Ukraine-Krieg / Schon über 9.000 Kriegsverbrechen im Fokus der Ermittler
„Putin und seine Helfer sollen wissen, dass sie nicht ungestraft davonkommen“, lautete die Botschaft des Europa-Parlamentes, als es verstärkte EU-Hilfe bei der Aufklärung, Sammlung und Analyse von Kriegsverbrechen auf den Weg brachte.
In ukrainischer Trachtenbluse trat die litauische konservative Politikerin Rasa Jukneviciene am Donnerstag ans Rednerpult des Europa-Parlamentes, als es um ein hoch emotionales Thema ging: Wie können die russischen Streitkräfte von den vielen Kriegsverbrechen, den systematischen Vergewaltigungen und Erniedrigungen abgebracht, wie die Täter wirksam verfolgt werden? Die Antwort des Parlamentes fiel zweifach aus: Die EU-Justizbehörde Eurojust wird nun schnellstmöglich mit neuen Kompetenzen und Fähigkeiten ausgestattet. Zugleich forderte das Europa-Parlament die Etablierung eines internationalen Sondergerichtshofes, um auch die politischen Führer und militärischen Befehlshaber, die Behörden und Institutionen in Russland verfolgen zu können, die für Aggressionen und Verbrechen verantwortlich sind.
Die neue Verordnung zur umfassenden Aufgabenerweiterung, Sammelbefugnis und Analyseerlaubnis für Eurojust bekam den „Eilt“-Stempel, wurde bereits Stunden später vom Parlament akzeptiert und soll in wenigen Wochen auch von den Mitgliedsländern verabschiedet sein. „Jeder Tag zählt“, meinte EU-Justizkommissar Didier Reynders.
Eurojust arbeitet bislang vor allem im Hintergrund und erleichtert die Absprachen der allein zuständigen Mitgliedstaaten, wenn Schläge gegen grenzüberschreitende Kriminalität vorbereitet werden. Eurojust koordiniert dann das Vorgehen, damit Durchsuchungen und Festnahmen gleichzeitig erfolgen und die Verdächtigen nicht die Gelegenheit haben, sich gegenseitig zu warnen oder Beweise verschwinden zu lassen. Zu den wichtigsten Tätigkeitsfeldern der in Den Haag angesiedelten Behörde gehören Terrorismus, Cyberkriminalität, Menschenhandel, Drogenhandel, Schleuserkriminalität, Umweltkriminalität, Geldwäsche und Betrug. Eines fehlt bislang: Kriegsverbrechen. Das soll nun schnellstmöglich dazukommen.
Die Ukraine muss den Krieg gewinnen, denn sonst wird niemand zur Verantwortung gezogenestnischer EU-Parlamentarier
Zurück geht die Initiative auf die Entdeckung der weltweit erschütternden Kriegsverbrechen in Butscha und ein Telefonat zwischen dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Parallel zu den Ausweitungen der Rechte für Eurojust stellten die Mitgliedstaaten bereits mehr Mittel und auch Personal sowohl für den Internationalen Strafgerichtshof als auch für die ukrainischen Staatsanwaltschaften zur Verfügung. Jetzt geht es darum, die Dokumente, Zeugenaussagen, Videos, DNA-Spuren und vieles mehr nicht nur zu sammeln, sondern sie auch außerhalb der Ukraine zu lagern, um sie vor russischem Zugriff zu schützen.
So beschwor der estnische Europa-Abgeordnete Jaak Madison die Kollegen, alle verfügbaren Waffen der Ukraine zur Verfügung zu stellen. „Die Ukraine muss den Krieg gewinnen, denn sonst wird niemand zur Verantwortung gezogen“, unterstrich Madison. Russen hätten im Zweiten Weltkrieg dieselben Verbrechen begangen wie heute, seien aber nie dafür zur Verantwortung gezogen worden. „Den Fehler dürfen wir nicht wiederholen“, erklärte der estnische Politiker.
Mehr Mittel für die Strafverfolgung
Auch dank internationaler Unterstützung sind nach Auskunft von Kommissar Reynders seit Kriegsbeginn bereits mehr als 9.000 Ermittlungen gegen rund 600 Verdächtige eingeleitet worden. „Wir hätten uns keine Situation von dieser Größenordnung vorstellen können“, sagte Reynders zu den Überlegungen bei der Gründung der EU-Justiz-Agentur. Nun sei es nötig, die Verordnung zu überarbeiten, damit Eurojust ermächtigt ist, Daten zu sammeln, zu speichern und zu analysieren, Und zwar nicht nur außerhalb des eigenen Zuständigkeitsbereiches, sondern auch von nichtbehördlichen Hinweisgebern. Zahlreiche Nichtregierungsorganisationen gehen Informationen über Kriegsverbrechen nach und liefern dann wichtige Fakten. Auf der anderen Seite muss die EU-Agentur mit mehr Personal, Lokalitäten und Speicherkapazitäten ausgestattet werden, um ihre neue Aufgabe stemmen zu können. In einem ersten Schritt sollen 15 Millionen Euro für die Behörde zusätzlich bereitgestellt werden.
Sprecher fast aller Parteien stellten sich in Brüssel hinter den Vorschlag der Kommission. Sergej Lagodinsky von den Grünen sagte voraus: „Die Kriegsverbrecher werden zur Verantwortung gezogen. Wenn nicht heute, dann morgen, wenn nicht morgen, dann irgendwann.“ Die russischen Soldaten würden vor der Geschichte nicht als Helden dastehen, „sondern als Verbrecher, die Zivilisten die Hände auf dem Rücken zusammenbinden, bevor sie sie erschießen“. Die Verfolgung der Täter seien die Europäer den Opfern, ihren Familien und auch sich selbst schuldig.
Zwar sprachen sich auch die AfD-Abgeordneten für „jede Art von Aufklärung“ aus. Doch begründete der Europa-Abgeordnete Nicolaus Fest das Nein zur Vorlage damit, dass seine Fraktion die „Ausweitung von EU-Kompetenzen“ ablehne und diese vermischt würden mit Sanktionen, die Europa schadeten. Der spanische Linke Miguel Urban Crespo forderte, auch die USA zu bestrafen für das, was sie im Irak getan hätten, und kritisierte, dass „auch Spanien 80 Jahre nach dem Krieg noch ungestraft“ sei.
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- Der Ursprung des Kastensystems: „Origin“ von Ava DuVernay - 29. März 2024.
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Wenn mit solchen Drohungen, mit solchen Mitteln internationale Aufklärung betrieben wird, würde die US amerikanische Armee massiv an Personalmangel leiden!
Das Alter spielt keine Rolle. Kriegsverbrecher ist Kriegsverbrecher.
@ D.W.
Die US amerikanische Armee verteidigt seit Jahrzehnten Demokratien gegen Angriffe von Kommunisten und Diktatoren. In Luxemburg sollen wir auch dankbar sein.
Die Kommunisten und Diktatoren der Welt haben ihr Gebiet nicht auf von Ureinwohnern geraubtem Terrain aufgebaut. Jeder Krieg ist ein Verbrechen und die heuchlerischen, verlogenen Kriegsregeln machen es nicht besser…..Das auserwählte Volk wird die Weltherrschaft nie erlangen.