Finanzielle HilfenRegierung startet Projektaufruf im Bereich der sozialen Wirtschaft

Finanzielle Hilfen / Regierung startet Projektaufruf im Bereich der sozialen Wirtschaft
Franz Fayot und Georges Engel stellen den ersten Projektaufruf zur Förderung sozialer Innovation in Luxemburg vor Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante

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Für eine ganze Reihe von Projekten, Initiativen und Investitionen bietet die Luxemburger Regierung finanzielle Unterstützung an. Weniger oft sind diese mit Wettbewerben verbunden. Nun wurde erstmals ein offizieller Aufruf getätigt, um Projekte aus dem Bereich Solidarwirtschaft mit bis zu 200.000 Euro zu unterstützen.

Bereits seit 2009 unternehme die Luxemburger Regierung konkrete Schritte, um ein gutes Umfeld für die Solidarwirtschaft zu schaffen, unterstrich Georges Engel, Minister für Arbeit, Beschäftigung sowie Sozial- und Solidarwirtschaft am Donnerstag im Rahmen des offiziellen Starts des Projektaufrufs. Dazu zählen die Bereitstellung von Co-Working-Spaces wie auch finanzielle Hilfen. „Es geht darum, die Menschen zu motivieren, die Sozialwirtschaft als eine tragfähige Alternative zum aktuellen Wirtschaftsmodell zu sehen“, so der Minister weiter. „Es gilt neue Lösungen für komplexe Probleme zu finden, für die der Staat und der Markt nichts im Angebot haben.“ Mit einer „inklusiven und fairen“ Herangehensweise könnten wirtschaftliche, soziale und Umweltprobleme gemeinsam angegangen werden.

Eine harte Definition für soziale Innovation gibt es nicht. Als Sozial- und Solidarwirtschaft können wirtschaftliche Aktivitäten charakterisiert werden, die auf die Erhaltung und Entwicklung sozialer Bindungen, die Aufrechterhaltung und Stärkung des territorialen Zusammenhalts, die Entwicklung kultureller oder kreativer Aktivitäten sowie auf das Anbieten von Bildungs- oder Weiterbildungsaktivitäten ausgerichtet sind. Ein Unternehmertum, das sich selber tragen kann und gleichzeitig auch Mehrwert auf lokaler Ebene schafft.

Das können beispielsweise Projekte sein, die die Verschwendung von Lebensmitteln bekämpfen, die sonst weggeworfen würden, indem sie sie für wohltätige Zwecke zur Verfügung gestellt werden. Oder es kann um die Entwicklung neuer Wohnkonzepte gehen, etwa für ältere Menschen, und um der Wohnungsknappheit entgegenzuwirken. Ein anderes Beispiel wäre die Gründung einer Energiegemeinschaft, um den Kauf und den Betrieb eines Kraftwerks für erneuerbare Energien auf mehrere Schultern zu verteilen.

„Absolut jeder kann ein sozialer Unternehmer sein“, so Georges Engel weiter. „Jeder kann Lösungen für die Probleme der Gesellschaft finden – nicht nur Experten.“ Man müsse nur Probleme erkennen, die richtigen Fragen stellen und dann nach Lösungen suchen.

Neue Projekte, neue Ideen finden

„Die soziale Wirtschaft hat eine besondere Rolle zu spielen“, fügte Wirtschaftsminister Franz Fayot hinzu. „Die traditionelle Wirtschaft, mit ihrem hohen Verbrauch an Rohstoffen und Energie, steuert immer mehr auf eine Sackgasse zu. Darunter leiden auch die Entwicklungsländer, deren Rohstoffe wir für unser Wachstum brauchen“, so der Minister weiter. Von diesem traditionellen Wirtschaftsmodell müssten wir wegkommen, hin zu einer „Wirtschaft näher bei uns, lokaler und sozialer“.

