im Wandel

Einst waren viele Menschen im Abbau von Eisenerz beschäftigt: Um 1870 zählte das Land rund 2.000 Bergarbeiter. Gegen 1905 wurde eine Rekordzahl von mehr als 6.500 Menschen erreicht. Danach ging ihre Anzahl langsam zurück, lag aber vor dem Zeiten Weltkrieg immer noch bei mehr als 4.500 Personen. Ab 1960 ging es schnell abwärts. 1972 fiel ihre Zahl unter 1.000. 1980 gab es fast keine Minen- und Grubenarbeiter mehr.
In der Großregion hat die Ära des Bergbaus noch etwas länger gedauert: Die letzte Mine in Lothringen wurde erst 1997 geschlossen. Als Rohstoff setzt ArcelorMittal in Luxemburg heute auf Recycling von Altmetall.

 Foto: Tageblatt-Archiv

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