Aus all diesen Überlegungen heraus hätten Wirtschafts- und Arbeitsministerium nun entschieden, einen offiziellen Projektaufruf zu starten, so Fayot. „Es geht nun darum, die sozialen Unternehmen in den Vordergrund zu stellen und neue, lokale Ideen zu entwerfen.“ Ziel der Initiative ist es, neue Ideen (Produkte, Dienstleistungen oder Prozesse) hervorzubringen, die sowohl auf gesellschaftliche Bedürfnisse treffen als auch neue soziale Beziehungen oder neue Kooperationen schaffen. „Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“, so Engel.

Die betreffenden Projekte sollen erst einmal auf eine Dauer von 24 Monaten angelegt sein. Bei den Gewinnern wird das Wirtschaftsministerium bis zu 50 Prozent der Kosten übernehmen, bis hin zu einem Maximum von 200.000 Euro pro Projekt. Gedeckt werden können so Teile der Start-, der Material- oder der Personalkosten.
Die bis zum 15. Juni 2023 einzureichenden Antragsunterlagen müssen insbesondere eine Beschreibung des Projekts, der Tätigkeit oder der Investition sowie des innovativen sozialen Charakters des Vorhabens enthalten. Zudem muss angegeben werden, wer hinter der Initiative steht und wie der Geschäftsplan (das wirtschaftliche Potenzial) aussieht. Mehr Details gibt es auf der Webseite Guichet.lu.

Beteiligen an der Ausschreibung kann sich jedes Unternehmen, jede Kooperative und jede „Société d’impact sociétal“ (SIS). Privatpersonen wie auch gemeinnützige Organisationen (Asbl.) können sich nicht beteiligen, da die betreffenden Strukturen das Recht auf das Ausführen kommerzieller Aktivitäten haben müssen. Im Falle von Interesse sei aber jeder willkommen, jetzt noch schnell eine eigene, passende Struktur zu gründen.

Dass sich alle Arten von Unternehmen beteiligen können, ist mit Absicht entschieden worden. Es gehe darum, die soziale und die normale Wirtschaft zusammenzubringen, so Franz Fayot. „Auch traditionelle Unternehmen sollen sich dafür interessieren. (…) Wir können mehr machen als nur den Gewinn zu maximieren.“ 

„Der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt“

Finanzielle Hilfen an einen Aufruf für Projekte zu koppeln, ist nicht üblich. Meist bindet der Staat seine finanziellen Hilfen an konkrete Vorgaben. Ganz neu ist die Vorgehensweise jedoch nicht. Auch im Bereich des „High Performance Computer“ hatte das Wirtschaftsministerium bereits einen ähnlichen Aufruf gemacht. Ziel war auch hier das Fördern neuer Ideen und Konzepte. Bei der Entwicklungshilfe wurde kürzlich ebenfalls ein solcher Aufruf gestartet. Vom Erfolg sei man überwältigt gewesen, so Fayot. „Nach nur einem Monat waren dem Ministerium mehr als 100 Projekt-Ideen vorgeschlagen worden.“

Das Interesse am Projektaufruf der beiden Minister scheint groß zu sein. Deutlich mehr als 100 Vertreter von Start-ups, Studenten und Vertreter der Solidarwirtschaft waren hierfür am Donnerstag im House of Start-ups in Luxemburg-Stadt präsent. Zum Ankurbeln der Inspiration hielt der US-Umweltanwalt und Aktivist Gus Speth eine Rede. Speth ist Mitgründer der Fairphone-Initiative, eines niederländischen Unternehmens, das Smartphones entwickelt, die zu möglichst fairen Bedingungen hergestellt werden, und auf die genaue Herkunft der verarbeiteten Rohstoffe achtet.

Um die Gewinner des Projektaufrufs auszuwählen, werden sich Vertreter von Arbeits- und Wirtschaftsministerium zusammensetzen. „Das Erste, was wir uns bei der Auswahl anschauen werden, ist die soziale Komponente“, so Vanessa Schummer, zuständig für den Bereich Solidarwirtschaft im Arbeitsministerium. Dabei müsse natürlich sichergestellt sein, dass sich die Projekte selber tragen können, fügte Luc Decker vom Wirtschaftsministerium hinzu. Die fünf bis sechs Gewinner werden am 7. Juli im Rahmen der dann stattfindenden „Impact Days“ bekannt gegeben.

Insgesamt steht der Bereich der sozialen Wirtschaft hierzulande (Stand 2020) für etwa vier Prozent der Arbeitsplätze. Diese teilen sich auf 2.135 unterschiedliche Einheiten (bspw. Asbl. oder SIS) auf. Dass nur 23,7 Prozent der Angestellten aus den Grenzregionen kommen, unterstreicht den Fokus auf das Lokale.

Mehr als hundert Studenten, Vertreter von Start-ups und Vertreter der Sozial- und Solidarwirtschaft waren am Donnerstag ins House of Start-ups  gekommen
Mehr als hundert Studenten, Vertreter von Start-ups und Vertreter der Sozial- und Solidarwirtschaft waren am Donnerstag ins House of Start-ups gekommen Foto: Editpress/Fabrizio Pizzolante
dmp
31. März 2023 - 10.50

Stichwort „Energiegemeinschaft … Sollen solche Projekte einen echten Impakt haben, dürfen es keine wenigen Alibiprojekte sein, sondern müssen in großer Anzahl und rasch ausgeführt werden. Das jedoch wird den „großen“ Energiebetrieben im Land Kundschaft kosten, was auf Anhieb für diese Unternehmen negativ klingt. Hier aber kann sich das Management eines Energieunternehmens bewähren und dies als Chance betrachten, trotzdem weiterhin im Geschäft zu bleiben. Es könnten seitens dieser Unternehmen dezentrale Projekte, eben zum Beispiel solche Energiegemeinschaften, unterstützt werden. Dies sowohl für ganze Gemeinden, Siedlungen, Industriezonen, einzelne Wohnkomplexe etc. Knowhow, Technik, Überwachung und andere „Leistungen“ könnten erbracht werden, jedoch zu einer sehr geringen finanziellen Belastung für die Projekte. Am produzierten Strom könnte dem Energieunternehmen eine kleine „Abfindung“ pro kWh gewährt werden. Damit würden die großen Energieunternehmen ein wenig mitverdienen. Besser als die Kundschaft in Gänze zu verlieren. Das ökonomische Wachstumsdenken allerdings muss über Bord geworfen werden. Es geht schlicht darum, entweder ein wenig an der Dezentralisierung mitzuverdienen, oder gar nichts. Das dürfte ein Clash ergeben zwischen unternehmerischer Gewinnmaximierung und der Notwendigkeit zur Klimarettung. Oder anders formuliert: Zwischen eigennützigen Unternehmensinteressen und der Allgemeinheit, den Bürgern. Beispiele von erfolgreich operierenden Energiegemeinschaften, die als Blaupause oder zumindest Ideenanregung dienen könnten, gibt es einige im nahen Ausland. Es steht jedoch zu befürchten, dass konservative Unternehmenskultur sich einer „echten“ Dezentralisierung erneuerbarer Energien in den Weg stellen werden. Und dann erschallt der Ruf nach dem Staat, der sich zwischen Partikularinteressen einiger wenigen Großunternehmen und dem auf EU-Ebene verankerten Recht zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt“ positionieren muss. Die jetzt angedachte finanzielle Hilfen seitens des Staates sind eine nette Initiative. Sie kann aber nur als Motivation verstanden werden, Projekte anzugehen. Die Deckung der tatsächlichen Kosten muss begleitet werden, um relevante und sinnvolle Projekte im Energiebereich verwirklichen zu können. Daher sollte für dieserart Projekte eine gesonderte Initiative gestartet werden, da diese sich doch finanziell und substanziell erheblich von anderen im Artikel genannten Feldern abheben.

Grober J-P.
31. März 2023 - 10.18

Bitte mal nach Oradea fahren und kucken was die da richtig machen. Ist schon komisch, dort entstehen neue supermoderne Industrien die hier abgebaut werden. Stichwort Husky!